Wie Rechtsaußen Stimmung gegen die Demos macht

Alexander Jungkunz

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5.2.2024, 16:55 Uhr
"Nie wieder ist jetzt! DemokratInnen gegen rechte Brandstifter": Die Allianz gegen Rechtsextremismus rief am Samstag zur Demo auf dem Kornmarkt auf.

© Hans-Joachim Winckler, NNZ "Nie wieder ist jetzt! DemokratInnen gegen rechte Brandstifter": Die Allianz gegen Rechtsextremismus rief am Samstag zur Demo auf dem Kornmarkt auf.

Politik ist immer auch ein Kampf um die Deutungshoheit: Welche Sicht setzt sich durch? Wir erleben das bei den Demos gegen Rechtsextremismus. Die meisten staunen über die Massen, die kommen - mit Zahlen, die alle Prognosen übertreffen. Andere zweifelten erst an den Zahlen und versuchen nun, die Proteste ins Zwielicht zu rücken.

Rund zwei Millionen Menschen haben bisher teilgenommen. Ja, das ist nur ein Bruchteil der Bevölkerung. Aber: Es gehört etwas dazu, auf eine Demo zu gehen, man muss sich aufraffen - in der Freizeit, am Wochenende. Gern vergleichen Kritiker der Kundgebungen sie mit den Bauern-Protesten und behaupten, die mediale Resonanz sei nun höher. Das ist nicht haltbar: Über die Traktor-Fahrten und -Demos wurde intensiv berichtet. Nun sind es so viele Aktionen, dass gar nicht alle erwähnt werden können - und die Zahl der Teilnehmenden ist deutlich höher.

Es sei ein Zeichen von Steuerung, ja von Diktaturen, dass Menschen für die Regierenden auf die Straße gehen: Das streuen die AfD und ihre Unterstützer (Putins Regime gehört dazu). Auch das ist mindestens schräg: Auf den Demos wird die Politik meist kritisiert, auch die Ampel. Die Menschen treten für Demokratie ein, für Menschenrechte - und gegen diejenigen, die diese Errungenschaften gefährden.

Die Proteste zeigen Wirkung

Und zu erleben ist: Die Proteste zeigen Wirkung. Jetzt endlich beginnt die Politik, Institutionen wie das Bundesverfassungsgericht vor Angriffen von rechts zu sichern. Denn der Blick auf Ungarn oder Polen (vor der Abwahl der Pis-Regierung) zeigt, was die AfD tun würde: Auch sie will eine illiberale Demokratie mit gelenkten Medien und gesteuerter Justiz.

Bei Vergleichen mit der NSDAP ist Vorsicht geboten: Die Wannseekonferenz war ein anderes Kaliber als das Treffen in einem Hotel in der Nähe, bei dem auch AfD-Mitglieder über die „Remigration“ von Millionen von Menschen zum Glück folgenlos sprachen. 1942 beschloss das NS-Regime dort den Holocaust. Die Versammlung 2023 war abstoßend und verfassungsfeindlich - aber der direkte Vergleich relativiert den planmäßigen Massenmord der Nazis. Bemerkenswert ist allerdings, dass selbst Frankreichs Rechtspopulistin Le Pen die AfD wegen Potsdam als zu radikal kritisiert und die Kooperation im EU-Parlament hinterfragt.

Fake News über Correctiv

Gern zieht man rund um die AfD die Arbeit von Correctiv in Zweifel, das über Potsdam berichtete. „Über Olafs Treffen mit der Warburg Bank und den Milliardenbetrug weiß Correctiv zufälligerweise leider nichts“ ist da etwa zu lesen. Unsinn: Es war Correctiv, das zusammen mit anderen Medien immer wieder Details über den CumEx-Skandal enthüllte.
Eine Folge der Demos ist ablesbar: Die Parteien verzeichnen viele Neueintritte. Das ist erfreulich: Parteien machen Politik. Demonstrieren ist wichtig, aber nur der Beginn von Engagement.

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