
Camino de los siete lagos
Mit dem Fahrrad durch die Anden: Zwei Nürnberger erstrampeln sich die schönsten Aussichten
Der Tiefpunkt liegt weit in der Höhe. Wo der Weg so steil ist, dass Strampeln wenig Sinn ergibt und schon lange dem Schieben gewichen ist. In der Mittagshitze über dem Lenkrad gebeugt überkommt einen die Sinnfrage. Warum die Quälerei? Wo doch neben einem Autos und Busse ohne Müh und Not schleunigst vorbeifahren, die Höhenmeter kaum bemerken. Und am Ende dieselbe Aussicht genießen.
Eine wirkliche Antwort darauf habe ich nicht zu bieten, das ist bei Sinnfragen aber bekanntlich sowieso schwierig. Eines ist allerdings klar: Beim „camino de los siete lagos“, also dem „Weg der sieben Seen“ ist der Weg auch das Ziel. 107 Kilometer lang geht es an den namensgebenden sieben Seen vorbei durch die zwei Nationalparks Nahuel Huapi und Lanín durch die argentinischen Anden. Die Nationalroute 40 ist eine der schönsten Touren in Patagonien im Süden Argentiniens und eine beliebte Panoramastraße, die die meisten Menschen in etwa zwei Stunden mit einem Mietwagen oder einem Bus abfahren.
Fahrradtour durch Patagonien: 36 Kilometer sind mehr als man denkt
Wer beschließt, den Weg von Villa Angostura bis San Martín de los Andes auf dem Fahrrad zu absolvieren, der muss drei Tage lang strampeln. Oder vielleicht lieber vier, wenn er den Ratschlag dieser ermüdeten Redakteurin annimmt. Verschiedene Anbieter vermieten Fahrräder für die Strecke, auf dem Weg kann vor allem auf Campingplätzen im Nationalpark übernachtet werden. Um nicht mit Gepäck die Berge hochfahren zu müssen, haben wir zwei uns einen Service gebucht, der die großen Rucksäcke direkt zur nächsten Station fährt, dort schon einmal Zelte aufbaut und auch jeden Morgen Essen mit auf den Weg gibt.
Solche Sorglos-Pakete gab es entweder für zwei Tage (sportlich), für drei Tage (normal) und für vier Tage (gemütlich). Da wir äußerst normal sind und die umgerechnet 36 Kilometer pro Tag für gut machbar hielten, waren es bei uns drei Tage. Aber 36 Kilometer sind je nach Anzahl an Höhenmetern mehr als man denkt. Zumal die Gesamtstrecke durch die Wege zu den Campingplätzen noch etwa zehn Kilometer länger wurde und die 117 Kilometer nicht gerecht auf drei Tage aufgeteilt waren.
Am ersten Tag ging es 27 Kilometer über „recht flaches Gelände“, wie die Fahrradvermietung ankündigte. Das stimmte allerdings nur für die ersten zwei Kilometer aus der Stadt raus. Ab dann ging es bergauf und bergab, flaches Gelände suchte man vergebens. Zugegeben, sämtliche Höhenmeter, die wir dazugewannen, verloren wir direkt danach bei einem Abstieg wieder. Im Schnitt mag es also eine flache Strecke sein, meiner Kondition half das Wissen aber kein bisschen. Immerhin: Direkt am Weg lag einer der Seen mit ihrem kristallklaren und eiskalten Wasser. Dort konnten wir baden, die schmerzenden Muskeln kühlen, den Schweiß abwaschen. Um direkt danach wieder in die verschwitzten Sachen zu schlüpfen und die Muskeln wieder zu beanspruchen.
Zu jedem Zeitpunkt auf diesem Weg ist die Aussicht wunderschön. Man muss nur daran denken, vom Lenkrad ein wenig nach oben zu schauen. Dichte Wälder, romantische Seen, in denen sich schneebedeckte Gipfel spiegeln. In der Luft beeindruckende Raubvögel. Eine Märchenkulisse. Wobei zu viel Blick auf die Landschaft auch gefährlich sein kann. Ein Radfahrer einer anderen Gruppe stürzt am Ende des Tages bei einer Abfahrt. Kurz vorm Ziel kann die Konzentration eben nachlassen. Hilfe ist schnell da, er kommt ins nächste Krankenhaus. Und am Zeltplatz hört man von seinen Mitfahrern: Er ist mit ein paar Schrammen und einer ausgelenkten Schulter davongekommen. Am Zeltplatz ist natürlich auch ein See. Und beim Blick darauf, mit einem kühlen Getränk in der Hand, sind die Strapazen der letzten Stunden schnell wieder vergessen.
Während der erste Tag anstrengend, aber machbar war, war der zweite Tag hart. Die Beine taten schon morgens weh, der Hintern noch mehr. Die ersten 25 von insgesamt 50 Kilometer glichen dem „flachen“ Weg vom Vortag, wie ein Jo-jo ging es immer erst hinunter und direkt wieder rauf. Doch dann ging es mehrere Kilometer lang nur steil bergauf. Das war der oben beschriebene Moment, in dem ich mir die Sinnfrage stellte. Eventuell lauthals und verzweifelt. Aber wir wollen darauf vielleicht nicht zu genau eingehen. Immerhin: Die Autos und Busse fahren zwar auf der gleichen Straße wie die Radfahrer, aber sie überholen immer mit Abstand und sind nicht so zahlreich, dass sie nerven würden.
Ganz am Ende des dritten Tages bekommt man übrigens die Belohnung für die am zweiten Tag so mühsam erklommenen Höhenmeter. Die letzten 15 Kilometer gehen nur noch bergab bis in das idyllische Örtchen San Martín de los Anden. Und während man die hinabfährt, weiß man, warum man all das getan hat. Ja, die Autofahrer sehen den Ausblick auch. Aber wir haben ihn uns verdient.
Weitere Informationen
Anreise: Von Frankfurt gibt es Direktflüge nach Buenos Aires. Von dort aus kann man entweder einen Flug oder eine Busfahrt nach San Carlos de Bariloche. Die Stadt selbst ist ebenfalls einen Besuch wert, viele Argentinier verbringen dort im Urlaub ein paar Wochen. Verschiedene Busse fahren ab Bariloche nach Villa La Angostura.
Beste Reisezeit: In diesem Teil der Anden herrschen im argentinischen Hochsommer im Januar und Februar angenehme Temperaturen von 20 bis 25 Grad. Achtung: Nachts fallen die Temperaturen trotzdem auf um die 0 Grad, also auch warme Sachen einpacken.

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