
Dunkel, aber gemütlich
Südschweden im Winter: Ein kleines, ruhiges Paradies ohne nervige Touristenmassen
Der Blick auf die Wetter-App ist ernüchternd, der aus dem Fenster am frühen Morgen ebenfalls: Für den schwedischen Ort Skanör liegt das Niederschlagsrisiko bei 90 Prozent. Die App warnt vor starkem Wind an der Küste; die Temperaturen werden an dem Tag nicht über fünf Grad klettern. Eigentlich kein Wetter, um einen Spaziergang an der Ostsee zu machen und sich die frische Brise um die Nase wehen zu lassen.
"Die Bedingungen sind perfekt für uns", freut sich Maria Larsson, zieht sich eine wasserdichte Hose über, setzt eine warme Mütze auf und packt gefütterte Gummi-Handschuhe in die Tasche ihres Anoraks. Die Südschwedin führt normalerweise im Sommer Touristen aus Deutschland, Dänemark oder Polen an den Stränden von Skanör entlang und gibt ihr Wissen über Bernstein weiter.

Maria Larsson findet die Wetter-App-Vorhersage großartig - denn an dem Tag mitten im Dezember ist die Chance, Bernstein zu finden, wesentlich höher als bei blauem Himmel und Sonnenschein. Starker Wind wirbelt den Meeresboden auf und spült den Bernstein als Strandgut an die Küste. Ihn zu finden, ist dennoch nicht ganz so einfach.
Die 39-Jährige hat, gemeinsam mit ihrem Mann, das Unternehmen RAV gegründet und sich auf handgefertigten Bernstein-Schmuck spezialisiert. Rav ist das schwedische Wort für Amber, also Bernstein. Den Rohstoff für ihre Unikate findet Larsson fast direkt vor ihrer Haustüre, an den wilden und malerischen Stränden von Skanör med Falsterbo.
Neben dem Treibgut liegen, gut versteckt, gold-gelbe Bernsteine
Mit Rechen und Schaufeln ausgestattet, legt Maria Larsson los. Die aufgewühlte Ostsee treibt Sediment und bräunlich schimmernde Meerespflanzen an den Strand – dazwischen verbergen sich, oft völlig unscheinbar, kleine Bernsteine, die im Vergleich zu echten Steinen leicht sind und in der Sonne golden schimmern. In Südschweden ist Bernstein meist bräunlich oder honigfarben. "Diese Farben sind typisch für unsere Region, in Lateinamerika ist Bernstein grün, in Polen rot", erklärt Maria Larsson, während sie mit einem kleinen Handrechen die an Land gespülten Pflanzen und Muscheln, die in Häufchen entlang der Küste liegen, durchsucht. Bernstein war vor langer Zeit wichtig für die Region. Er war Zahlungsmittel und wurde als Schmuck weiterverkauft.
Die Hochzeit der Bernsteinsammler in Südschweden war in den 1970er und 1980er Jahren. Heute seien es vorwiegend Touristen, die ein Stück Bernstein als Erinnerung an ihren Urlaub mitnehmen, erzählt die Expertin.

Skanör ist im Sommer voll mit Besuchern. Mit ihrem feinen weißen Sand gehören die Strände zu den meistbesuchten in Schweden. Zwischen Mai und September können Urlauber dort Kitesurfen oder einfach faulenzen. "Der Stand ist bei schönem Wetter komplett belegt", sagt Maria Larsson. Jetzt, im Winter, ist weniger los. Nur ab und an kommt ein Spaziergänger mit seinem Hund vorbei.
Dabei haben auch die kalten Monate ihren Reiz. Dunkel wird es in Südschweden übrigens eine gute Stunde früher als in Deutschland, gegen 16 Uhr geht die Sonne unter. Skåne, so heißt die gesamte Region, befindet sich im äußersten Süden des Landes. Von Nürnberg aus ist man über Kopenhagen via Malmö unkompliziert dort - entweder mit dem Zug oder mit dem Flugzeug. Zu den bekanntesten Gemeinden und Städten der Region zählen neben Skanör Malmö, Lund und Ystad.

Letztere ist weniger für Bernstein, dafür umso mehr für spannende Geschichten bekannt: Autor Henning Mankell ließ seinen Kommissar Wallander in Ystad ermitteln. Wer dort urlaubt, kann nicht nur auf den Spuren Wallanders wandeln, sondern sollte das alte Kloster besuchen. Das riesige Gebäude mitten in der Altstadt entstand im 13. Jahrhundert und ist heute ein Museum, in dem auch die Geschichte der Stadt erzählt wird.
Am zentralen Marktplatz steht die Marienkirche, die Hauptkirche der gut 32.000 Einwohner großen Stadt. Das Gotteshaus wurde um 1200 erbaut. Dort gibt es einen nicht alltäglichen Brauch: Der "Watchman", zu Deutsch Turmwächter, bläst jeden Abend in jede Himmelsrichtung auf einer Lure – das ist eine Art Trompete. Dieses Ritual gibt es schon seit dem 17. Jahrhundert und es soll symbolisieren: Alles gut, die Stadt ist sicher.

In die Geschichte der Region eintauchen können Touristen auch gut 30 Autominuten von Ystad entfernt. Dort befindet sich ein Steinkreis, der zwar nicht so groß ist wie das weltberühmte Stonehenge in England, der aber genauso beeindruckend ist – nicht zuletzt wegen seiner Lage direkt an einer Steilküste. Ales stenar (zu Deutsch: Steine von Ale) befindet sich oberhalb des Dorfes Kåseberga östlich von Ystad und gehört zu den rätselhaftesten Sehenswürdigkeiten des Landes. Denn warum die 59 Steine in Form eines 67 Meter langen und bis zu 19 Meter breiten Schiffsrumpfes aufgestellt wurden, ist bis heute nicht wirklich geklärt. Vermutlich stammen sie aus der frühen Eisenzeit.

Einige Wissenschaftler vermuten, dass es sich um eine historische Grabstätte handelt. Doch es gibt auch Thesen, nach denen Ales Stenar eine astronomische Uhr oder einen Sonnenkalender darstellt. Dafür spricht die Anordnung der Steine. Sie sind so positioniert, dass die Sonne im Sommer in der nordwestlichen Ecke unter- und im Winter exakt an der gegenüberliegenden Ecke aufgeht.
Ein Besuch dort lässt sich perfekt mit einem Spaziergang verbinden. Der Trail Skåneleden SL 7 erstreckt sich entlang der Küste, vorbei an heimeligen Gaststätten und Restaurants zum Aufwärmen. "Wir machen es uns hier gemütlich, auch wenn das Wetter nicht immer so super ist und die Sonne sich mal länger nicht zeigt", sagt Bernstein-Expertin Maria Larsson, "man braucht nur die richtige Kleidung."

Die braucht man zwar beim Spazierengehen, aber im Skanör Falsterbo Kallbadhus eher nicht: In Skanör haben Badehäuser eine lange Tradition. Wer möchte, kann sich dort in der Sauna mit Blick auf den Öresund aufwärmen – und sich danach ordentlich abkühlen. Das Wasser ist an diesem windigen Wintertag übrigens genauso kalt wie die Umgebung: ungefähr fünf Grad.
In einer früheren Version des Online-Textes stand der Name Maria Ming. Dieser war der Redaktion versehentlich übermittelt worden. Wir haben den Nachnamen nachträglich korrigiert.

Mehr Informationen über die Reise
www.visitskane.com.
Anreise: per ICE ab Nürnberg nach Hamburg und weiter mit dem Zug direkt nach Kopenhagen. Dort noch einmal umsteigen, um nach Malmö zu gelangen. In Malmö nimmt man sich am besten einen Mietwagen; Lufthansa fliegt ab Nürnberg via Frankfurt oder München nach Kopenhagen. Der Zug vom Flughafen nach Malmö benötigt rund 20 Minuten.
Beste Reisezeit: ganzjährig. Besonders im Winter ist es in Skåne richtig schön: Es ist nicht überlaufen, Hotels und Restaurants sind wunderschön dekoriert und geschmückt für die dunkle Jahreszeit.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen