
Mehr als nur Kneipen
Vier Nächte, zwölf Pubs und ganz viel Musik: Eine etwas andere Reise durch Irland
Das Städtchen Athlone im Herzen Irlands ist nicht etwa um eine Burg oder eine Kirche herum entstanden, sondern um ein Pub. Den Fluss Shannon, der das Land in Ost und West teilt, konnte man hier schon immer gut durchqueren, weil es eine Furt gibt. Ein findiger Ire gründete an dieser Furt im Jahr 900 die Mutter aller Kneipen, „Sean’s Bar“.
Die gibt es noch heute, Timmy Donovan arbeitet hier und erzählt die Geschichte der ältesten Kneipe der Welt (laut Guinness-Buch der Rekorde) gerne im Zwielicht des länglichen Schankraums, der mit Holz und Torf beheizt wird. Auch über Whiskey kann der Mittfünfziger viel erzählen. Das Wichtigste: Natürlich haben ihn die Iren erfunden, nicht etwa die Schotten. Das ist zwar nicht bewiesen, aber erzählen Sie das mal einem Iren! Hier herrscht die Meinung vor, dass schottischer Whisky (ohne „e“) gerade mal dazu taugt, Wunden zu desinfizieren oder Blumen zu gießen.
Irland ist Deutschland in Sachen Digitalisierung weit voraus
Der nächste Stopp ist „Alexander Knox & Co.“ in Ennis im Westen Irlands. Hier werden, wie in vielen Pubs, traditionelle Musiksessions abgehalten. Das heißt, das zwei oder mehr Musikerinnen und Musiker den irischen Folk spielen, auf der Fiedel, der Flöte, mit der Bodhran-Trommel oder dem irischen Dudelsack. Denn Pubs sind nicht nur Orte, wo Bier gezapft wird. Sie sind Restaurants, Treffpunkte für alle Generationen, zum Quatschen oder zum Public Viewing - und Kulturzentren, wo die mündlich überlieferte Art, Musik zu machen, noch gepflegt wird.
Außerdem gibt es fast überall offenes WLAN. Irland ist Deutschland in dieser Hinsicht weit voraus. Das mag auch damit zusammenhängen, dass die Steuervergünstigungen Firmen der Pharmaindustrie und des Tech-Sektors ins Land ziehen - und mit ihnen junge, gut ausgebildete Migranten. Etwa die Europazentrale von Google befindet sich in der irischen Hauptstadt Dublin.
Vor allem aber ist die Insel grün, das ist kein Klischee. Grasende Kühe wie aus der Kerrygold-Werbung. Pferde, Schafe, Ziegen, gelb blühender Ginster und kleine Mäuerchen, die ohne Mörtel aufgeschichtet wurden und in denen kein Stein dem anderen gleicht. In der großen Hungersnot Mitte des 19. Jahrhunderts, die zahllose Iren das Leben kostete oder zur Auswanderung in die USA zwang, wurden diese Mauern sogar ohne Zweck errichtet. Die Regierung wollte den Armen nicht ohne Gegenleistung helfen und so ließ sie sie sinnlose Mauern bauen, die „famine-walls“ („famine“ bedeutet „Hungersnot“).
In Galway wird ein früher illegaler Schnaps gebrannt
In „Gus O’Connors Pub“ in Doolin an der Atlantikküste leidet man keinen Hunger, die Muscheln schmecken vorzüglich und selbstverständlich wird auch hier traditionelle Musik gespielt, zu späterer Stunde mit Ausflügen in Richtung Rock und Pop. Das Besondere an den Sessions ist, dass jeder mitmachen kann. Eine Frau aus der Nachbarschaft singt spontan eine irische Ballade, danach machen die Profis weiter.
In Galway fühlt man sich ein bisschen an „Game Of Thrones“ erinnert. Die „City of the Tribes“ wurde über Jahrhunderte von 14 Händlerdynastien geprägt, ihre Flaggen prangen am zentralen Platz in der Innenstadt. Ein Familienbetrieb ist auch die „Micil Distillery“ im Galwayer Vorort Salthill. Die Brennerei stellt nicht nur Whiskey und Gin her, sondern auch Poitín. Dieser Schwarzbrand ähnelt dem Whiskey und war bis 1997 verboten, wie Pádraic Ó Griallais, Mitbegründer von „Micil“ berichtet. Cocktails, die sonst mit Tequila gemacht werden, schmecken besser mit Poitín, sagt der charmante 37-Jährige. Seit sechs Generationen brennt seine Familie das Zeug, er ist der erste, der es legal tut... Darauf ein „Prost“, oder wie der Ire sagt: „Sláinte!“
Wer in Galway abends noch Durst und Lust auf Musik hat, geht in „Taaffes Bar“, „The Kings Head“ oder ins „Sally Longs“, wo die Rocker in ihren Kutten herumhängen. Die Kathedrale der Stadt ist ebenfalls einen Besuch wert. Sie wurde erst in den 1960er-Jahren erbaut und enthält ein Mosaik, auf dem der betende John F. Kennedy zu sehen ist - der erste katholische, irisch-stämmige Präsident der USA wurde im Herkunftsland seiner Familie verehrt wie ein Nationalheld.
Von einer neuen Kirche zu einer alten Kirche: „The Church“ im Herzen Dublins, der letzten Station auf dieser feucht-fröhlichen Reise, ist ein schickes Restaurant, das tatsächlich in einen alten Kirchenbau eingesetzt wurde. Es gibt noch die Orgel, die Emporen, die Epitaphe, die Suppe kostet zehn Euro und aus den Lautsprechern dudeln Hits aus den 1980ern. Blasphemie? Eher keine große Sache im katholischen Irland. In der „Church“ ist man stolz darauf, dass hier schon Bill Clinton oder Taylor Swift dinierten.
Der Alkohol spielt in Irland eine besondere Rolle
In drei verschiedene Pubs der Hauptstadt führt abends der „Dublin Literary Pub Crawl“. Jaja, in Irland ist auch die hohe Literatur untrennbar mit den ordinären Trinkhallen verbunden. Schauspieler Finbarr Doyle führt durch die Stadt, erzählt Geschichten über James Joyce, Oscar Wilde oder Samuel Beckett und rezitiert deren Texte, während im „Dukes“, „O’Neals“ oder „Davy Byrnes“ die Pints ausgeschenkt werden. Man sollte den Iren nicht vorwerfen, sie würden Alkohol verharmlosen, sie sind sich der schädlichen Folgen des Konsums durchaus bewusst. Eine gewisse Verklärung gehört aber definitiv zum nationalen Erbe.
Das wird nirgends so deutlich wie im „Storehouse“ der Guinness-Brauerei. Die Marke hat in Irland ikonischen Status. Das bescheiden als Lagerhaus bezeichnete Museum ist tatsächlich ein altes Lagerhaus - es ist aber auch ein sieben Stockwerke hoher Tempel des Alkoholkonsums, ein Bier-Disneyland. Die Ausstellung informiert nicht nur über die Herstellung des Bieres, die Lagerung, die einfallsreiche Werbung und die Bedeutung der Firma für Dublin. Man lernt auch, wie man ein Glas Guinness richtig zapft und kann schließlich ganz oben den atemberaubenden Blick über die Stadt genießen.
Spätestens hier, nach dem zweiten Pint an einem Werktag noch vor dem Mittagessen, ist es eine Frage des Selbstschutzes, die Untersuchung der irischen Pub-Kultur zu beenden. Ganz wichtiger letzter Hinweis: Guinness gibt es neuerdings in der 0,0-Variante und Irland ist auch für abstinente Menschen definitiv eine Reise wert.
Weitere Informationen
Diese Reise wurde ermöglicht vom irischen Tourismusverband, auf www.ireland.de finden sich nützliche Hinweise zu Sehenswürdigkeiten, Unterkünften und Reiseplanung.
Anreise: Regelmäßige Flugverbindungen gibt es etwa von München oder Frankfurt nach Dublin, auch die Städte Cork, Kerry und Knock werden von Deutschland aus angeflogen.
Beste Reisezeit: Zwischen Oktober und Mai ist die Insel authentisch zu erleben, der Sommer ist auch bei den Iren Hauptreisezeit und entsprechend gut besucht. Die Temperaturen sind das ganze Jahr über beständig mild und nur selten unter Null, Regensachen sollte man aber immer dabei haben.
Newsletter für Ihre Region
Sie möchten mehr Informationen aus der Region? Hier können Sie einen unserer Newsletter kostenlos bestellen.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen