Ein Labor zur Herstellung von synthetischen Drogen. Der Aufnahmeort ist unbekannt.
© Polizei Nordrhein-Westfalen, dpa
Ein Labor zur Herstellung von synthetischen Drogen. Der Aufnahmeort ist unbekannt.

Kampf gegen Rauschgift-Mafia

Aktion "Polygon": Kripo Oberfranken beschlagnahmt 740 Kilo Kokain im Wert von 30 Millionen Euro

Viel Geld investiert offenbar auch die Unterwelt in die Digitalisierung, doch auch in diesem Bereich nicht immer mit dem gewünschten Erfolg. So gelang es französischen Behörden, die "EncroChat"-Verschlüsselungstechnik einer inzwischen aufgelösten Firma gleichen Namens zu entschlüsseln und damit deutschen Fahndern zu einem empfindlichen Schlag gegen die Rauschgift-Mafia in Deutschland zu verhelfen.

Die Kriminalpolizei in Oberfranken durchforstete etwa entschlüsselte 10.000 Datensätze einschließlich Bildchen und erreichte im Rahmen der Aktion "Polygon" die Beschlagnahme von 740 Kilogramm Kokain im Marktwert von mehr als 30 Millionen Euro in Bremen. Das sei eine der größten Mengen gewesen, welche die bayerische Polizei jemals sichergestellt habe, berichtete Oberfrankens Kriminaldirektor Alfred Kauper am Montag in München.

Das Dienstleistungsangebot von "EncroChat" wurde offenbar nahezu ausschließlich von Dunkelmännern in Anspruch genommen. Diese zahlten für ein entsprechend verschlüsseltes und abgeschottetes Smartphone etwa 1.000 Euro mehr als für ein normales Gerät und zusätzlich eine Gebühr von 1.500 Euro für sechs Monate. Dafür konnten sie sicher sein, nicht abgehört zu werden und den Inhalt ihrer Handy-Speicher dem Zugriff der Strafverfolger entziehen zu können. So glaubten sie jedenfalls bis die französische Polizei den Code für die "EncroChat"-Kommunikation knackte. Die Warnung des Betreibers im Juni 2020, die Geräte schleunigst los zu werden, kam zu spät. Auch der Umstieg auf die Anschlusstechnik "SkyECC" half vielen nichts mehr.

740 Päckchen Kokain in Container gefunden

Bei der Auswertung der Datensätze stellte sich heraus, dass 740 Ein-Kilogramm-Päckchen mit Kokain im vergangenen Montag über Bremen ihren Weg zu deutschen und anderen europäischen Abnehmern finden sollten. Tatsächlich fanden sich die Päckchen in einem mit Rohkaffee beladenen Container. Bei Durchsuchungen in Hamburg, Hannover und Coburg wurden fünf Täter festgenommen, die derzeit alle in bayerischer Untersuchungshaft sitzen. Bei zwei von ihnen seien scharfe Schusswaffen gefunden worden, berichtete Kauper: "Ohne die Entschlüsselung hätte es das Verfahren nicht gegeben."

Welches "Abfangtool" die französischen Sicherheitsbehörden zur Entschlüsselung der Krypto-Handys angewandt haben, unterliegt dem strengen Militärgeheimnis. Der Bundesgerichtshof hatte für die strafrechtliche Verwertung der dadurch entschlüsselten Daten unlängst grünes Licht gegeben.

Dunkelmann-Handy lief gut

Das Geschäft mit den "EncroChat"-Handys lief offenbar gut. So haben die Ermittler festgestellt, dass 60.000 dieser Geräte in Europa, davon 4.500 in Deutschland und davon wiederum 230 in Bayern eingesetzt waren. Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass diese Geräte nahezu ausschließlich für illegale Aktivitäten Verwendung fanden. Sie besaßen zusätzlich zu ihrer strikten Abschirmung auch eine Panik- oder Wipe-Out-Taste, über die alle Inhalte rasch gelöscht werden konnten. Aber auch diese Funktion half den Benutzern offensichtlich nicht.

Beschlagnahmte Geldscheine und Münzen sind auf einem Tisch im Polizeipräsidium Krefeld ausgebreitet. Beides wurde bei mutmaßlichen Drogendealern sichergestellt. 

Beschlagnahmte Geldscheine und Münzen sind auf einem Tisch im Polizeipräsidium Krefeld ausgebreitet. Beides wurde bei mutmaßlichen Drogendealern sichergestellt.  © Polizei Krefeld, dpa

Die Aktion "Polygon" war nur ein Teil des immerwährenden Kampfes der Sicherheitsbehörden gegen die Organisierte Kriminalität, unterstrichen die bayerischen Minister Joachim Herrmann (Inneres) und Georg Eisenreich (Justiz) am Montag in München. Organisierte Kriminalität stecke vor allem hinter Zwangsproduktion, Drogenhandel und Cybertrading, so Eisenreich. Spezialabteilungen und Spezial-Staatsanwälte sind inzwischen an allen bayerischen Staatsanwaltschaften tätig. Bei der Generalstaatsanwaltschaft München arbeitet seit 2018 eine "Koordinierungsstelle Vermögensabschöpfung", deren Aufgabe es auch ist, eingezogene Werte wie Bargeld und Luxusgüter zur Entschädigung von Opfern einzusetzen. Der große Rest geht an den Staat.

2020 wurden von bayerischen Polizeidienststellen und Staatsanwaltschaften 75 Verfahren geführt, die dem Bereich der Organisierten Kriminalität zugeordnet werden. Seit Einleitung dieser Verfahren seien 42,5 Millionen Euro sichergestellt worden, berichtete Justizminister Eisenreich. Für 2021 gibt es noch keine Zahlen.

Nicht müde werden die bayerischen CSU-Minister, den Bundesgesetzgeber zu einer "praktikablen Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung" zu drängen. Für schwere Straftaten reichten die derzeit vorhandenen digitalen Ermittlungsbefugnisse nicht aus, sagte Herrmann. Aktiv werden müsse der Bundesgesetzgeber auch, um den Sicherheitsbehörden den Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation im neuen 5G-Mobilfunkstandard zu ermöglichen.