Angreifer von Polizisten erschossen

Ein halbes Jahr nach Messer-Attacke in Ansbach - doch Terrorismus oder Extremismus?

Stefan Blank

Region/Bayern

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22.3.2023, 05:55 Uhr
An diesem Treppenaufgang südlich des Ansbacher Bahnhofes kam es zu dem Messer-Angriff.

© Stefan Blank, NN An diesem Treppenaufgang südlich des Ansbacher Bahnhofes kam es zu dem Messer-Angriff.

Mehr als ein halbes Jahr ist vergangenen, seitdem eine Messer-Attacke in Ansbach überregional für Aufsehen gesorgt hatte. Der 30 Jahre alte Angreifer, ein Afghane, dem die Abschiebung drohte, wurde am 8. September 2022 durch Schüsse von Polizisten getötet, als er mit Messern bewaffnet auf die Beamten losging. Während die Ermittlungen gegen die Polizisten inzwischen eingestellt wurden, dauern die Untersuchungen der Generalstaatsanwaltschaft München wegen Terrorverdachts noch an.

Offen ist weiterhin, ob es in Zusammenhang mit der Tat Hinweise auf ein islamistisches Motiv gab oder ob der 30-Jährige Kontakt in die islamistische Szene hatte. Wie Klaus Ruhland, der Leitende Oberstaatsanwalt und Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft München, auf Nachfrage mitteilt, laufen die Ermittlungen noch. "Derzeit werden elektronische Datenträger ausgewertet, was erfahrungsgemäß immer etwas Zeit erfordert", erklärt Ruhland. Damals war im Zimmer des 30-Jährigen in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber ein Smartphone sichergestellt worden.

Passant rettet 17-Jährigen

Was war am 8. September 2022 passiert? Nahe des Ansbacher Bahnhofes warf sich ein 30-Jähriger an einem Treppenaufgang mit zwei Messern bewaffnet auf einen 17-Jährigen. Der Angreifer würgte den Passanten und wollte auf ihn einstechen. Dass das Opfer überlebte, war er wohl einem 20-Jährigen zu verdanken hatte, der damals blitzschnell eingriff und sich auf den Afghanen stürzte. Der Angreifer wandte sich von seinem Opfer ab und flüchtete zu Fuß.

Später entdeckten ihn Polizisten an einem nahegelegenen Parkplatz, wo der 30-Jährige mit den Messern auf die Polizisten losging. Zwei Beamte schossen mit ihren Dienstwaffen dreimal auf ihn und verletzten ihn tödlich.

Die Ermittlungen laufen in solchen Fällen unabhängig davon, ob der Täter noch lebt oder nicht. Zum einen schaltete sich das Landeskriminalamt ein und überprüfte die Rechtmäßigkeit des Schusswaffengebrauchs durch die Polizisten. Wie Gabriele Hofmeier, Leiterin der Staatsanwaltschaft Ansbach, damals gegenüber unserer Redaktion erklärte, lagen Videos von der Tat und Body-Cam-Aufnahmen von Polizisten vor.

Keine Anzeichen auf Fehlverhalten

Inzwischen sind diese Ermittlungen abgeschlossen. Es hätten sich keinerlei Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten der Beamten ergeben, so die Einschätzung. "Das Verhalten der beteiligten Polizeibeamten war zur Abwehr einer gegenwärtigen, unmittelbaren und nicht anders abwendbaren Gefahr für das Leben der beteiligten Polizeibeamten erforderlich und gerechtfertigt", heißt es in der Begründung der Staatsanwaltschaft.

Die Ermittler gehen davon aus, dass der 30 Jahre alter Mann zwei junge Männer töten wollte. Als der Angreifer später mit dem Messer in der Hand auf die Polizisten zugegangen sei und auch nach mehrmaliger Aufforderung und der Androhung des Schusswaffengebrauchs die Waffen nicht niedergelegt habe, hätten die Polizisten abgedrückt. Ein erster Schuss traf den Mann am Arm. Als der 30-Jährige weiter auf die Polizisten zustürmte habe ein Polizist "in Todesangst ein zweites Mal abgedrückt und den Angreifer in die Brust getroffen". Ein Kollege habe zeitgleich ebenfalls geschossen und den Angreifer am Hals erwischt.

Der 30-Jährige starb an den Verletzungen. Die Einschätzung der Staatsanwaltschaft: "Mildere Handlungsalternativen standen nicht zur Verfügung."

Terror-Experten schalteten sich ein

Bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Täter war eine Aktion von entscheidender Bedeutung: Laut Zeugenaussagen hatte der Mann bei dem Angriff mehrmals "Allahu Akbar" gerufen. Dies war auch ein Grund, warum die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus der Generalstaatsanwaltschaft in München, kurz ZET, sich des Falles annahm.

In den ersten 14 Tagen hatten die Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft Ansbach noch keine Anzeichen auf Verbindungen des Mannes in islamistische Netzwerke gefunden. Ein Pressesprecher des Polizeipräsidiums Mittelfrankens sagte damals: Es gibt "keine konkreten Hinweise auf eine islamistisch oder politisch motivierte Tat". Ausgegangen war man zunächst von einer Tat aufgrund eines psychischen Ausnahmezustands. Im Zimmer des Mannes hatten Polizisten Antidepressiva gefunden, zudem kam heraus, dass seine Duldung nach einem abgelehnten Asylantrag wenige Tage nach der Tat abgelaufen wäre.

Im Dezember hatte der Stellvertretende Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Florian Weinzierl, aber auf Nachfrage erklärt: "Es gibt konkrete Anhaltspunkte, dass eine extremistische beziehungsweise islamistische Tatmotivation zu prüfen ist." Zu ersten Ergebnissen der Ermittlungen schweigt die Generalstaatsanwaltschaft aber weiterhin, im Dezember und auch ein halbes Jahr nach der Tat.