Zwischen O du fröhliche und Traditionen

Im Gespräch mit der Regionalbischöfin: "Mein Weihnachtsbaum ist mir heilig"

24.12.2021, 06:00 Uhr
Der Adventskranz gehört dazu: Gisela Bornwoski in ihrem Büro als Regionalbischöfin in Ansbach. 

© Stefan Blank, NN Der Adventskranz gehört dazu: Gisela Bornwoski in ihrem Büro als Regionalbischöfin in Ansbach. 

Hallo Frau Bornowski, wie sehr freuen Sie sich auf Weihnachten?
Ich freue mich sehr auf Weihnachten. Auch, weil es ruhigere Tage sind, besonders nach den Feiertagen. Ich freue mich aber auch auf die Weihnachtsgottesdienste und hoffe, dass wir trotz der Corona-Pandemie schöne festliche Gottesdienste feiern können, mit Musik, ich in St. Johannis in Würzburg und St. Gumbertus in Ansbach. Und auf das Treffen mit der Familie, mit unseren Kindern, meiner Schwester, meinem Bruder, den Großeltern – im engen Kreis, aber zusammen.

Wie sieht das typische Weihnachtsfest einer Regionalbischöfin aus?
Nicht anders als in anderen Familien, anderen Pfarrersfamilien auch. Unsere Kinder kommen, wir gehen zusammen in den Gottesdienst, essen, beschenken uns, spielen und ich bin wahrscheinlich die erste, die ins Bett geht, weil ich am Ersten Feiertag früh raus muss und nach Würzburg fahre.

Adventszeit ist eine besondere Zeit, auch trotz Pandemie. Oder ist sie gerade deshalb noch besonderer?
Ich glaube, sie ist gerade deshalb noch besonderer als sonst. Es ist die Zeit der freudigen Erwartung, dass Gott uns besucht in diesem Kind, begegnet, dass wir seine Nähe spüren dürfen, in besonderer Weise, dass sich unsere Hoffnungen erfüllen. Es ist eine Zeit der Sehnsucht, um mit Gott in Kontakt zu kommen. Es geht um Hoffnung auf Heil für die Welt, gerade jetzt, wo unsere Welt so verletzlich geworden ist und so diese Sehnsucht nach Heilsein noch größer geworden ist. Da kann man diese Botschaft des Advents, dass uns Heil und Leben geboren wird, dass Gott diese Welt nicht sich selbst überlässt, sondern seinen Sohn schickt, gar nicht deutlich genug machen.

Auf was freuen Sie sich ganz persönlich an den Weihnachtstagen?
Das Lied O du fröhliche am Ende der Christvesper, das Glockenspiel heißt: Jetzt ist Weihnachten. Da steckt so viel Freude, so viel Zuversicht in diesem Lied. Das nehme ich mit. Wenn in Bad Windsheim bei dem Lied der Cymbelstern kam, hatte ich immer einen Kloß im Hals. Und: Mein Christbaum ist mir heilig, der muss einfach groß sein und hell beleuchtet und mit vielen Strohsternen und schönen roten Kugeln geschmückt. Dazu meine Krippe, ich habe eine mit schön geschnitzten Figuren. Diese aufzubauen und den Baum zu schmücken, das ist etwas Besonderes. Da freue ich mich schon drauf.

Weihnachten ist das Fest der Familie. Die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien soll künftig in den Gemeinden mehr in den Fokus rücken. Waren Kinder aber nicht die großen Verlierer der Pandemie?
Ich glaube schon, dass Kinder und Jugendliche sehr gelitten haben in diesen fast zwei Jahren. Kinder leben davon, ihre Spielkameraden zu treffen. Kitas und Schulen sind entscheidende Faktoren, mit anderen gemeinsam zu lernen, zu spielen, das alles war kaum möglich. Wir wissen nun, dass viele Kinder sehr verängstigt sind, zum Teil Depressionen haben. Dass wir jetzt in einer Phase sind, in der wir sagen, Kitas und Schulen sollen nicht mehr geschlossen werden, ist wichtig.

Wie haben Sie persönlich die letzten eineinhalb Jahre erlebt?
Ich muss sagen, ich bin kein ängstlicher Mensch, keiner, der sich sehr zurückzieht. Kontakte sind deutlich reduzierter geworden, das ist sehr schade. Andere Möglichkeiten, mit Leuten Kontakt zu halten, wie soziale Medien, haben an Bedeutung gewonnen. Es gibt aber nichts über regelmäßige Treffen mit Freunden. Ich bin dieses Jahr 60 geworden, hatte aber keine Riesengeburtstagsfeier wie damals beim 50. in Bad Windsheim. Es ging nicht. Das ist was, was ich bedauere. Dafür bin ich viel an der frischen Luft, mehr als vorher. Wir haben inzwischen einen Hund. Freunde und Familie sind mir wichtiger geworden und in diesem Monaten habe ich gemerkt, wie wertvoll diese sozialen Kontakte sind. Wir haben es bisher so gut gemeistert und gehandhabt wie es geht – auch mit vielen Tests, obwohl wir alle schon dreimal geimpft sind. Kontakte waren reduzierter, aber intensiver.

Sie haben im Oktober St. Kilian erneut als „ihre Kirche“ bezeichnet, die Sanierung dort ist so gut wie abgeschlossen, die an der Seekapelle auch. Was bedeuten Ihnen Gotteshäuser?
Unsere Kirchen sind ein sichtbares Zeichen, dass Gott präsent ist, mitten unter uns, in unseren Städten, unseren Dörfern. Auch für viele, die nicht mehr in den Gottesdienst gehen sind sie auch ein hörbares Zeichen, wenn die Glocken läuten. Dort versammeln sich Leute, die beten, auch für andere, für die Stadt, für Kranke, für Politiker, für Sterbende. Sie sind wichtige Orte der Begegnung mit Gott, der Gemeinschaft für Christen.

Wie realistisch ist es, dass in Zukunft alle Pfarrhäuser, alle Kirchen erhalten werden können?
Wir haben ein Immobilienprogramm aufgelegt, jeder Dekanatsbezirk muss sich Gedanken machen, welche Pfarrhäuser künftig erhalten werden sollen. Die Faustregel: Die Hälfte bleibt in kirchlichem Besitz, ein Viertel wird vermietet, ein Viertel muss verkauft werden. Gremien vor Ort müssen sich Gedanken machen, wo auch künftig ein Pfarrsitz sein soll. Aber auch, wo Häuser sind, bei denen der Sanierungsbedarf zu hoch ist, wir es uns nicht leisten können. Unser Personalstand wird sich im theologischen und pädagogischen Bereich bis 2035 halbieren. Einige Pfarrhäuser werden wir nicht mehr benötigen. Zudem gibt es immer weniger Mitglieder, weniger Kirchensteuereinnahmen. Bei den Kirchen ist es anders. Momentan denkt niemand daran, historische Kirchen zu veräußern, umzuwidmen oder anders zu nutzen.

Nächstenliebe, gesellschaftlicher Zusammenhalt ist ein großes Thema aktuell. Warum schafft es die Kirche, die Nächstenliebe als zentralen Wert ausgibt, nicht, dass Leute ihr vertraut, sondern Austritte nur noch mehr zunehmen?
Ich glaube, das ist eine gesellschaftliche Entwicklung. Gesellschaft wird immer säkularer. Menschen suchen nicht mehr unbedingt Heil in der Kirche. Jemand hat jüngst gesagt: Corona ist die erste Seuche, die Leute nicht wieder zurück in die Kirche gebracht hat. Das ist heute nicht mehr automatisch so. Menschen leben individualistischer, informieren sich auf allen Kanälen über religiöse Angebote. Man muss nicht mehr in den Gottesdienst gehen, kann Streamen, Fernsehen, Radio nutzen, überall religiöse Angebote wahrnehmen. Da geht es Kirchen wie anderen großen Institutionen wie Parteien oder großen Vereinen, sie haben nicht mehr die Bindekraft wie vor 20 oder 30 Jahren. Wir wollen mit unserem Ansatz, Profil und Konzentration, vor Ort genau hinschauen. Was brauchen die Menschen von uns als Kirche? Wo sind die Bedürfnisse? Diakonische Angebote sind da wunderbarere Anknüpfungspunkte, auch die Arbeit in Kitas und im Religionsunterricht, in Seniorenheimen. Wir müssen mehr Augenmerk auf die Angebote der Nächstenliebe legen.

Warum ist Pfarrerin immer noch Ihr Traumberuf?
(lacht) Er hat mit Menschen zu tun, ist vielseitig, ich kann meine eigenen Gaben und Fähigkeiten einbringen wie es mir entspricht und darf die beste Botschaft der Welt weitersagen: Dass Gott diese Welt liebt und nicht im Stich lässt, sondern in seiner Hand hält und niemand von uns allein sein muss.
Viele Weihnachtsgottesdienste werden heute gestreamt, wie wird die Pandemie die Kirche noch verändern?
Die Digitalisierung wird weiter voranschreiten. Kirchliche Angebote, Verkündigungen werden wir viel mehr im Netz wahrnehmen können. Es geht auch darum, nach der Corona-Pandemie mit der offensichtlich gewordenen Spaltung Räume zu schaffen, wo Menschen ins Gespräch kommen, Ängste loswerden können. Ansonsten wird die Pandemie auch Abbruchprozesse beschleunigen, Gottesdienstbesuche haben nochmal abgenommen, Gruppen und Kreise sind eingeschlafen, Chöre treffen sich nicht mehr oder kommen vielleicht nach langer Abstinenz nicht mehr zurück. In manchen Bereichen müssen wir ganz neu anfangen und gut überlegen, ob wir so weitermachen wollen, wie wir aufgehört haben. Wir müssen genau hinschauen, was Menschen gerne machen und wollen. Die Resonanz ist ein wichtiger Faktor. Wir müssen überprüfen, ganz ehrlich sein und auch den Mut haben, Dinge zu lassen und Neues auszuprobieren. Und wenn was nicht klappt, starten wir einen neuen Versuch.

Wie sieht für Sie eine moderne Kirche der Zukunft aus?
Das kann man nicht pauschal sagen, das ist überall anders. In Ansbach ist es anders als in einer kleinen Dorfgemeinde. Aber ich wünsche mir eine lebendige Kirche, die aber auch ehrenamtlicher werden wird, mit mehr Ehrenamtlichen in Verantwortung, auch mit Entscheidungsbefugnissen. Sicherlich wird man mehr in Regionen denken als in einzelnen Gemeinden. Nicht jeder muss alles können, Menschen sollten das tun, was ihnen besonders Freude macht, wo ihre Begabung ist. Bei der Botschaft müssen wir noch deutlicher werden. Das Alleinstellungsmerkmal der Kirche, das, was wir haben, der Welt geben können, das muss mehr rauskommen. Die moderne Kirche ist bunt und vielfältig.

Was wünschen Sie den Menschen zum diesjährigen Weihnachtsfest?
Ich wüschen ihnen Freude, tiefe Weihnachtsfreude. Ich wünsche ihnen Zuversicht, auch fürs neue Jahr und Menschen, die an ihrer Seite sind und ihnen vermitteln können, dass Gott ihnen nah ist.

Zur Person: Gisela Bornowski ist seit März 2014 Regionalbischöfin des Kirchenkreises Ansbach-Würzburg. Die ehemalige Bad Windsheimer Dekanin (2002 bis 2014) wuchs in Obersulzbach auf, studierte in Neuendettelsau und Heidelberg Theologie. Gisela Bornowski, die heuer ihren 60. Geburtstag feierte, ist verheiratet, hat zwei Söhne und eine Tochter.

Keine Kommentare