
Fall 19 von "Freude für alle"
"Dramatische Entwicklung" bei den Tafeln um Nürnberg: Weniger Spenden, mehr Bedürftige - das hilft
Fünf Euro kostet eine vorgepackte Papiertüte in den Rewe-Supermärkten im Nürnberger Land, mit der Menschen die örtliche Tafel unterstützen können. Die Tüte mit den Lebensmitteln nehmen, aufs Kassenband legen, bezahlen und danach in einen Behälter stellen. So einfach ist es.
Oder eben nicht - für immer mehr Menschen. Es sind in diesem Jahr nur halb so viele Tüten bei der Tafel angekommen wie in 2022, als es schon eine Halbierung im Vergleich zu 2021 gab, sagt Thomas Menneckemeyer, Vorstandsmitglied der Tafel im Nürnberger Land. Der 42-Jährige vermutet, dass wegen der Inflation die Menschen stärker auf ihr Geld achten müssen.
Gerät das System Tafel ins Wanken?
Der Rückgang ist nicht nur bei den Tüten groß. Auch sonst bekommen die Tafeln immer weniger Lebensmittel von Supermärkten gespendet. "Es ist eine dramatische Entwicklung", sagt Menneckemeyer. Lange Zeit war es ein eingespieltes System: Was abzulaufen droht, geht an die gemeinnützigen Organisationen in ganz Deutschland, die es wiederum an Bedürftige ausgeben. Gerät es nun ins Wanken?
Im Nürnberger Land gibt es seit 23 Jahren eine Tafel, heute versorgt sie über neun Ausgabestellen knapp 3000 Menschen in gut 1300 Haushalten. Zum Vergleich: Bei den sechs Verteilstellen der Tafel in der Stadt Nürnberg, betrieben vom Roten Kreuz, gehen Nahrungsmittel und andere wichtige Güter für insgesamt bis zu 8500 Empfänger über die Theken. Abholberechtigt sind alle, die mit ihrem Einkommen ein bestimmtes Niveau unterschreiten.

Drehscheibe für das Nürnberger Land ist ein Lager in Feucht mit 56 Palettenstellplätzen. "Die waren normalerweise immer voll", so Frank Zöcklein, der bei der Tafel für die Logistik zuständig ist. Jetzt klaffen große Lücken, trotz der Tütenaktion. Zöcklein spricht von einer Halbierung der Spenden in den vergangenen drei Jahren. Er erklärt es sich so: "Die Leute haben sich durch Corona daran gewöhnt, dass Regale mal leer sind." Rewe, Edeka, Lidl und Co könnten deshalb knapper kalkulieren.
"Es gibt mehr Abholer als Ware"
"Prinzipiell ist es eine gute Entwicklung, wenn Supermärkte besser wirtschaften", sagt Vorstandsmitglied Menneckemeyer. Es sei oberste Maxime der Tafeln, die Verschwendung von Nahrung einzudämmen. Nur bleibe dann eben weniger für Bedürftige über, deren Zahl wegen der Teuerungen obendrein noch steigt. "Es gibt mehr Abholer als Ware" - Wartelisten und weniger Lebensmittel pro Person sind die Folge.
Was tun? Menneckemeyer appelliert an die Politik, Armut zu bekämpfen. Außerdem freut er sich über Lebensmittelspenden von Privatpersonen, zum Beispiel wer haltbare Konserven schon länger ungenutzt im Keller liegen hat. Der Logistiker Zöcklein sieht die Lebensmittelproduzenten in der Pflicht: "Es wird immer noch so viel weggeschmissen." Ein Gesetz gegen das Wegwerfen wie in Frankreich fände er gut.
Nichts Schlimmeres als Hunger und Durst
Aufgeben wollen beide trotz der widrigen Bedingungen nicht. "Einmal Tafel, immer Tafel", sagt Zöcklein, der seit 2020 dabei ist. Er habe miterlebt, wie Kinder vor Freude über ein wenig Schokolade strahlten. Seitdem könne er nicht mehr aufhören. "Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn man Hunger und Durst hat", so der 48-Jährige. Als einer der wenigen ist er inzwischen bei der Tafel im Nürnberger Land fest angestellt. Seine Aufgabe: Die ankommenden Lebensmittelspenden gerecht auf die einzelnen Ausgabestellen aufzuteilen.

Bei der Tafel im Stadtgebiet Nürnberg ist der Aufwand noch um ein Vielfaches größer. Allein für die Logistik muss die Leiterin Edeltraud Rager drei Dutzend Leute einplanen. Weil manchmal, etwa nach einem Unfall, auch ganz kurzfristig Gebäck, Getränke oder andere Waren gleich palettenweise abgeliefert werden oder abzuholen sind, praktizieren die Tafeln in der Region auch einen regen Tauschhandel. "Wir stehen mit 26 Tafeln im Austausch, die in bis zu eineinhalb Stunden erreichbar sind", erläutert Rager.
Alles steht und fällt freilich mit dem Einsatz von Ehrenamtlichen. Wilma Hofer, ihr halbes Leben lang aktiv im Sanitätsdienst, packt in der Tafel-Zentrale an der Sigmundstraße sogar mit 89 Jahren noch mit an. "Ich will mich bewegen", sagt sie, "ich würde verrückt, wenn ich nur zuhause wäre".
Regional, direkt und unbürokratisch: So hilft die Weihnachtsaktion "Freude für alle" des Verlags Nürnberger Presse (VNP) Menschen in Not aus Nürnberg und der Region. Dazu bitten wir um Ihre Unterstützung:
- Konto bei Sparkasse Nürnberg: DE63 7605 0101 0001 1011 11
- Konto bei Sparkasse Fürth: DE96 7625 0000 0000 2777 72
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