Die Geschichte dahinter

Mit grausigem Gekreische sitzt er im Nacken: Die Sage vom Rathauspöpel zu Forchheim

2.12.2021, 15:56 Uhr
Die gutmütige Form der Hausgeister sind wohl die Heinzelmännchen, die den Menschen helfen. Hier ein Wichtel von Steiff, etwa 1960.

© Sylvia Kiesewetter, NN Die gutmütige Form der Hausgeister sind wohl die Heinzelmännchen, die den Menschen helfen. Hier ein Wichtel von Steiff, etwa 1960.

Als ich noch Kind war, besuchte uns nachmittags oft meine Tante, um mit ihrer Schwester, meiner Mutter, den neuesten Forchheimer Tratsch auszutauschen. Regelmäßig wurde dabei auch der Forchheimer Rathauspöpel erwähnt, schon allein, damit wir Kinder uns ein bisschen gruseln mussten.

Meine Tante erzählte uns, dass der Rathauspöpel des Nachts, wenn die Betrunkenen aus den vielen nahegelegenen Brauereiwirtshäusern nach Hause gehen wollten, sich mit grausigem Gekreische vom Uhrenturm herabstürzte und sich mit leuchtenden Augen in den Nacken der Heimkehrer setzte. Dort blieb er, bis sie schlotternd vor Angst daheim angekommen waren.

Ein Geist, der noch immer Angst und Schrecken verbreitet

Niedergeschrieben ist die Sage vom Forchheimer Rathauspöpel im Band 5 der „Sagen, Legenden und Geschichten aus der Fränkischen Schweiz“ von Heinz Büttner. Dort wird die Sage ähnlich wiedergegeben, nur dass der Büttnersche Pöpel ein stiller Geist ist und gerade durch sein Schweigen Entsetzen verbreitete. Es existieren einige weitere Varianten der Sage vom Forchheimer Stadtgeist, die sich überschneiden oder ergänzen.

Nicht immer ist der Rathauspöpel ein Geist, der Angst und Schrecken verbreitet. Es gibt auch die Fassung, dass er den spät in der Nacht Heimkehrenden „heimleuchtete“ und dafür mit einem Pfennig belohnt wurde. Eines Abends hatte ein Wirtshaushocker sein ganzes Geld verprasst. Statt einem Pfennig konnte er dem Pöpel nur ein „Vergelt’s Gott“ zurufen, der daraufhin einen Freudenschrei ausstieß und von seinem Fluch erlöst war.

Nachts starren glühende Augen aus den Fenstern im Rathaus

Auch erzählt man sich, dass in der Nacht glühende Augen aus den oberen Fenstern des Rathauses auf den Platz starren. Sie gehören der armen, unerlösten Seele eines Forchheimer Bürgermeisters, der einst die Stadtkasse um Geld betrog, Urkunden fälschte und Leute erpresste. Irgendwann kam man ihm auf die Schliche und er beging Selbstmord. Seither kann man im Amtszimmer des ehemaligen Stadtoberhaupts um Mitternacht Licht sehen und man hört lautes Blättern und Rascheln, als würde jemand in Büchern und Listen wühlen. Um 1 Uhr ist dann alles wieder still, das Licht erloschen.

Früher waren Stadtplätze oft mit Planken umzäunt. Es gab nur einige Durchgänge, um den Platz betreten oder verlassen zu können. So war auch der Forchheimer Paradeplatz gestaltet. Versuchte nun ein Bürger am Vorabend eines Sonn- oder Feiertages nach 23 Uhr den Platz zu überqueren, erschien ihm der Stadtgeist als Müller mit einem Sack über der Schulter und versperrte ihm die Durchgänge. Versuchte der Bürger durch die Planken zu schlüpfen oder sie gar zu überspringen, setzte sich der Rathauspöpel auf dessen Rücken und der Arme musste die zentnerschwere Last nach Hause schleppen. Um 1 Uhr war auch hier der Spuk vorbei.

Wann die Turmuhr Dreizehn schlägt

Wenn ein Bürgermeister starb ließ der Rathauspöpel die Turmuhr um Mitternacht dreizehnmal schlagen. Beim Tod eines Ratsherrn polterte er lautstark durch das Gebälk. Und wenn er es ganz toll treiben wollte, stakte er in der Gestalt eines Kalbes durch den Altenbach, der früher bis zum Gründelbach floss, und blökte furchterregend, aber, wie es seine Gewohnheit war, nur bis 1 Uhr. Dann war der Spuk vorbei.

Das Wort Pöpel, in Franken natürlich „Böbl“ ausgesprochen, leitet sich ab vom tschechischen „Bubak“, was Schreckmann, Schreckbild, Geist oder Kobold bedeutet. Das Wort ist auch verwandt mit den Begriffen Butze („Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann…“), Puppe und Popanz. Noch heute gibt es bis nach Sachsen hinein den Begriff des Krautpopels, was Vogelscheuche bedeutet.

Ein Pöpel ist immer an ein Gebäude gebunden, egal, ob Rathaus, Schloss, Turm, Scheune oder Wohnhaus. Solche Hausgeister gibt es heute noch: im Forchheimer Rathaus und in manchen alten Stadthäusern. Fragen Sie mal meine Söhne.

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