In Rathaus und Stadtbücherei

Sturmfrisur und Nazi-Anhänger: Werke des Heimatmalers Michl Hertlein sind in Gunzenhausen zu sehen

Judith Horn

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29.11.2023, 19:00 Uhr
Ein Selbstporträt des Gunzenhäuser Malers Michl Hertlein aus seiner Studienzeit.

© Babett Guthmann Ein Selbstporträt des Gunzenhäuser Malers Michl Hertlein aus seiner Studienzeit.

Das Stadtarchiv Gunzenhausen zeigt noch bis zum Samstag, 16. Dezember, Werke des Heimatmalers Michl Hertlein. In der Stadt- und Schulbücherei sind Stadtansichten und weitere Motive aus Gunzenhausen, gemalt in den 1930er- bis 1950er-Jahren, zu sehen. Im Foyer des Rathauses hingegen hängen Blumen-Stillleben des Künstlers, der an der Kunstakademie in München bei Franz von Stuck ausgebildet wurde.

Keckes Grinsen und Sturmfrisur

Michl Hertlein ist eine dieser schillernden Persönlichkeiten, wie sie wohl nur ein romantisch-städtisches Kleinod wie Gunzenhausen hervorbringen kann, schreibt die Stadtverwaltung in einer Pressemitteilung. Der Kunstmaler war ein Original, sein keckes Grinsen, gepaart mit Sturmfrisur und dicken Ringen an den Fingern machten ihn in zu etwas Außergewöhnlichem.

Stadtansicht von Gunzenhausen vom Reutberg aus. Zu sehen ist auf dem Bild aus dem Jahr 1952 noch der Reutberghof, an dessen Stelle heute das Klinikum Altmühlfranken steht.

Stadtansicht von Gunzenhausen vom Reutberg aus. Zu sehen ist auf dem Bild aus dem Jahr 1952 noch der Reutberghof, an dessen Stelle heute das Klinikum Altmühlfranken steht. © Babett Guthmann, NN

Bei seinen Mitmenschen war er beliebt, steckte allerdings auch voller Widersprüche. Geboren 1896 mit verkümmerter Hand, gestorben 1957 nach einem Leben voller Höhen und Tiefen, war er Teil einer für die Gesellschaft schwierigen Zeitphase.

Er partizipierte an einer sich immer schneller drehenden Welt voller Innovationen und Diskrepanzen, er freute sich einerseits über technischen Fortschritt, litt andererseits unter finanziellen und wirtschaftlichen Krisen. Hertlein steckte voller Ideen, Talent und Träumen - seine körperliche Behinderung, zwei Weltkriege, eine schwerkranke Tochter und die ständige Verlustangst gingen jedoch nicht spurlos an ihm vorbei.

Hingabe zum Nationalsozialismus

1925 bereiste er bei einer Studienreise Österreich, Italien und Libyen, berichtet die Stadtverwaltung. Anfang der 1930er-Jahre wurden aus seiner Weltoffenheit und kontinentalen Reiselust Verblendung und die Hingabe zum Nationalsozialismus. Ob überzeugt oder nicht - aus heutiger Sicht spiele das keine große Rolle mehr. Sicher sei jedoch, dass sein Denken und Handeln in ständiger Bewegung war. Worauf sich seine Kunden verlassen konnten, war ein großer Output an Kunstwerken, viele davon mit regionalem Bezug.

Unzählige Bilder, Radierungen oder auch bemalte Möbelstücke sind heute noch im Umlauf, viele Gunzenhäuser Bürgerinnen und Bürger haben Michl-Hertlein-Objekte zu Hause. Aktuell hält die Stadt Gunzenhausen mit fast 500 Stücken wohl den größten Bestand an Hertlein-Kunstwerken, heißt es in der Pressemitteilung.

Zu Ehren des Jubiläumsjahrs kann gegenwärtig ein großer Teil davon kostenlos in der Altmühlstadt besichtigt werden, einige Stücke sind gar das erste Mal in der Öffentlichkeit zu sehen. Vor Kurzem wurde in der Stadt- und Schulbücherei Gunzenhausen die eingangs erwähnte Ausstellung mit dem Titel "Mein Gunzenhausen - Heimat im Herzen" offiziell eröffnet.

Höhen und Tiefen

Heimatforscherin Babett Guthmann und Stadtarchivar Werner Mühlhäußer sind ohne Frage die größten Experten im Hertlein-Kosmos. 2016 haben sie zusammen mit der Historikerin Gesa Büchert die viel beachtete Monographie "Michl Hertlein - Ein fränkischer Maler. Sein Leben - sein Werk" veröffentlicht.

So sah der Maler Michl Hertlein die Weißenburger Straße im Schnee.

So sah der Maler Michl Hertlein die Weißenburger Straße im Schnee. © Babett Guthmann, NN

Dementsprechend gespannt waren die zahlreichen Besucherinnen und Besuchern am Vernissageabend, durften sie sich doch auf eine umfassende Dokumentation über das künstlerische Schaffen freuen. Gemeinsam mit der turbulenten Biographie des Künstlers ergab sich für die Zuhörerinnen und Zuhörer ein spannendes Bild voller Höhen und Tiefen, schreibt die Stadtverwaltung.

Die wenigsten wissen, dass Hertlein auch Heimatforscher war und in dem großen Dr. Heinrich Eidam einen väterlichen Freund fand. Später leitete er gemeinsam mit seiner Frau Edith das Gunzenhäuser Heimatmuseum. Natürlich zweckentfremdete der frühe Marketingprofi die Räumlichkeiten auch zu Galerie- und Verkaufszwecken.

Nur ein "Mitläufer"

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es um Michl Hertlein ruhiger. Mit Glück wurde er von den Amerikanern nur als "Mitläufer" eingestuft. Dennoch habe er zeitweise wohl von der Hand in den Mund gelebt. Viele Werke waren Auftragsarbeiten, vom Verkauf der Bilder war das Überleben der Hertlein-Familie abhängig.

Heute ist der Kunstmaler lebendige Stadtgeschichte, die Resonanz auf die Ausstellung ist riesig. Seine Bilder halten Erinnerungen an längst vergangene Zeiten aufrecht, manche davon würde nicht nur die Stadt Gunzenhausen gerne vergessen, heißt es.

So tauchen zwischen wunderbaren Illustrationen auch immer wieder Bilder mit Hakenkreuzfahnen auf. Diese sind in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden und Michl Hertlein war Teil davon. Es sei wichtig, dass diese Phase nicht verschwiegen werde, schreibt die Stadt in der Pressemitteilung.

Ideen und noch mehr Talent

Genauso wichtig sei es aber auch, das Können und die Vielfalt des fränkischen Heimatmalers in den Fokus zu rücken. Michl Hertlein steckte voller Ideen und noch mehr Talent. Seine Motive seien manchmal expressionistisch und aufregend, dann wieder naturalistisch und schrecklich profan. Er war arbeitender Maler, der ständig nach Aufträgen suchte. Die fand er häufig in Gunzenhausen, was die zahlreichen Bilder beweisen, die Szenen aus der Stadt zeigen.

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