Kooperation mit der Sammlung Wodarz
Herzogenaurach: Stadtmuseum zeigt Glanz und Elend der 1920er Jahre
27.5.2023, 06:00 Uhr
Die "Goldenen 20er Jahre" - die ältere Generation weiß sofort, was gemeint ist. Aber Vorsicht. Wir leben gerade ebenso in 20er Jahren. Aber eben 100 Jahre später. Wissen auch die Jüngeren noch, was die "echten" Goldenen 20er sind? Und wissen die Älteren genau, was vor einem Jahrhundert wirklich war? In der Weimarer Republik, in Deutschland, in Herzogenaurach? Miterlebt hat sie keiner mehr bewusst.

Vielleicht sind die jetzigen 20er Jahre den 1920er Jahren in ihrer kompletten Unterschiedlichkeit in manchen Dingen doch ähnlich? Die Lust auf Ablenkung, Kriegsgefahren, soziale Ungleichheit? Schon allein deswegen lohnt es sich, die aktuelle Sonderausstellung "Die Zwanziger Jahre" im Herzogenauracher Stadtmuseum zu besuchen. Die Schau fällt kein Urteil, aber regt zum Nachdenken an.

"Nach den eher kleinen Projekten während der Coronazeit", so erklärt Museumsleiterin Irene Lederer, "hatten wir wieder Lust auf eine größere Ausstellung". In der Vergangenheit hatte sich das Museum bereits die 1950er und die 1970er Jahre vorgenommen, nun also die 1920er Jahre. "Das ist eine sehr ambivalente Zeit gewesen - Berliner Nachtleben und das Elend auf dem Lande."

Doch wie das große Thema darstellen? Für viele spannende Ausstellungsstücke sorgt die Zusammenarbeit mit Corinna Wodarz aus Höxter (NRW), die seit Jahrzehnten eine umfangreiche Sammlung von kulturgeschichtlichen Gegenständen aus der Zeit seit etwa 1890 zusammengetragen hat. "Wir haben bereits bei den 50er und 70er Jahren mit ihr zusammengearbeitet", sagt Irene Lederer.

Doch das reine Ausstellen von Objekten wie Küchengeräte oder Porzellan wäre zu wenig gewesen, und so hat das Stadtmuseum in aufwändiger Arbeit auch Herzogenauracher Objekte und Dokumente aus dem Stadtarchiv analysiert. So konnten die Wodarz-Exponate mit eigenen Schaustücken (etwa eine Herzogenauracher Adler-Limonadenflasche oder ein Siemens-Halke-Radiogerät Rfe19a) ergänzt werden.
Vor allem aber punktet die Sonderschau mit Fotos aus Herzogenaurach und intelligenten textlichen Zusammenfassungen. Mit Blick auf Herzogenaurach "war das Grundlagenforschung", so Lederer.

Auf Texttafeln werden viele wichtige Aspekte präsentiert, die gesellschaftliche Entwicklung kennzeichnen: Krisenjahre, Stadtpolitik, Kleingärten, Baugenossenschaft, Sportschuhe, Motorisierung, Freizeitkultur, Wasserversorgung und vieles mehr. So erfährt der Besucher nicht nur, dass es im Herzogenauracher Café von Philomena Adler 1925 ein sensationelles Operntelefon gab, sondern dass die Stadtgeschichte vielleicht ganz anders verlaufen wäre, wenn das Fernweh des späteren Bürgermeister Hans Maier etwas ausgeprägter gewesen wäre.

100 Jahre zurück in der Geschichte: In einer Vitrine steht ein schwarzer Tischfernsprecher W48, ein Designklassiker der 1920er mit schicker Wählscheibe. Ein modernes Handy der 2020er Jahre dürfte technisch zwar leichte Vorteile aufweisen, designmäßig kann der W48 aber locker mithalten.
Was aber wohl eine Frage des Geschmacks, der Nostalgie und des Geschichtsbewusstseins ist. Allem ist gut nachzuspüren in der Ausstellung, die bis zum 29. Oktober zu sehen ist.
Geöffnet ist das Stadtmuseum jeweils donnerstags von 17 bis 20 Uhr, Samstag und Sonntag sowie an Feiertagen von 14 bis 17 Uhr. Spezielle Führungen durch die Ausstellung sind in Vorbereitung.

