RS-Virus grassiert

"Katastrophenzustände": Kinderkliniken warnen vor dem Kollaps

Tobi Lang

Redakteur

E-Mail zur Autorenseite

27.11.2022, 10:13 Uhr
Kinder mit besonders schweren RS-Verläufen müssen beatmet werden. Doch die Kapazitäten sind begrenzt. 

© Marijan Murat, dpa Kinder mit besonders schweren RS-Verläufen müssen beatmet werden. Doch die Kapazitäten sind begrenzt. 

"Es ist keine Kurve mehr", sagt der Kinder-Intensiv- und Notfallmediziner Florian Hoffmann der Deutschen Presse-Agentur. "Die Werte gehen senkrecht nach oben." Das, worüber der Experte spricht, ist das Respiratorischen Synzytial-Virus, kurz RSV. Seit Monaten nehmen die Infektionen unter Kleinkindern zu. Besonders für Säuglinge kann der Erreger gefährlich werden, immer wieder sterben Babys nach schweren Verläufen.

Die grassierende Atemwegsinfektion hat überall in Deutschland Kinderkliniken im Griff, sie klagen über viele Patienten und kaum freie Betten - besonders Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sind betroffen. Der Notfallmediziner Hoffmann spricht von "Katastrophenzuständen". Teils müssen Familien mit kranken Kindern auf provisorisch aufgestellten Pritschen schlafen. Ein Armutszeugnis, sagt der Experte der Deutschen Presse-Agentur. Besonders, weil Kleinkinder teils beatmet werden müssen.

"Werden diesen Winter nicht mehr alle versorgen können"

Auch das Robert-Koch-Institut (RKI) bestätigt die dramatischen Zahlen. Die Experten gehen davon aus, dass die Infektionen gerade im Winter weiter zunehmen dürften - mit ernsthaften Folgen.

"Wir werden diesen Winter nicht mehr alle versorgen können. Die Kollegen landauf landab wissen nicht wohin mit unseren kleinen Patienten", sagt Hoffmann, der auch Generalsekretär der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) ist. Die Fachgesellschaft will kommende Woche neue Zahlen und Lösungsvorschläge für die akute Krise präsentieren.

In Bayern ist die Situation an den Kinderkliniken angespannt. "Eine unserer beiden Normalpflegestationen der Klinik für Neugeborene, Kinder und Jugendliche ist komplett mit kleinen RS-Patientinnen und -Patienten belegt", erklärt eine Sprecherin der Nürnberger Kliniken auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks (BR).

Kliniken verschieben planbare Eingriffe

Einige benötigen Sauerstoff, drei werden derzeit intensivmedizinisch behandelt. In Regensburg müssen bereits planbare Eingriffe verschoben werden, berichtet der BR. Und die Erlanger Uniklinik fürchtet ebenfalls, bald Schritte gegen die Krise ergreifen zu müssen.

Grundsätzlich können Menschen in jedem Alter an RSV erkranken. Laut dem RKI zählen aber besonders Frühgeborene und Kinder mit Lungen-Vorerkrankungen zu den Risikopatienten. Die Verläufe reichen von einer normalen Atemwegsinfektion mit Schnupfen und Husten bis hin zum Tod.