BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann

Lehrerverband über den Ministerpräsidenten: "Söder hat Bäume umarmt und jetzt die Kinder"

Matthias Oberth

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2.2.2023, 17:04 Uhr

Mit Eloquenz und Verve setzt sich Simone Fleischmann für Reformen im Bildungssystem ein. Deshalb hat sich die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrinnenverbands (BLLV) durchaus gefreut, als Ministerpräsident Markus Söder die Schaffung von 6000 neuen Lehrerstellen bis 2028 ankündigte. Doch es schwingt auch Skepsis in ihrer Stimme mit, wenn sie fragt, ob die Umsetzung des als "Kraftpaket für Bayerns Schulen" titulierten Programms tatsächlich so kommt. Klar ist für Simone Fleischmann, dass "zumindest der Lehrermangel jetzt nicht mehr geleugnet wird", wie sie im Podcast "Horch amol" deutlich macht.

"Mannigfaltige Krisen"

"Wir haben Jahre hinter uns, da war Bildungspolitik mit der Überschrift versehen, damit kannst du nur Wahlen verlieren, aber nicht Wahlen gewinnen", schildert die 52-Jährige ihre Erfahrung der letzten Jahrzehnte. Die "mannigfaltigen Krisen" bringen den Ministerpräsidenten jetzt dazu, die Bildungspolitik "sehr früh im Wahlkampf in den Mittelpunkt zu rücken", so Fleischmann. Nachdem Söder schon die Bäume umarmte, sind es jetzt die Kinder - was durchaus positiv zu werten sei, so ihre Feststellung.

Gleichzeitig gibt es bei ihr kein Vertun über die Zahl der neuen Lehrerstellen. "6000 in der nächsten Legislaturperiode sind zu wenig. Punkt. Es fehlen jetzt schon 4000", erläutert sie die aktuelle Lage. Mit Blick auf eine ganze Legislaturperiode sagt Fleischmann: "Das langt angesichts von mehr Kindern und neuen Herausforderungen vorne und hinten nicht."

Die zusätzlichen Stellen für Verwaltungsangestellte bedeuten aus ihrer Sicht zumindest eine Entlastung der Schulleitungen. Söder hatte angekündigt, weitere 2000 Stellen für Schulpädagogen, Schulpsychologen und Verwaltungskräfte zu schaffen. Bei weit über 6000 Schulen in Bayern, erlaubt sich Simone Fleischmann aber auch die Frage, wie weit man damit am Ende kommt.

Abwerbung wird kritisch gesehen

Wenig Sympathie hat die BLLV-Präsidentin für die Ankündigung von Söder, bei der Suche nach neuen Lehrkräften in anderen Bundesländern zu wildern. "Diese Abwerbeaktion muss man kritisch hinterfragen", sagt Fleischmann. Es sei jetzt schon möglich, aus anderen Bundesländern nach Bayern zu kommen. Simone Fleischmann fragt sich deshalb, warum es bislang niemand so recht in das von Markus Söder beschworene "Glücksland" zieht.

Ein Grund könnte sein, dass es in Bayern nur die Ankündigung für die Anpassung der Eingangsbesoldung für Lehrer der Grund- und Mittelschulen gibt. In anderen Bundesländern ist das längst Realität. Zudem beklagt der BLLV den bürokratischen Aufwand, der nötig ist, um eine Lehrkraft aus anderen Bundesländern nach Bayern zu holen. "Es ist leichter, Lehrinnen oder Lehrer aus anderen EU-Ländern einzustellen als jemanden aus Baden-Württemberg oder Sachsen-Anhalt", konstatiert die BLLV-Präsidentin.

Doch nicht nur die Wahlversprechen der CSU beschäftigen die frühere Leiterin einer Grund- und Mittelschule. Die Corona-Pandemie habe zu einer "Bildungskatastrophe" geführt, heißt es beim BLLV. "Wir haben es eben nicht geschafft, alle Kinder mitzunehmen", verweist Simone Fleischmann, als eine der weiteren Herausforderungen der Zukunft.

Starres Schulsystem als Stressfaktor

Dazu zählt sie auch das starre Schulsystem mit dem Übergangszeugnissen nach der 4. Klasse. Wenn die Noten aus lediglich drei Schulfächern entscheidend sind, sei dies für Kinder, Eltern und Lehrkräfte ein maximaler Stressfaktor. Sie plädiert für ein Überdenken des Systems der drei Schularten und fordert einen Unterricht, der fächerübergreifend gestaltet wird. "Lernen sollte ganzheitlich stattfinden", sagt Fleischmann und gibt zu, dass auch ihr Verband ab und an etwas neidisch auf die pädagogischen Konzepte von privaten Schulen wie Montesorri oder Jenaplan schaut.

Eine Umsetzung eines ganzheitlichen Ansatzes ist für die BLLV-Präsidentin auch in den staatlichen Schulen möglich. "Wir brauchen keine Revolution", so Simone Fleischmann, sondern "behutsame Veränderungen, bei denen wir alle mitnehmen". Pilot- und Graswurzelprojekte sowie Leuchtturmprojekte könnten ein Anfang sein. Für sie geht es dabei um die Verständigung bei der Frage: "Was ist eigentlich die Kernaufgabe der Schule?"

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