850 Arbeitsplätze erhalten

Aus den Bolta-Werken wird Winning Plastics Diepersdorf: Automobilzulieferer jetzt offiziell verkauft

2.9.2022, 09:55 Uhr
Aus den Bolta-Werken wird Winning Plastics Diepersdorf: Automobilzulieferer jetzt offiziell verkauft

© Sophie Urbansky

Die rund 850 Bolta-Mitarbeiter hatten von der Übernahme bereits im Juni erfahren, als der Kaufvertrag unterzeichnet worden war. Seit Donnerstag gehört der Diepersdorfer Automobilzulieferer nun auch offiziell zur deutsch-tschechischen Winning Group mit Sitz in Brno. Der Insolvenzverwalter, Volker Böhm von der Kanzlei Schultze & Braun, hat den Geschäftsbetrieb an den strategischen Investor veräußert. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.

Die wichtigsten Nachricht für die Beschäftigten: Alle verbliebenen Arbeitsplätze bleiben erhalten. Über einen Sozialplan waren während des Insolvenzverfahrens bereits knapp 40 Stellen abgebaut worden, zudem hatte es laut Betriebsrat eine hohe Zahl an Eigenkündigungen gegeben.

Standorte in Gottmadingen und Gütersloh bleiben erhalten

Die Winning Group hat über ihre Tochter Winning Plastics sowohl Bolta als auch Bolta Bundle übernommen, also neben dem Hauptsitz Diepersdorf auch die Produktionsstandorte in Gottmadingen (Baden-Württemberg) und Gütersloh (Nordrhein-Westfalen). Ohnehin nicht Teil des Insolvenzverfahrens waren die ausländischen Gesellschaften in Tuscaloosa (USA) und Puebla (Mexiko).

Für den Insolvenzverwalter ist Winning der "ideale Partner". Es handle sich um einen "strategischen Investor mit langfristiger Perspektive", so Rechtsanwalt Böhm. Er spricht von äußerst schwierigen Rahmenbedingungen während des Insolvenzverfahrens. Während zu Beginn noch die Corona-Krise einen Großteil der Auto-Zuliefererindustrie lähmte, verschärft durch Lieferengpässe bei Halbleitern, kam im Februar 2022 auch noch die Ukraine-Krise hinzu. Zudem seien wichtige Produktionsmaterialien wie Metalle und Kunststoffe weltweit nur noch eingeschränkt verfügbar.

Ein weiterer Zukauf für den Investor

Die Winning Group mit ihrem deutschen Chief Executive Officer Sebastian Wagner – er stammt aus dem Schwarzwald – lässt sich von dem schwierigen Marktumfeld offensichtlich nicht beeindrucken. Das 2016 gegründete Unternehmen, das neben einer Automotive-Sparte einen Geschäftsbereich Hochbau hat, ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Der Konzern plant nach eigenen Angaben für das Jahr 2022 mit 14 Unternehmen in der Gruppe einen konsolidierten Gesamtumsatz von rund 300 Millionen Euro. Vor der Bolta-Übernahme arbeiteten weltweit 2300 Menschen für das Unternehmen aus Brno.

Es ist nicht die erste große Akquisition in diesem Jahr: Zum 1. Mai hat Winning bereits den Geschäftsbetrieb des insolventen Automobilzulieferers Räuchle GmbH + Co. KG in Dietenheim (Baden-Württemberg) übernommen, Mitte Mai das Krefelder Werk der ebenfalls zahlungsunfähigen PWK-Gruppe. Und erst im Februar kamen die Linden GmbH und die Sächsische Metall- und Kunststoffveredlungs GmbH zur Gruppe. 

Wagner lässt sich in einer am Freitag veröffentlichten Pressemitteilung so zitieren: „Dieser Kauf ist ein bedeutender Schritt nach vorne für die Winning Group und ihren Wachstumskurs in der Automobilbranche". Man wolle einen "der führenden und gesunden Player im europäischen Markt der oberflächenveredelten Kunststoffteile" schaffen.

Wagner hatte sich bereits im Juli bei einer Betriebsversammlung in Diepersdorf vorgestellt. Die Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwalter sei „immer auf Augenhöhe“ verlaufen, so Betriebsratsvorsitzender Stefan Bivona damals zur Pegnitz-Zeitung, „wir hoffen, dass es mit dem Investor weiterhin so gut läuft“.

Unternehmen mit Tradition

Die Bolta-Werke hätten im November 2021 ihr 100-jähriges Bestehen groß feiern können – doch die Nachricht von der Insolvenz kam kurz zuvor, nämlich Ende September. Gründer Johannes Bolten hatte 1921 in Nürnberg mit der Herstellung von Kämmen aus Aluminium, Bakelite und Gummi begonnen. 1964 zog das Unternehmen nach Diepersdorf um, wurde zum Spezialisten für die Veredelung von Kunststoffteilen. 1985 wurde es durch die britische Unternehmensgruppe der Familie Puri gekauft, der die Bolta-Werke bis zuletzt gehörten.

Mit ihrer Galvanik beliefern die Diepersdorfer vor allem große Hersteller wie Audi oder Mercedes Benz mit verchromten Außenelementen wie Kühlergrills oder Zierleisten. Das Unternehmen wuchs Anfang der 2000er-Jahre stark. Insbesondere der Bau des Werks 2 bedeutete eine große Erweiterung der Produktionskapazitäten.

Das Ende kam mit der Halbleiterkrise: Auf diese führte die Geschäftsführung den massiven Umsatzeinbruch zurück, der im Insolvenzantrag mündete. Einige Kunden hätten wegen der Engpässe den Abruf ihrer Aufträge verschoben. Dies sei nicht mehr aufzufangen gewesen.