Besuch

Hilferuf aus dem ukrainischen Kriegsgebiet an Hersbruck

Christl Schäfer-Geiger

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22.11.2022, 13:00 Uhr
Beim Stadtrundgang informierten sich die Gäste aus der Ukraine auch über die Erinnerungsarbeit zum KZ Hersbruck.

© Christl Schäfer-Geiger Beim Stadtrundgang informierten sich die Gäste aus der Ukraine auch über die Erinnerungsarbeit zum KZ Hersbruck.

Nova Uschyzja ist vielen noch bekannt aus den 80er- und 90er Jahren. Damals gab es in Hersbruck sogar einen Verein, der sich um humanitäre Hilfe für die Stadt in der Ukraine kümmerte.

Viele Hilfstransporte waren organisiert worden, hauptsächlich mit Gütern für das dortige Krankenhaus. Betten, Geräte, Medikamente und sonstige Hilfsgüter, alles wurde von den zahlreichen Helferinnen und Helfern gesammelt, auf Lkws verladen und dorthin gefahren. Lange hatte es keine Kontakte mehr dorthin gegeben. Aber mit dem Ukrainekrieg hat sich auch Nova Uschyzja wieder in das Gedächtnis der Stadt Hersbruck zurück gebracht und Kontakt mit der Stadtverwaltung aufgenommen.

In den vergangenen Wochen fanden zwei Online-Treffen mit dem dortigen Bürgermeister und Vertretern von Krankenhaus und verschiedenen Organisationen statt. Und sie haben Hersbruck besucht. Antoli, der Bürgermeister, Piotr, sein Stellvertreter, und Oleg, der Leiter der dortigen Molkerei. Sie sitzen bei Bürgermeister Robert Ilg im Büro, erzählen vom Krieg in der Ukraine, hoffen auf baldigen Frieden und signalisieren Freundschaft.

Intensive Gespräche

Robert Ilg drückt seinen Respekt vor der ukrainischen Bevölkerung aus und hebt, was die Unterstützung der Ukraine angeht, die gesamteuropäische Verantwortung heraus. Man unterhält sich intensiv und es ist nur die Sprache, die eine große Hemmschwelle darstellt. Ilona, die Übersetzerin, ist gut beschäftigt.

Die Stadt selber, erzählt der Bürgermeister, wurde bisher von Bomben verschont. Heftiger getroffen hat es die Region mit ihren zirka 26.000 Einwohnern. Nova Uschyzja selbst hat zirka 4000 Einwohner. 700 Männer aus der Region kämpfen an der Front, 16 sind gefallen, 5 vermisst und 15 schwer verletzt. Aber Antoli ist zuversichtlich und dankbar für die inzwischen eingetroffenen Luftabwehrsysteme, die im Nürnberger Land hergestellt werden.

Er ist ein gläubiger Mensch und vertraut darauf, dass alles, was Putin tut, der Ukraine irgendwann zum Segen gereicht. Für ihn ist der Krieg ein Prozess, der seit acht Jahren in der Ukraine vorherrscht. Jetzt würde sich etwas verändern.

Neben allen Höflichkeitsfloskeln wird aber auch schnell klar, dass Nova Uschyzja die direkte Unterstützung durch Hersbruck sucht und an wirtschaftlichen Verbindungen interessiert ist. Für Oleg, den Geschäftsmann, ist eine Vernetzung mit der deutschen Wirtschaft in unterschiedlichen Bereichen von großer Wichtigkeit. Im Moment kämpfe sein Land nicht nur gegen Putin, sondern auch gegen die eigene Vergangenheit, was die Korruption angehe.

Die Förderung der Demokratie ist für ihn sehr wichtig und dazu brauche sein Land Hilfe aus dem Westen. Er möchte, dass die vielen Millionen Ukrainer, die in den letzten Jahren das Land verlassen haben, wieder zurückkommen. Dazu gehöre aber eine funktionierende Wirtschaft mit attraktiven Arbeitsplätzen. Die Ukraine verfügt seiner Meinung nach über hochqualifiziertes Personal, kann aber noch billiger produzieren als Europa.

Kleidung für Soldaten

Mit einem Besuch bei der Firma Carl Groß durften sich die Besucher im Anschluss eine Hersbrucker Firma anschauen, die in der Ukraine arbeiten lässt. Die beiden Geschäftsführer Ralph Böhm und Thomas Steinhart führten durch das Werk und gaben Einblick in das Unternehmen und seine Logistik. Die beiden ukrainischen Bürgermeister wurden dort auch die Frage los, ob sie einen Kontakt hätten zu Herstellern warmer Winterkleidung. Nova Uschyzja hat 50.000 Euro gesammelt und möchte Winterkleidung für die Soldaten in Auftrag geben. Die beiden Geschäftsführer boten ihre Vermittlung an.

Bereits in den Online-Treffen hatten die Vertreter aus Nova Uschyzja deutlich gemacht, dass die Ukraine medizinische Geräte und Hilfsgüter brauche. Der stellvertretende Kämmerer Hersbrucks, Wolfgang Klebl, hat sich daher auf die Suche nach Fördermitteln gemacht und tatsächlich einen Fördertopf der Bundesregierung aufgetan.

Daraus werden nun Defibrillatoren, ein Beatmungsgerät für intensivmedizinische Versorgung von Patienten im künstlichen Koma, Behandlungsliegen für die Notfallambulanz, einige Rollstühle und zwei Operationsleuchten besorgt. Große Unterstützung bei der Beschaffung dieser Hilfsgüter hat die Stadt Hersbruck dabei von Stadtrat Guido Schmidt und den Krankenhäusern Nürnberger Land bekommen.

Und so endete ein Besuch mit einem Stadtrundgang durch Hersbruck. Und es beginnt eine neue Hilfsaktion, fast wie vor 30 Jahren, mit einem Hilfskonvoi in Richtung Osten. Immer in der Hoffnung, dass dieses gebeutelte Land endlich wieder Frieden findet und sich der Demokratie widmen kann.

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