"Blind sein"

Schüler-Experiment: So könnte das Pegnitzer Gesundheitszentrum verbessert werden

Kerstin Goetzke

Nordbayerische Nachrichten Pegnitz/Auerbach

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2.2.2023, 14:55 Uhr
Martin Wiesend (rechts) lobt die Viertklässer für ihr Engagement und ihre Kreativität. Die Ausstellung „blind sein“ ist zu den regulären Öffnungszeiten des Gesundheitszentrum im Treppenhaus zu sehen.

© Kerstin Goetzke, NN Martin Wiesend (rechts) lobt die Viertklässer für ihr Engagement und ihre Kreativität. Die Ausstellung „blind sein“ ist zu den regulären Öffnungszeiten des Gesundheitszentrum im Treppenhaus zu sehen.

In der Hand haben sie ein Sektglas - natürlich gefüllt mit Johannisbeersaft - und sie unterhalten sich mit ihren Mitschülern. Das Stimmengewirr lässt erahnen, dass gleich etwas Besonderes passiert.

Wolfgang Nierhoff und Gudrun Brendel-Fischer verteilen Urkunden an die Kinder.

Wolfgang Nierhoff und Gudrun Brendel-Fischer verteilen Urkunden an die Kinder. © Kerstin Goetzke, NN

Und so kommt es auch: Der Inhaber des Gesundheitszentrums an der Hauptstraße, Martin Wiesend, spricht zu den Schülern, deren 24 Bilder schon in silbernen Rahmen an den Wänden des Treppenhauses hängen. Die Buntstift-Zeichnungen zeigen die Erlebnisse der Schüler an einem Projekttag im Herbst des vergangenen Jahres: Da waren sie schon einmal im Gesundheitszentrum unterwegs, allerdings trugen sie dabei Brillen, die bestimmte Augenkrankheiten simuliert haben. In kleinen Gruppen mussten sie dabei blind oder mit eingeschränkter Sicht Aufgaben lösen und sich im Gebäude zurechtfinden.

Aufregung im Fahrstuhl

Weil Treppensteigen mit Sehbehinderung nicht so leicht ist, findet sich oftmals der Aufzug in den Bildern. Aber auch der Fahrstuhl ist nicht so leicht zu bedienen, haben die Schüler festgestellt: "Mein Freund hat fast den Alarmknopf gedrückt", berichtet ein Junge aufgeregt. Ein Mädchen mit langen braunen Zöpfen erklärt, dass es sich gut im Gebäude auskenne, weil es dort zum Kickboxen gehe. "Mit der Brille war es trotzdem nicht so leicht, mich zurecht zu finden", erklärt es. Die Schülerin hat "ihre" Simulationsbrille im Bild verewigt.

Nach dem Projekt und dem Lösen der Aufgaben haben sie ihre Erfahrungen Wiesend und Innenarchitekt Andreas Bürmann mitgeteilt. Und sie suchen nun nach Lösungen, wie das Gesundheitszentrum auch für Sehbehinderte barrierefreier gestaltet werden kann. "Wir haben von euch Hausaufgaben bekommen und machen sie", erklärte Martin Wiesend.

Unter anderem soll ein altes Holzgeländer, das endet, obwohl noch zwei Treppenstufen folgen, verlängert werden und Handlauf-Informationen in Braille in den einzelnen Stockwerken angebracht werden, so Bürmann. Zur Veranschaulichung hatte er Muster dabei, die die Schüler interessiert begutachteten und ertasteten.

Lob von allen Seiten

Den "externen Lern-Ort" und die Ideen der Schüler lobte auch die bayerische Integrationsbeauftragte Gudrun Brendel-Fischer (CSU), die auf dem Weg nach München einen Stopp in Pegnitz eingelegt hat. Bei solchen Aktionen lernen die Kinder mehr als nur im Klassenzimmer, so die ehemalige Fachlehrerin, die der Klasse ein Vorlesebuch und eine Spende für die Klassenkasse überreichte.

Mit Bürgermeister Wolfgang Nierhoff (PEG), der die "sinnvolle Arbeit" der Kinder hervorhob, überreichte sie personalisierte Dankesurkunden, auf dem auch das Logo des Blinden- und Sehbehindertenbunds zu sehen ist. Wiesend schenkte jedem Kind einen Radiergummi in Delfin-Form, "weil ihr so intelligent seid wie diese Tiere", sagte er anerkennend. Und: "Ihr seid genauso wichtig wie die Erwachsenen", betonte er.

"Schöne Erfahrung"

Klassenlehrerin Ruth Neuß erklärte für die Schüler, dass es für sie eine schöne Erfahrung gewesen sei. Auf die Idee ist Martin Wiesend bei einem Selbstversuch in einem Seminar gekommen und hat sich Hilde Heilmann und Manfred Voit vom Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund eingeladen.

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