Vor dem Mähtod bewahrt

Sensationsfund bei Rettungsaktion: Ehrenamtliche entdecken seltenes Albino-Reh in Franken

Michaela Raab

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14.7.2023, 13:34 Uhr
Nach hunderten Einsätzen machte die Kitzrettung Oberfranken im Mai 2023 einen Sensationsfund. Sie entdeckten ein seltenes Albino-Reh im hohen Gras.

© Kitzrettung Oberfranken e.V. Nach hunderten Einsätzen machte die Kitzrettung Oberfranken im Mai 2023 einen Sensationsfund. Sie entdeckten ein seltenes Albino-Reh im hohen Gras.

Für Landwirte liegt der günstigste Termin zum Mähen ihrer Wiesen zwischen Mai und Juni und damit genau im Zeitraum der Jungenaufzucht der Rehe. Die Muttertiere setzen ihre Jungen bewusst ins hohe Gras, um sie vor Fressfeinden zu schützen. Die Tiere sind so gut versteckt, dass sie es oft nicht schaffen vor den nahenden Mähdreschern zu flüchten. Etwa 50.000 bis 100.000 Kitze sterben deshalb jedes Jahr durch Mähmaschinen, schätzt die Deutsche Wildtierstiftung.

Seit 2017 arbeitet der gemeinnützige Verein Kitzrettung Oberfranken e.V. eng mit Landwirten und Jagdpächtern in den Landkreisen Bayreuth und Hof, sowie in Teilen von Wundsiedel und Kulmbach zusammen, um Wildtiere, wie etwa Rehkitze, in hohen Gräsern aufzustöbern und in Sicherheit zu bringen, bevor Mähdrescher für die Ernte über die Felder rollen.

Saison-Bilanz und ein Sensationsfund

Die Mission der Kitzrettung Oberfranken ist klar: Sie wollen Wildtiere, wie etwa Rehkitze vor dem dramatischen Mähtod bewahren. Aktuell fasst die Kitzrettung Oberfranken rund 100 Mitglieder und zusätzlich etwa 30 bis 40 Freiwillige, die sich über Aufrufe in WhatsApp-Gruppen oder über Facebook organisieren, berichtet Britta Engelhardt, die erste Vorsitzende des Vereins. In einem Rückblick auf die auslaufende Saison vermeldet sie 207 Einsätze und 627 gerettete Rehkitze.

Ein besonderes Highlight sei aber der Fund eines Albino-Kitzes im Mai gewesen. Laut Britta Engelhardt war es das erste Mal, dass sie diese seltene Art gefunden haben. Wegen eines seltenen Gen-Defekts haben die Kitze ihre spezielle Färbung und sind leichtere Beute für Fressfeinde. Außerdem haben Albinorehe oft Probleme mit den Augen, sind dadurch aber nicht minder lebensfähig, berichtet Britta Engelhardt.

So läuft die Kitzrettung ab

Die Kitzrettung Oberfranken bietet Landwirten und Jagdpächtern in der Region an, flexibel einen Termin mit dem Verein auszumachen, die dann einen Tag vor dem Mähen das entsprechende Gebiet möglichst bestand-schonen mit Wärmebildkameras und Drohnen nach Wildtieren absucht und diese in Sicherheit bringt. Dieser besondere Service soll Landwirten eine Zeitersparnis und ein gutes Gewissen beim Mähen geben. Laut Vereins-Homepage können sich Freiwillige ab einem Alter von sieben Jahren der Suche anschließen.

Am ausgemachten Treffpunkt gibt es zunächst eine Einsatzbesprechung und eine Einweisung für Neue. Dann suchen sie das Gebiet Meter für Meter ab, da die Kitze leicht zu übersehen sind. Sobald die Ehrenamtlichen ein Reh finden, packen sie es dick in Gras ein, und bringen es mit weg-gestreckten Armen aus dem Gefahrenbereich. Wichtig ist dabei, dass die Helferinnen und Helfer Latexhandschuhe tragen und Menschenkontakt möglichst vermeiden, da die Reh-Mutter ihr Junges sonst eventuell nicht mehr annimmt.

Darum ist die Kitzrettung wichtig

Die Rettung von Rehkitzen vor den Mähmaschinen ist nicht nur wichtig, um die Tiere vor massiven Verstümmelungen oder dem Tod zu bewahren. Auch für Landwirte hat ein solcher Mähunfall massive Folgen, berichtet Britta Engelhardt. Denn die meisten Wiesen bieten für die Landwirte eine Futterquelle für ihr Vieh.

Wenn nun ein Kitz oder ein anderes Wildtier in die Messer der Mähmaschinen gerät, hinterlässt dies Spuren und würde durch die Fäulnisbakterien das ganze Futter unbrauchbar machen. Für Tiere, die davon essen, besteht durch die Aufnahme von verunreinigtem Futter die Gefahr, an Krankheiten wie Botulismus qualvoll sterben können. Zudem sei ein Mähtod für die Landwirte ein traumatischer Anblick, der sie oft über Tage verfolgt, wie Britta Engelhardt aus ihrer Zeit bei der Kitzrettung Oberfranken erzählt.

Immer mehr Wildtierrettungen

Alleine in Bayern engagieren sich nach aktuellem Stand aus dem Juli 2023 über 60 Vereine und ehrenamtliche Initiativen für die Wildtierrettung, schreibt die Kitzrettung-Hilfe, ein Zusammenschluss aus Landwirten, Jägern, Tierschützern, Biologen, Förstern und Politikern aus Hessen.

Trotz der steigenden Zahl an Helferinnen und Helfern sind auch sie auf Spenden angewiesen, um laufende Kosten zu decken. Laut der Kitzrettung Oberfranken betrifft das vor allem die Anschaffung von Transportboxen, Einsatzkoffern, Seilen und Latexhandschuhen, sowie Drohnen. Diese sind nötig, um die Tiere besser finden und sicher aus dem Gefahrengebiet bringen zu können.

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