Betrieb Gagsteiger

Pioniere in Altmühlfranken: In Osterdorf leben Bio-Puten artgerecht

9.11.2020, 06:03 Uhr
Manfred und Lydia Gagsteiger können ihren Puten ein kleines Paradies in Osterdorf, einem Ortsteil von Pappenheim, bieten. Nicht viele Menschen haben das, was für die geflügelten Tiere dort eine Selbstverständlichkeit ist: viel Platz, genügend Auslauf und sogar einen eigenen einen Wintergarten.

© Jürgen Leykamm Manfred und Lydia Gagsteiger können ihren Puten ein kleines Paradies in Osterdorf, einem Ortsteil von Pappenheim, bieten. Nicht viele Menschen haben das, was für die geflügelten Tiere dort eine Selbstverständlichkeit ist: viel Platz, genügend Auslauf und sogar einen eigenen einen Wintergarten.

Wer seine Essenspläne für Weihnachten aber nicht mehr über den Haufen werfen will, braucht nicht lange zu warten – nur bis zum nächsten Schlachttermin am Donnerstag, 7. Januar 2021. "Bestellen sollte man aber schon spätestens einen Tag vorher", sagt Manfred Gagsteiger. Das geht bei ihm auch ganz bequem online (www.erlebnishof-gagsteiger.de). Halbe oder ganze Pute, zerlegt oder nicht, Kilogrammware – alles ist möglich. Bis zu 100 Tiere sind es jährlich, die der Direktvermarkter entsprechend verarbeitet: Schlachten, ausnehmen, zerlegen aus einer Hand.

Für jeden einzelnen Arbeitsschritt musste ein Kurs absolviert werden, vom fachgerechten Betäuben angefangen. Derzeit entstehen neue Schlachträume, wo früher einmal Kühe beheimatet waren. Bislang ist einer fertiggestellt, bis Jahresende sind es alle weiteren – so der Plan. Danach soll das Sortiment noch ausgeweitet werden. Unter anderem denken die Gagsteigers darüber nach, das Geflügel für ihre Kunden auch zu Bratwürsten zu verarbeiten.

Besuch aus Österreich löste Entscheidung aus

Alles begann schon vor knapp sechs Jahren. Just an Weihnachten 2014 bekamen die Gagsteigers Besuch von einem Bio-Putenmäster aus Österreich. Der Kontakt zu ihm ist über eine christliche Gemeinde entstanden, in der sich das Ehepaar engagiert. Der Funke sprang über, und so nutzten die beiden den Faschingsdienstag im Folgejahr für einen Gegenbesuch. Von da an wurden Nägel mit Köpfen gemacht. Das Ende der Milchkuhhaltung wird besiegelt, ebenso der Beginn der Bio-Putenmast.


Bio oder nicht? Qualität steht und fällt mit dem Landwirt


Nach kräftezehrenden Stallbaumaßnahmen ist es 2017 soweit: Die ersten weißen Puten marschieren in die Ställe der Gagsteigers ein. Das erste Glück dauert aber nicht lang. Dem Unternehmen, das die Gagsteigers mit ihren Tieren versorgen, bricht ein Abnehmer weg. Die Mengenminderung soll das Ehepaar aus Osterdorf abfedern und deswegen über ein Drittel weniger an Tieren einstallen. "Da haben wir dann schon sehr schlucken müssen", erinnert sich Lydia Gagsteiger. "Für jemanden, der gerade erst umgestellt hat, ist eine solche Nachricht betriebswirtschaftlich ein echter Schock", so ihr Ehemann.

Der Ferien- und Erlebnishof Gagsteiger in Osterdorf ist breit aufgestellt. Hasen, Katzen, Ziegen, Zwergschafe und -kaninchen stehen ganz oben auf der Streichelliste.

Der Ferien- und Erlebnishof Gagsteiger in Osterdorf ist breit aufgestellt. Hasen, Katzen, Ziegen, Zwergschafe und -kaninchen stehen ganz oben auf der Streichelliste. © Foto: Jürgen Leykamm

Doch es gelingt die Neuorientierung, die Auslastung kann wieder zu 100 Prozent erfolgen. Und was die Geflügelrasse anbelangt, haben sich die Gagsteigers ebenso umorientiert. Statt auf weiße setzen die Naturland-Partner heute auf die robusten, schwarzen Kelly-Bronze-Puten. Die beiden Ställe sind insgesamt über 900 Quadratmeter groß und verfügen über geräumige Wintergärten (Kaltscharrräume). Dazu gesellen sich riesige Auslaufflächen mit verschiedenen Strukturelementen. Insgesamt 1500 Tiere tummeln sich hier, nach Geschlecht getrennt.

Für Fuchsabwehr ist natürlich gesorgt, und "über den Wolf machen wir uns aktuell noch keine Gedanken", so das Ehepaar. Für das Futter können die Gagsteigers bei 35 Hektar nach den Kriterien des Ökolandbaus bewirtschafteter Agrarnutzfläche aus dem Vollen schöpfen. Je nach Gemengelage gibt es wie etwa heuer viel Roggen für die Puten. Natürlich ist nicht alles für das liebe Vieh. Speisegetreide steht auch auf den Feldern, heuer zum ersten Mal auch Dinkel. Mit der Braugerste wird die Neumarkter Lammsbräu beliefert.

Wegen Krankheitserregern: Hühner mussten den Puten weichen

Bei der Umstellung auf Puten gab es einige Feinheiten zu beachten: Die Hühner etwa mussten vom Hof verbannt werden – deren Krankheitserreger bilden für Truthähne und -hennen großen Gefahren. Und wenn doch einmal die Keime zuschlagen: "Selbst Biobauern dürfen einmal im Leben eines Tieres mit Antibiotika behandeln", erklärt Manfred Gagsteiger. Und bei Starkregen müssen eben auch die Bio-Puten mal "drinnen" bleiben.

Froh sind die Osterdörfer über die vielen Standbeine ihres Betriebes: Als die Putenmast wie erwähnt Schwierigkeiten bereitete, konnte man auf Einnahmen aus der Vermietung von Ferienwohnungen zählen. Als diese Gelder aufgrund Corona wegbrachen, erfreute man sich umso mehr des Zuflusses aus der Mast. Außerdem hat man als Ferien- und Erlebnishof so einiges zu bieten. Und auch als Vertreter des Ökolandbaus ist der Hof am Puls der Zeit.

Im Freistaat herrscht hier noch gewaltig Luft nach oben, wie Elisabeth Remlein vom Fachzentrum ökologischer Landbau am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Neumarkt beim Ortstermin anmerkt. Keine elf Prozent der bayerischen Agrar- sind auch Biobetriebe. Und keine zwölf Prozent der landwirtschaftlichen Fläche wird biologisch bewirtschaftet. "Da fehlt schon noch einiges bis zu den angestrebten 30 Prozent!" bemängelt Remlein.


Bio, nachhaltig, regional: Der Käse-Ingenieur legt los


Vielleicht finden Landwirte nach einem Besuch bei den Gagsteigers, die auch Hofführungen anbieten, Gefallen an einer Umstellung. Dass regionales Bio-Geflügelfleisch nicht nur ökologisch sinnvoll ist, sondern auch bestens schmeckt, davon können sich alle am kommenden Schlachttag überzeugen, sofern sie pünktlich bestellt haben.

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