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Risiko durch Vitamin-Pillen: Warum die Politik nicht allein in der Pflicht ist
Das ist (leider) Alltag auf Social Media: Zum Start in den Tag nimmt Lara eine Handvoll Nahrungsergänzungsmittel. Die Pillen gehören fest zu ihrer Routine. So zeigen es Videos auf Instagram. Lara ist Influencerin. Ihr folgen über 350.000 Menschen - 350.000 Menschen, die den Eindruck bekommen, mit den Vitaminen und Mineralstoffen aus den Kapseln tun sie ihrem Körper etwas Gutes. Der Eindruck ist falsch.
Laut aktuellen Daten des Bundesverbands der Verbraucherzentralen ist knapp ein Viertel von über 2000 Befragten der Meinung, Nahrungsergänzungsmittel seien ein Arzneimittel. Das stimmt nicht. Die Zusatzpräparate gelten als Lebensmittel. Höchstmengen für Inhaltsstoffe sind deshalb nicht vorgeschrieben, die Prüfverfahren sind lasch. Mitunter ist unklar, was in welcher Dosierung in den Präparaten steckt. Die Folgen des Konsums sind damit schwer kalkulierbar. Die Verbraucherzentralen fordern die Politik auf, aktiv zu werden.
Durchaus: Es ist dringend notwendig, dass sich die Bundesregierung für strikte Kontrollen, klar definierte Grenzwerte und einheitliche Zulassungsverfahren einsetzt und damit den Vitamin-Milliardenmarkt mit besseren Regeln versieht. Zudem muss die Werbung der Branche hinterfragt werden. Denn nicht selten verspricht sie Wirkungen, die nicht wissenschaftlich belegt sind.
Aber es greift zu kurz, jetzt allein die Politik in die Pflicht zu nehmen. Stattdessen sollte sich jeder und jede bewusst machen, wie unsicher die Mittel sind - und dass es sich eben nicht um Medikamente handelt.
Eigentlich ist unsere Sensibilität im Bereich Ernährung gestiegen. Wir prüfen, wo unser Fleisch herkommt und achten darauf, dass Obst und Gemüse bio sind. Keiner möchte giftige Zusatzstoffe essen. Geht es um Nahrungsergänzungsmittel, scheint aber jede Vorsicht dahin. Stattdessen dominiert Gutgläubigkeit.
Soziale Medien spielen eine Rolle - aber jeder trägt selbst Verantwortung
Eine nicht unerhebliche Rolle dabei spielen die sozialen Medien, die gerne als Informationsquelle für gesunde Ernährung herangezogen werden. Dort sind die Zusatzpräparate im Trend. Lara ist längst nicht die Einzige, die morgens eine bunte Auswahl an Pillen einwirft. Auch Social-Media-Gigantin Pamela Reif lebt es ihren neun Millionen Followern so vor. Dabei sollte jeder wissen, dass Influencer eben das sind: Influencer. Und selten Ernährungswissenschaftler.
Ob man sich die angeblich gesunden Trends zu eigen macht, liegt also zuallererst in der Verantwortung eines jeden einzelnen für den eigenen Körper, die eigene Gesundheit und das eigene Wohlergehen. Das ist nicht Aufgabe der Politik.
Dass man nicht alles für bare Münze nehmen sollte, was durch die sozialen Medien geistert, ist längst keine neue Erkenntnis mehr. Aber insbesondere, wenn es um die Gesundheit geht, muss klar sein: Was zählt, ist der Rat vom Arzt, nicht von der Community.
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