"Nachhaltigkeit schaut anders aus"

Amazon in Allersberg: Auch vom Kreis kommt Gegenwind

7.7.2021, 19:02 Uhr
Rund 1450 Lastwagen am Tag? Das prognostiziert das Verkehrsgutachten des Landkreises im Fall einer Ansiedlung von Amazon in Allersberg. Landrat und andere Kommunalpolitiker befürchten zudem steigende Grundstückspreise.  

© Paul Sakuma, NN Rund 1450 Lastwagen am Tag? Das prognostiziert das Verkehrsgutachten des Landkreises im Fall einer Ansiedlung von Amazon in Allersberg. Landrat und andere Kommunalpolitiker befürchten zudem steigende Grundstückspreise.  

„Für ein chancenreiches und Gewinn bringendes Gewerbegebiet“ oder „Für Fortschritt und Entwicklung in Allersberg“. Zwischen diesen beiden Alternativen konnten die Allersberger im Mai vergangenen Jahres bei zwei Bürgerentscheiden wählen.

Die Bürgerinitiative „Für Fortschritt und Entwicklung“ hatte die Nase vorn, und so nahmen sich Marktgemeinderat und Kommunalunternehmen des Themas an und entschieden im Mai 2021 in nichtöffentlicher Sitzung, die Gewerbefläche „West 1“ an P3 zu verkaufen. P3 ist der Projektentwickler von Amazon, sodass sich der Online-Versandhändler nun wohl unmittelbar neben der A9 niederlassen wird – mit Anbindung an B2 und A6.


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Dass Amazon im Landkreis Roth ansässig wird, wird nicht nur in Teilen der Bevölkerung, sondern auch in überörtlichen kommunalpolitischen Gremien sehr kritisch gesehen. Tenor: „Die machen uns die Grundstückspreise kaputt.“

Verkehrsgutachten stimmt bedenklich

Der Landkreis hat ein Verkehrsgutachten zu beiden Gewerbegebieten eingeholt, die direkt an der Kreisstraße RH 35 liegen. Mit teils erschreckenden Ergebnissen: Mit 900 Prozent mehr Schwerlastverkehr rechnen die Experten. Das entspricht etwa 1450 Lastwagen am Tag.

Auch Landrat Herbert Eckstein beäugt das Projekt skeptisch. Nicht nur wegen des rasant zunehmenden Schwerlastverkehrs. Für ihn siedelt man ohne Not ein Unternehmen an, von dem in puncto Steuereinnahmen keine Riesensummen zu erwarten seien. Nachhaltig schaue anders aus, erklärt Ecksten.


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Und Nachhaltigkeit – auch von heimischen Betrieben – sei ihm ein Herzensanliegen. „Der Landkreis Roth hat die niedrigste Arbeitslosigkeit in ganz Mittelfranken“, sagt er. Warum? Weil man wenig große Betriebe habe und sehr viele Mittelständler. Die meisten Unternehmen hier hätten ein organisches Wachstum und sich zum Teil über mehrere Generationen entwickelt.

"Kein Gewinn für den Landkreis"

Eckstein verwehrt sich nicht generell gegen Logistiker in der Region. Aber die Struktur müsse halt passen, so wie zum Beispiel bei der Spedition Heinloth in Roth. Der Onlineversandhändler hingegen ist aus seiner Sicht „kein Gewinn für den Landkreis Roth“, weder in puncto Arbeitsplätze noch hinsichtlich einer „fetten“ Gewerbesteuer. Es sei der „kurzfristige Erfolg“, der locke.

Über P3 bezahlt Amazon zig Millionen Euro für das Grundstück. Die Gewerbesteuer werde sich wahrscheinlich nicht so entwickeln, wie sich der ein oder andere das vorstellt, prognostiziert der Landrat. Nachhaltigkeit? Fehlanzeige.

Was die Erschließung der Infrastruktur angeht, werde sich der Landkreis definitiv zurückhalten, warnt Eckstein. „Wir können doch nicht mit dem Geld heimischer Mittelständler die Kosten für eine Verkehrserschließung für Amazon übernehmen. Die sollen selber dafür zahlen“.

Anders sieht es nach Ecksteins Ansicht bei Betrieben aus, die nachhaltig wirtschaften. Hier könne der Kreis durchaus bei der Suche nach Lösungen helfen, betont er. Denn: „Die Betriebe in unserem Landkreis sind unser wichtigstes Gut.“

Laster müssen Zeitfenster einhalten

Zur Verkehrsproblematik äußert sich auch Felix Lehnhoff von der Rother Unternehmerfabrik. „Die Anlieferer besitzen bestimmte Zeitfenster, an die sich halten müssen“, meint er. Um diese Zeitfenster auf keinen Fall zu versäumen, werden die Lastwagen schon einige Zeit früher vor Ort sein. Was das für den Verkehr generell bedeutet, dafür brauche man nicht groß Fantasie.


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Bei An- und Abfahrt zu Amazon sei nicht nur die A9 betroffen, sondern auch die Staatsstraße Allersberg-Roth und die B2 als Zubringer zur A6. Staus seien auf der ohnehin stark frequentierten Staatsstraße vorprogrammiert, betont Lehnhoff.

Obwohl die Planungshoheit über die Gewerbegebiete die Gemeinde habe, „kann der Landkreis über diese Situation nicht glücklich sein“, sagt auch Thomas Pichl von der Wirtschaftsförderung am Landratsamt. Weder seien Natur und Umwelt beachtet worden, noch habe man das Augenmerk auf die schon bestehende Infrastruktur gelegt, die zumeist im Besitz des Landkreises ist. Für kleinere Betriebe werde es jetzt schwer, in Allersberg Flächen zu finden.

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