Bürgermeister: Kein Handlungsbedarf

Nach den Fluten: Allersberger Grüne wollen Bäche renaturieren

17.6.2021, 06:04 Uhr
Ein Unwetter hatte am Donnerstag, 10. Juni, eine große Baugrube in der Allersberger Sandstraße bis zum Rand volllaufen lassen.

© Josef Sturm, NN Ein Unwetter hatte am Donnerstag, 10. Juni, eine große Baugrube in der Allersberger Sandstraße bis zum Rand volllaufen lassen.

Bei heftigen Regenfällen lief am vergangenen Donnerstag (10. Juni) das Regenrückhaltebecken Kieselgraben Nord über (wir berichteten). Innerhalb kürzester Zeit füllten die Wassermassen – sechs Millionen Liter sollen es gewesen sein – eine Baugrube in der Sandstraße. Die Keller der umliegenden Häuser blieben verschont, dennoch saß der Schock für die Anwohner tief, die sich seit dem Bau des Rückhaltebeckens vor Überflutungen, wie sie früher häufig vorkamen, relativ sicher gefühlt hatten. Schließlich war das Becken für ein Jahrhunderthochwasser konzipiert, teilen die Grünen mit.

Diese Fläche kaufte die Gemeinde 2016, um jeweils 15 Meter beiderseits der Kleinen Roth von Bebauung freizuhalten. Hier soll ein Supermarkt entstehen — mit Versiegelung bis fünf Meter an den Uferrand.

Diese Fläche kaufte die Gemeinde 2016, um jeweils 15 Meter beiderseits der Kleinen Roth von Bebauung freizuhalten. Hier soll ein Supermarkt entstehen — mit Versiegelung bis fünf Meter an den Uferrand. © Foto:Tanja Josche

Auch an anderer Stelle in Allersberg traten Bäche über die Ufer: Am Langweidgraben überflutete das Wasser viele Gärten. Nach Aussagen der Anwohner stand das Wasser hier so hoch wie noch nie. Dabei hatte die Verwaltung noch wenige Tage zuvor versichert, der Langweidgraben sei leistungsfähig und könne sogar zusätzliches Oberflächenwasser aus dem neuen Baugebiet "St. Wolfgang" aufnehmen. Anlass dafür waren Stellungnahmen vom Wasserwirtschaftsamt, vom Bund Naturschutz und von einem Anlieger, die befürchteten, das Überflutungsrisiko könne mit dem Baugebiet steigen.

"Das Unwetter hat uns gezeigt, wie wenig leistungsfähig die Gräben in Allersberg sind. Wegen des Klimawandels werden derart starke Regenfälle aber immer häufiger auftreten", mahnt Tanja Josche, Sprecherin der Allersberger Grünen. Die Renaturierung der Gewässer sollte daher nach Ansicht der Grünen dringend mehr Priorität bekommen. Allersberg wird von mehreren Fließgewässern durchzogen, die überwiegend in sehr schlechtem Zustand seien, wie die Grünen berichten. Diese seien zum größten Teil teils begradigt, verrohrt und bis an den Uferrand bebaut. Damit haben sie ihre ursprüngliche Funktion als Rückhalteraum und Lebensraum für Pflanzen und Tiere verloren.

Pflicht: naturnahe Entwicklung

Da die Gemeinde für den Unterhalt dieser Gewässer verantwortlich ist, hat sie laut europäischer Wasserrahmenrichtlinie auch die Pflicht, bis spätestens 2027, so Tanja Gosche, "die Voraussetzungen für eine naturnahe Entwicklung zu schaffen". Das bedeutet: harten Verbau entfernen, Gewässerrandstreifen anlegen und die Bäche möglichst "entgradigen". Viele Kommunen sind hier schon aktiv, zumal der Freistaat Bayern bei solchen Maßnahmen einen großen Teil der Kosten übernimmt.


Unwetter in Allersberg: Baugrube läuft voll, Kran droht umzustürzen


Auch Allersberg habe sich die Renaturierung längst zum Ziel gesetzt und entlang der Kleinen Roth immer wieder Grundstücke aufgekauft, so die Grünen. Auf beiden Seiten des Gewässers sollte ein Streifen von 15 Metern in gemeindlicher Hand und frei von Bebauung bleiben. "Dieses Ziel scheint aber derzeit aus dem Blick geraten", bedauert Josche. Als Beispiel sei die Fläche neben der Baumschule Bittner genannt, auf der ein Supermarkt geplant ist, der die rechteckige Fläche aber nicht komplett einnehme. Das Supermarktgebäude soll etwa bis zur Hälfte reichen.

Erst 2016 hatte die Gemeinde mit ihrem Vorkaufsrecht das südliche Teilstück, das direkt an die Kleine Roth grenzt, gekauft, um den Bach zu renaturieren. Nur fünf Jahre später soll nun genau dieselbe Fläche an einen Investor verkauft und komplett versiegelt werden – bis fünf Meter an den Uferrand heran.

Für Mäandrierung Flächen nötig

"Zunächst einmal ist die Kleine Roth in diesem Bereich in keiner Weise verrohrt oder sonst verändert, als dass eine Renaturierung in diesem Kontext überhaupt im Raum stünde", meint der Allersberger Bürgermeister Daniel Horndasch. Allenfalls käme vielleicht eine Veränderung des Bachlaufes in Sinne einer Mäandrierung in Frage – hiervon wären aber weniger Grundstücke im Eigentum der Marktgemeinde, sondern insbesondere auch solche der Firma Bittner notwendig und betroffen.

Der Kieselgraben ist stark denaturiert. An vielen Stellen ist er bis an den Uferrand bebaut, teils überbaut

Der Kieselgraben ist stark denaturiert. An vielen Stellen ist er bis an den Uferrand bebaut, teils überbaut © Bündnis 90/DIE GRÜNEN, NN

"Zur Amtszeit meines Vorgängers Böckeler kann ich an dieser Stelle wenig beitragen, aber eine wie auch immer geartete Renaturierung der Kleinen Roth in diesem Bereich habe ich nicht als Projekt übernommen und ist auch im Bauamt nicht bekannt", so Horndasch. "Die Marktgemeinde hat das entsprechende Grundstück tatsächlich im Jahr 2016 käuflich erworben – und zwar auf ganz normalem Wege, auf ein Angebot der damaligen Eigentümer hin", betont Horndasch. Hier wurde übrigens auch kein Vorkaufsrecht von Seiten der Gemeinde gezogen (was ja implizieren würde, dass jemand anderes das Grundstück hätte kaufen wollen oder notariell gekauft hätte).

Doch keine Renaturierung geplant?

"Warum und wofür mein Vorgänger diese Fläche erwarb, kann ich nicht beurteilen, da dieser Vorgang wegen der Höhe des Betrages in seiner alleinigen Entscheidungsvollmacht lag und entsprechend vollzogen wurde. Alle angrenzenden Flächen wurden jedoch seit vielen Jahren der Firma Bittner für Baumschulzwecke verpachtet und mein Vorgänger verpachtete auch diese Fläche – zum Abschluss seiner Amtszeit Juni 2017 – mit Pachtvertrag für Zwecke der Baumschule. Ohne jeden Hinweis auf Renaturierungen oder vergleichbare Maßnahmen", erklärt Horndasch.

Die Grünen hingegen meinen, an dieser Stelle sei die geplante Versiegelung besonders kritisch, weil es sich um eine wichtige Rückhaltefläche handle: Alle paar Jahre stehe das Gelände westlich der Baumschule, oft auch die Verkaufsräume, komplett unter Wasser. "Sollte diese wichtige Überschwemmungsfläche wegfallen und an der Kleinen Roth wegen des schlechten Baugrunds womöglich noch eine Stützmauer gebaut werden, wird das Überflutungsrisiko flußaufwärts steigen", fürchtet Tanja Josche. "Wir Grüne lehnen daher eine Versiegelung dieser Feuchtfläche entschieden ab. Stattdessen sollten wir einen konkreten Plan entwickeln, wie wir die Kleine Roth und andere Gewässer renaturieren und den Ort besser für die Folgen des Klimawandels rüsten wollen."

"Zunächst einmal setze ich voraus, dass allen Markträten die grundlegenden Planungen der Marktgemeinde im Bereich der Kleinen Roth, insbesondere ab Höhe Sport Schöll bis hin zum Alten Bauhof, bekannt sein müssten", ist einer E-Mail des Bürgermeisters zu entnehmen. Darin wurde und wird – siehe übrigens auch das derzeit in Erstellung befindliche Radwegenetzkonzept – ein neuer Radweg ab Sport Schöll entlang des Ufers der Kleinen Roth bis zum Alten Bauhof geplant, der dann vor Bittners Grundstück hoch auf die Rother Straße führen und dort an den bestehenden Radweg anschließen soll. Dazu wurden über viele Jahre entsprechende Grunderwerbe getätigt – auch zuletzt, so Horndasch.

Radweg müsste befestigt werden

Dass dieser Radweg an sich und am Ufer befestigt werden muss, ist offenkundig. Eine Fortführung in der weiteren Verlängerung durch das Betriebsgelände Bittner, wo sich die Kleine Roth bisher hin zur Umgehungsstraße auf dem Grund der Firma Bittner befindet, ist nicht Teil der Planungen, da dies am Grunderwerb von der Baumschule scheiterte.

"Aus meiner Sicht ist es wenig nachvollziehbar, im deutlich problematischeren Teil der Kleinen Roth, im Ort, flussaufwärts gelegen, bei sehr enger Bebauung den Radweg und die Befestigung zu begrüßen, aber dann an der am wenigsten problematischen Stelle 15 Meter Abstand und Freiheit von jedweder Versiegelung zu fordern", schreibt Horndasch.

Dieses von den Grünen angesprochene Vorhaben grenze im Übrigen tatsächlich nur an eine Flurnummer und damit nur mit einem geringen Teil überhaupt an die Kleine Roth an, hier auch nur mit etwa der Hälfte der Flurnummer und halte mit der Bebauung auch deutlichen Abstand zur Roth.

Bei einer Renaturierung in Form einer Mäandrierung ginge es notwendigerweise darum, Kurven anzulegen (sowohl Richtung Süden als auch Norden). Da der übrige Grund in diesem Bereich, insbesondere die andere Uferseite, der Baumschule Bittner gehöre, sei deshalb eine solche Maßnahme mit dem Bauvorhaben weder vom Tisch noch ausgeschlossen. Aber wie in den vergangenen Jahrzehnten wäre hierzu Grunderwerb von der Firma Bittner notwendig. Ob sich hier in Zukunft mehr Bereitschaft als in der Vergangenheit zeigt, werde man sehen, berichtet Horndasch.

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