Rothsee und Main-Donau-Kanal stark betroffen

Ungebetener Gast: Wie sich Dreikantmuscheln in Franken ausbreiten

5.12.2021, 06:45 Uhr
Sieht unscheinbar aus, hat es aber faustdick hinter der Schale: Denn die Dreikant-Muschel erobert Seeböden im Nu und macht heimischen Arten damit die Nahrungsgrundlage streitig. Die Larven dringen überdies in Wasserversorgungssysteme und verursachen technische Probleme. Nur die Wasservögel haben ihre Freude.  

© Peter Sunkel, NN Sieht unscheinbar aus, hat es aber faustdick hinter der Schale: Denn die Dreikant-Muschel erobert Seeböden im Nu und macht heimischen Arten damit die Nahrungsgrundlage streitig. Die Larven dringen überdies in Wasserversorgungssysteme und verursachen technische Probleme. Nur die Wasservögel haben ihre Freude.  

Jeden Tag läuft etwas mehr Wasser aus dem Rothsee. Der sinkende Wasserspiegel des Gewässers bringt ganze Muschelteppiche ans Tageslicht. Freiwillige sammeln seit Wochen Tausende heimischer Muscheln ein, um sie tiefer im See ins rettende Wasser zu bringen. Bei den winterlichen Temperaturen würden sie sonst absterben. Zurück bleiben die viel kleineren Dreikantmuscheln – und das ist Absicht.

Dreikantmuscheln am Rothsee.

Dreikantmuscheln am Rothsee. © Peter Sunkel, NN

Die Muscheln verursachen in dem Stausee massenhaft Probleme. Sie breiten sich am Seeboden bereits so stark aus, dass anderen Muscheln der Lebensraum genommen wird, wie Manuel Philipp vom Wasserwirtschaftsamt Nürnberg erklärt. Deshalb senkt die Behörde jedes Jahr den Wasserspiegel des Sees über mehrere Wochen auf sechs Meter ab. Zwei bis drei kühle Nächte mit Minusgraden reichten, um die Population einzudämmen, sagt Philipp.

Auch im Main-Donau-Kanal

Der Rothsee mag zwar ein Sonderfall sein, doch auch anderswo beobachten Fachleute große Bestände der eingewanderten Dreikantmuscheln. Vor allem die zur selben Familie gehörende Quagga-Muschel (Dreissena rostriformis bugensis) breitet sich seit einigen Jahren stark in Deutschland aus. „Die Muscheln kommen überall da vor, wo es Schifffahrt gibt“, sagt Franz Schöll von der Bundesanstalt für Gewässerkunde.

Wenn der Winter naht, sind am abgelassenen Rothsee die Muschelsucher unterwegs.

Wenn der Winter naht, sind am abgelassenen Rothsee die Muschelsucher unterwegs. © Peter Sunkel, NN

Ursprünglich stammt die Quagga-Muschel aus dem Mündungsgebiet des Schwarzen Meeres und wurde vermutlich mit dem Schiffsverkehr eingeschleppt. Inzwischen ist sie nach Angaben des Umweltbundesamtes vom Bodensee bis in den Norden Deutschlands verbreitet. Zum Teil verdrängt sie sogar ihre Verwandte, die Zebramuschel (Dreissena polymorpha), die ebenfalls zu den Dreikantmuscheln gehört. Diese war ursprünglich in Mitteleuropa heimisch und wurde in der letzten Eiszeit zurückgedrängt, breitet sich seit einigen Jahrzehnten aber über den Schiffsverkehr wieder aus.

„Generell scheint die Quagga-Muschel konkurrenzstärker zu sein, da ihr Auftreten meist mit einem Rückgang der Zebramuschel verbunden ist“, sagt Andreas Dobler von der Koordinationsstelle für Muschelschutz der TU München. Ein Beispiel dafür sei der Main-Donau-Kanal, in dem sie seit 2008 als die häufigste Muschelart gelte, was bis dahin die Zebramuschel war.

Bodensee binnen drei Jahren „übernommen“

Seit 2016 breitet sich die Quagga-Muschel auch rasant im Bodensee aus. Drei Jahre nach dem ersten Fund hatte diese bereits den gesamten Bodensee erobert, wie Dominic Hahn vom BUND Baden-Württemberg sagt. Er betrachtet die Ausbreitung der Dreikantmuscheln mit Sorge. Diese könnten den stark gefährdeten heimischen Großmuscheln die Nahrung streitig machen, die Larven in die Systeme der Wasserversorgung eindringen, Pumpen blockieren und ernste technische Probleme verursachen.

Doch es gibt auch einen positiven Effekt: „Am Bodensee hat die Zahl der überwinternden Wasservögel zugenommen“, sagt Hahn. Besonders Reiherente, Tafelente und Blesshuhn bedienen sich an den Muschelbänken. Die Ausbreitung der Dreikantmuscheln ist nach Angaben von Dobler kaum aufzuhalten, da sich die Larven an harte Oberflächen heften können. „Es reicht schon ein Sportboot, das von einem Gewässer zum nächsten gebracht wird, um die Muschel einzuschleppen.“ Einzige Möglichkeit wäre, Boote, Surferbretter Taucherausrüstungen und ähnliches immer zu desinfizieren und längere Zeit trocknen zu lassen. Doch vor allem im privaten Bereich wäre das ohne rechtliche Grundlage und strenge Kontrollen utopisch.

Auch im Rothsee kann das jährliche Absenken des Wasserspiegels den Bestand nur verkleinern. Denn mit dem Wasser aus dem Main-Donau-Kanal kommen immer wieder neue Dreikantmuscheln nach.

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