Nihat Celik stellt in der Galerie aus
Künstler und Wanderer zwischen den Welten
6.11.2022, 16:51 UhrNihat Celiks Bleistiftzeichnungen bestechen durch akkurate, einfache Striche. Der Betrachter erkennt in ihnen häufig sofort eine Figur. Oft hat sie orientalischen Charakter. Schließlich hat Celik die ersten 15 Jahre seines Lebens in der Türkei verbracht. Dennoch sind seine Werke keine Bilder aus Tausend und einer Nacht. Die Frage aber bleibt: Ist seine Bildsprache türkisch oder deutsch? Schließlich hat er in Nürnberg bei Grützke und Colditz Malerei studiert. Der zweite Blick öffnet die Tür für eine neue Auseinandersetzung, regt zur Überprüfung des ersten Standpunkts an und löst Diskussionen aus. „Aus meinen Linien werden intuitiv Figuren“, sagt Celik. „Ich bin in meinen Arbeiten immer auf der Suche.“
Dass der 58-jährige die neue Ausstellung in der Städtischen Galerie im Bürgerhaus nach einem Gedicht von Hölderlin genannt hat, unterstreicht die türkisch-deutsche Prägung Celiks. Er ist Wanderer zwischen zwei Welten. „Hälfte des Lebens“ sind mit die berühmtesten 14 Zeilen des Schriftstellers. Denn das ist Celiks zweite Leidenschaft: Die Übersetzung deutscher Lyrik ins Türkische. Das führt er zusammen. In seinem Buch „Hälfte des Lebens“ ist jede der Zeichnungen zur Illustration eines Gedichts geworden. „Sie passen jeweils zu den Gedichten“, sagt Nihat Celik. Vernissage ist heute Abend ab 19 Uhr.
Nihat Celik zeichnet bereits seit seiner Kindheit. Inspiriert dazu und beeinflusst haben ihn türkische Karikatur-Magazine. Erotische Anspielungen, Politik und Gesellschaftskritik wurden so in ein türkisch-griechisches Grenzgebiet transportiert, in dem Celik 1964 geboren ist. Nach 43 Jahren in Deutschland vereint er Orient und Okzient. Kreuz und Halbmond kommen vor. Ein Fest, ein Hirsch, eine Serail-Mauer und die Jungfrau Maria ebenso.
Nihat Celik lebt seit zwei Jahren in der Nähe Frankfurts. Doch er ist stark mit der hiesigen Region verknüpft. Viele Jahre hat er in Roth gewohnt und dort bei einer Kabelfabrik gearbeitet. Er führte das Leben eines Arbeitsimmigranten. 1991 hat er mit dem Studium der Freien Malerei an der Nürnberger Akademie begonnen, das er 1997 als Meisterschüler beendet hat.
Celik hat bereits in Roth, auf Burg Abenberg und Rednitzhembach ausgestellt. Am Tag des offenen Ateliers im Landkreis hat er sich ebenfalls beteiligt. Dabei hat er allerdings meist Kohlezeichnungen sowie Acryl- und Pastellbilder gezeigt. Seine Bleistift-Zeichnungen sind in diesem Umfang erstmals in der Region zu sehen.
Gewissermaßen als Ausstellungskatalog dient der Band mit den Gedichten. Celik wagt sich hier an die ganz Großen der deutschen Literaturgeschichte. Er hat bekannte Lyrik von Goethe, Nietzsche, Ingeborg Bachmann, von Brentano und Hans Magnus Enzensberger in seine Muttersprache übersetzt. 49 Deutsche Gedichte. 49 Türkische Übersetzungen. 49 Zeichnungen, die nun ebenso heißen, wie die Gedichte. Zu sehen bis 4. Dezember.
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