
Blaues blutiges Theater
Zwischen Wahn und Wahrheit: Edgar Allan Poe am Adam-Kraft-Gymnasium in Schwabach
Edgar Allan Poe ist ein Meister des Grusels und des Unheimlichen. Die Gruppe des Mittel- und Oberstufentheaters am Adam-Kraft-Gymnasium hat sich eine Kurzgeschichte des US-amerikanischen Autors als Grundlage für ihr Stück „A tell-tale heart“ ausgewählt. Und wie in der Vorlage wurde es auch im Blauen Theater gruselig.
Was treibt einen Menschen dazu, den Mord an einem alten, hilflosen Mann zu begehen – kaltblütig, geplant, ohne erkennbares Motiv? Und wie viel Wahrheit steckt in der Behauptung des Täters, er sei keineswegs verrückt? Diesen bedrückenden Fragen widmete sich das Mittel- und Oberstufentheater in seiner diesjährigen Produktion. Drei Abende lang zog die Inszenierung unter der Leitung von Johannes Möhler das Publikum in ihren düsteren Bann und zeigte eindrucksvoll, wie nah Wahnsinn und Wirklichkeit beieinanderliegen können.
Zu Beginn hört man nur das Klicken der Taschenlampen, die im dunklen Zuschauerraum an- und ausgehen. Man sieht einzelne Lichtkegel, Gesichter, die angeleuchtet werden, Zuschauer, die mit den Taschenlampen seziert werden. Auf rätselhafte Weise wird hier das Problem angedeutet, das der mörderische Protagonist des Stücks mit dem alten Mann hat, mit dem er zusammenwohnt: Das Auge des Alten lässt ihn erschaudern, wenn es ihn anblickt. Es scheint alles in ihm zu erkennen, will ihm bis auf den Grund seiner Seele schauen, so wird es der Protagonist später ausführen.
Dieser wird gleich darauf schaurig-schön in Szene gesetzt. Vier blutverschmierte Gestalten stehen keuchend auf der Bühne – ein starker Einstieg der vier Protagonisten Katharina Weigel, Julia Wehl, Helene Deilke und Lilli Jerichow, die das Publikum mitten hinein in die innere Zerrissenheit des Mörders führen. Der berühmte erste Satz – „Nervös war ich damals und bin es noch, aber dass ich wahnsinnig sei, stimmt nicht“ – wird zum Leitmotiv der psychologischen Ebene des Stücks, das seine Intensität aus dem raffinierten Spiel mit Perspektiven und inneren Stimmen zieht. Erst später wird klar, dass er gerade den Alten getötet, zerstückelt und unter den Dielen seines Wohnzimmers vergraben hat. In Rückblenden, begleitet von der Lyra (Hugo Vransky), erzählt er nun seine Geschichte, wobei er stets betont, wie durchdacht er handle und wie klar er im Kopf sei. Von Wahnsinn keine Spur – angeblich.
Das schlechte Gewissen ist mehrfach besetzt
Doch wo verläuft die Grenze zwischen rationalem Denken und völliger Verlorenheit im eigenen inneren Abgrund? Diesen Fragen widmet sich das Ensemble in einer dichten Inszenierung, in der sowohl der Mörder als auch das Opfer – der alte Mann – sowie das schlechte Gewissen mehrfach besetzt sind.
Neben den Eingangsfiguren treten unter anderem Sarah Birnstiel, Jonas Glenk, Emma Jerichow und Lara Schenker in Erscheinung – jede und jeder von ihnen verleiht der Figur des Täters eine andere Facette: kalt, verzweifelt, euphorisch, wahnhaft. Der alte Mann, überzeugend dargestellt von Niklas Hiebler, Anton Lindner, Mathilda von Scheibenhof und Mara Urs, erscheint dagegen als sanftmütiger Gegenpol – ein Opfer ohne Schuld, dessen bloßer Blick dennoch das Grauen auslöst. Sein Unheil liegt in seinem durchdringenden, „geierähnlichen“ Auge.
Zwischen Wahnsinn, Groteske, schwarzem Humor - und „Stayin’ Alive“
Der Mord selbst – vollzogen in der dritten Nacht – wird von atonalen Klavierklängen (ebenfalls Hugo Vransky) begleitet und gipfelt in einem brutalen Schattenspiel, bei dem das Zerstückeln des Leichnams grotesk inszeniert wird. Eine Projektion zeigt das blutige Geschehen, während ein sanft dahingleitender Chopin-Walzer erklingt – ein Kontrast, der das Grauen ins Absurde steigert.
Das Stück wechselt mit beeindruckender Leichtigkeit zwischen Wahnsinn, Groteske und schwarzem Humor: Zu den Klängen von „Stayin’ Alive“ fegen die Mörder (dargestellt von Melissa Joneck, Johanna Nussbächer, Konstantin Langer und Hugo Vransky) in einer skurrilen Reinigungssequenz mit Besen über die Bühne – eine beinahe absurde Wendung, die die Selbstsicherheit der Täter mit ironischer Distanz in Szene setzt: „Alles sauber, mir wird keiner auf die Schliche kommen.“ - Ein Moment grotesker Befreiung, der auch das Publikum zum Lachen bringt, unter anderem, als der Schulleiter als Premierengast in der ersten Reihe „gründlich gereinigt“ wird.
Drei Abende hintereinander füllen die 23 Schülerinnen und Schüler das Blaue Theater – das Publikum ist gebannt, reagiert mit langanhaltendem Applaus und würdigt so die intensive Ensembleleistung. Die Gruppe, in diesem Schuljahr neu zusammengesetzt, zeigt ein bemerkenswertes Maß an Spielfreude, Körperspannung und Ausdruckskraft – ein Beweis dafür, wie stark Theater auf schulischer Ebene sein kann.
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