Zahl der Impfdurchbrüche steigt

Über 37.000 Geimpfte in Bayern infiziert - warum das nicht das große Problem ist

13.11.2021, 11:55 Uhr
Über 37.000 Geimpfte in Bayern infiziert - warum das nicht das große Problem ist

© Fabian Sommer/dpa

37.153 Fälle, bei denen geimpfte Personen nachweisbare Symptome zeigten, meldeten die bayerischen Gesundheitsämter bis einschließlich 9. November dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Zum Stichtag 13. Oktober, also einen knappen Monat zuvor, hatte die in Erlangen sitzende Behörde Kenntnis von 14.231 Impfdurchbrüchen im Freistaat - also knapp 40 Prozent der aktuellen Zahl.

Impfskeptiker nehmen diese Entwicklung als Argument dafür, dass eine Impfung nichts bringe. Man erkranke ja trotzdem, egal, ob geimpft oder nicht. Und auch das Virus verbreite man als Geimpfter weiter.

Eine Ansicht, die Fachleute nur den Kopf schütteln lässt. Durchbruchinfektionen würden angesichts der vom Körper schnell wieder angeworfenen Antikörper-Produktion in aller Regel schnell eingedämmt und verlaufen dann relativ mild, erklärt der Immunologe Andreas Radbruch von der Charité-Universitätsmedizin in Berlin. Nach der Impfung ist man aufgrund der beständigen Antikörper-Produktion im Knochenmark nicht mehr wehrlos gegen eine Infektion.


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Ausgeschlossen ist sie allerdings nicht, vor allem nach dem Aufkommen der Delta-Variante. „Die ruft eine etwa 1000-fach höhere Viruslast hervor als vorherige Virusstämme“, sagt Professor Radbruch. Und schon vor der extrem ansteckenden Delta-Variante war klar, dass die Wirksamkeit der bisherigen Covid-19-Impfstoffe zwar sehr gut ist, aber eben nicht 100 Prozent beträgt.

Trotzdem besteht bei den Infektionszahlen von Geimpften und Ungeimpften nach wie vor ein erheblicher Unterschied. Das zeigen unter anderem die Daten des LGL, die Mitte dieser Woche für Bayern eine Sieben-Tage-Inzidenz von 953,2 bei Ungeimpften auswiesen. Die Inzidenz für Geimpfte betrug zum gleichen Zeitpunkt 97,6 - also etwas über zehn Prozent der Zahl der Corona-Opfer ohne vollständigen Impfschutz.

Und das Verhältnis dieser beiden Schlüsselwerte zueinander hat sich trotz des exponentiellen Wachstums der Infektionszahlen in den vergangenen Tagen nicht groß verändert seit dem Sommer. Allerdings ist davon auszugehen, dass diese amtlichen Zahlen nicht hundertprozentig miteinander vergleichbar sind. Manche Fälle von Impfdurchbrüchen können statistisch gar nicht erfasst werden, weil die Betroffenen keine Symptome zeigen und auch nicht getestet wurden.

Keinen großen Interpretationsspielraum lassen jedoch die zahlenmäßigen Unterschiede bei den Infizierten mit ernsteren Krankheitsverläufen zu: Bis einschließlich 9. November wurden dem LGL 2660 Impfdurchbrüche mit schwerer Symptomatik gemeldet, zum Beispiel Akutes Atemnotsyndrom, Herzrasen oder Herzrhythmusstörungen. Dieser Zahl stehen mittlerweile knapp 8,6 Millionen Menschen in Bayern gegenüber, die einen vollständigen Impfschutz haben. Das heißt, dass bisher einer unter etwa 3200 Geimpften so schwer erkrankt, dass unter Umständen ein stationärer Aufenthalt im Krankenhaus notwendig wird.

Schnupfen und trockener Husten

Der Großteil der Geimpften, die sich dennoch mit Sars-CoV-2 infizieren, hat dagegen leichte bis gar keine Symptome. Edmund Stoiber etwa hatte vor drei Wochen ein positives Corona-Testergebnis erhalten, der ehemalige bayerische Ministerpräsident hatte jedoch laut seinem Sprecher keine schlimmen Beschwerden, sondern nur einen leichten Schnupfen und hin und wieder einen trockenen Husten.

Mittlerweise ist der doppelt mit Astrazeneca geimpfte und immerhin schon 80 Jahre alte CSU-Politiker vollständig genesen und durfte seine Quarantäne wieder verlassen. Fürths 60-jähriger Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) wiederum spürt nach einem positiven Corona-Test vor einigen Tagen keinerlei Krankheitssymptome und hofft, dass er Anfang kommender Woche seine häusliche Isolation wieder verlassen kann.


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Ausgeschlossen ist ein schwerer oder gar tödlicher Verlauf nach einem Impfdurchbruch freilich nicht. Zum Stichtag 13. Oktober etwa zeigten laut den Daten des LGL von den eingangs erwähnten etwa 14.000 Opfern von Impfdurchbrüchen in Bayern 689 Personen so schwere Krankheitssymptome, dass sie stationär im Krankenhaus behandelt wurden, 73 Menschen mussten in der Intensivstation versorgt werden.

Aktuellere Zahlen kann die Erlanger Behörde derzeit nicht zur Verfügung stellen, unter anderem weil sich die aktuell hochdynamische Infektionslage auch auf die Qualität der auszuwertenden Daten auswirkt. „Die verschiedenen Kenngrößen sind nur noch bedingt miteinander vergleichbar“, erläutert ein Sprecher des LGL. Zu dem damaligen Stichtag waren 174 Personen trotz vollständigem Impfschutz an und mit Covid-19 verstorben, wobei 151 dieser Todesopfer älter als 80 Jahre waren und teilweise unter schweren Vorerkrankungen litten.

„Bei einem kleinen Teil der Geimpften kann es zu einer schwächeren Immunantwort kommen, das ist häufiger mit steigendem Alter zu beobachten“, erklärt der LGL-Sprecher. Darum sprechen sich Experten dafür aus, dass gerade diese vulnerablen Bevölkerungsgruppen umgehend Booster-Impfungen erhalten.

Zwei Wochen nach der zweiten Impfung ist der Körper angesichts der vielen Antikörper im Blut und auf den Schleimhäuten meist nahezu vollständig gegen eine Infektion geschützt, doch danach sinkt der Antikörper-Spiegel kontinuierlich. „Ein halbes Jahr später ist die Antikörper-Konzentration auf etwa 20 Prozent des Maximalwerts gesunken“, sagt Professor Radbruch.

Mittlerweile steigt die Zahl der Booster-Impfungen jedoch merklich. Über 3,5 Millionen Personen in Deutschland haben inzwischen eine dritte Impfung erhalten, zuletzt waren es bundesweit mehr als 250.000 Auffrischungen pro Tag. In Bayern sind aktuell Booster-Impfungen bei 9,9 Prozent der Menschen über 60 Jahren vom Robert Koch-Institut dokumentiert.