Kunst und Gartenprojekt

Von Gunzenhausen nach Heidenheim: Pilgern zu Powerfrau Walburga

21.4.2021, 17:12 Uhr
Von Gunzenhausen nach Heidenheim: Pilgern zu Powerfrau Walburga

© Foto: Babett Guthmann

Jakobus muss leider mal ins zweite Glied zurücktreten auf dieser vierten Tagespilger-Etappe in Corona-Zeiten, denn diesmal geht es von Gunzenhausen aus nach Heidenheim. Und hier hat Walburga das Sagen!

Die Heilige Walburga kam im Jahr 761, nach dem Tod ihres Bruders Wunibald, nach Heidenheim, gründete dort neben dem bestehenden Kloster eine Frauenabtei im Geiste der Benediktiner, also ein Doppelkloster, und wirkte als Missionarin und Äbtissin. Eine einflussreiche Frau also – und das bis heute!

So ist Walburga für den jahrhundertealten Schwenk des Jakobswegs verantwortlich: Statt konsequent nach Südwest, geht es auf dieser 18 Kilometer langen Etappe ostwärts, weil man in diesem geistlichen Zentrum spirituelle Anregungen suchte und fand.

Kerzengeradeaus über die Altmühlwiesen

Am Startpunkt der Wanderstrecke, an der Stadtkirche St. Marien, verabschieden wir uns also von Jakobus und versprechen ihm, zur Entschädigung mal in seinem Jakobusbrief zu lesen, den Martin Luther kritisch als "stroherne Epistel" bezeichnet und fast ans Ende seiner Bibelübersetzung platziert hat. Dann geht es aber los zum Reitersteg und danach kerzengeradeaus über die Altmühlwiesen.


Diesmal geht die Wanderung von Schwabach nach Kalbensteinberg


Auf Höhe von Unterwurmbach steht ein Sonnenschirm an Bank, Blecheimer an Pfosten, blaues Fass in der Au. Wer hier rastet und genau schaut, entdeckt ein noch in den Kinderschuhen steckendes Obstgarten-Paradies, ein Projekt Hoffnung.

Hinter solch einem – doch recht arbeitsreichen – Garten muss eine Idee stehen! Wie in Corona-Zeiten angebracht, ergibt eine Telefon-Recherche: Alfred und Bernhard Kettler haben hier eine Jugenderinnerung an Opas Obstgarten verwirklicht. Seit 2017 sind die Kettlers dabei zu pflanzen – und wegen der heißen Sommer müssen sie auch oft gießen. Den Winterapfel "Ontario" – in den 1920ern ein Star unter den Obstsorten – und seinen adligen Kollegen "Kaiser Wilhelm" kannte ihr Opa bestimmt auch schon.

Kurzer Besuch von Rebhühnern

Fränkische Hauszwetschgen, Maronen- und Maulbeerbäume sowie Haselnusssträucher schießen auf dem einstigen Acker schon ordentlich in die Höhe. Es gibt hier keinen Zaun, dafür ab und an Besuch von Rebhühnern, denen als Bodenbrüter dieser geschützte Garten vielleicht sogar mal als Nistplatz und Kinderstube dienen könnte. Eh man in den Corona-Blues verfällt oder gar einen Kiesgarten vor der Haustür plant, lohnt ein Spaziergang zum Hobby-Obstgarten der Kettler-Brüder.


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Von Gunzenhausen nach Heidenheim: Pilgern zu Powerfrau Walburga

© Foto: Babett Guthmann

Weiter geht es zu einer alten Bahnunterführung, und zwischen Aha, Edersfeld und Pflaumfeld führen die Wanderwegs-Hinweise der Jakobsmuschel und des Altmühltal-Panoramawegs durch die Felderlandschaft. Ich bin froh, als ich endlich unter der Hochspannungsleitung durch bin, die macht so einen irritierenden Schnitt durchs Landschaftsbild. Auf Höhe von Pflaumfeld gibt es ein Sonnenblumenfeld vom Vorjahr und einen weiten Blick übers Altmühltal nach Gunzenhausen zurück.

In Gnotzheim muss man sich zwischen den Siedlungshäusern hindurch selbst den Weg zur St.- Michaels-Kirche mit dem Zwiebelturm suchen. Im Kirchhof empfängt die Wanderer die Heilige Walburga aus der Werkstatt von Ernst Steinacker. Sie hält als Zeichen ihrer Missionstätigkeit eine aufgeschlagene Bibel in der Hand. In der Kirche lässt ein Pilgerstempel die Herzen mancher Jakobspilger höherschlagen, mich erfreuen hier viele liebevolle Details, besonders die Jakobsmuschel als Weihwassergefäß und das Tonrelief mit den beiden Personen, die ich mal als "Kirchenschläfer" bezeichne.

Steil geht es den Spielberg hinauf

Oberhalb des Sportplatzes führt der Weg mit der Jakobsmuschel weiter. Es gilt, einen steilen Aufstieg zum Schloss Spielberg zu überwinden, und der erste Ausläufer des Hahnenkammwalds mit hohlem Lerchensporn und Buschwindröschen kündet an, wie der Weg bald weitergeht.

Während man den Berg hinaufschnauft, kommt einem das Thema Vertrauen in den Sinn: Das Schloss ist außer Sicht. Bin ich auf dem richtigen Weg? – Das ist doch eine Frage, die in Corona-Zeiten mit vielen Einschränkungen und hohen Inzidenzen Politik und Gesellschaft beschäftigt. Eh ich mich so richtig in Gedankenrage bringen kann, komme ich derart außer Puste, dass mich mein Herzschlag mal kurz von unser aller Pandemie-Verzweiflung ablenkt.


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Und dann ist man oben: Das Schlossgelände, ein Walburgen- und Engelsreich, erschaffen vom 2008 verstorbenen Steinbildhauer Ernst Steinacker. "Ich weiß nicht, wie es zusammenhängt, dass man dieses oder jenes im Leben machen muss, ohne dass man dazu einen Auftrag hat." So schrieb Ernst Steinacker in einem Buch über Schloss Spielberg. Im Alter von 64 Jahren hat der Künstler begonnen, diese Schlossanlage mit Kapelle zu renovieren, ein eigensinniger Pfundskerl, dem wir viel zu verdanken haben – auch unzählige spirituelle Anknüpfungspunkte in seiner Kunst!

Ausführliche Entdeckungsreise

Ich treffe mich hier mit einer schon geimpften Freundin, und wir sind beseelt vom Wiedersehen und von der Gesellschaft der Steinacker-Figuren. Wir vergessen die Zeit und machen uns auf eine ausführliche Entdeckungsreise rund um die Schlossmauer und in den Innenhof.

Von Gunzenhausen nach Heidenheim: Pilgern zu Powerfrau Walburga

© Foto: Babett Guthmann

Beim weiteren Wanderweg bis zu Walburgas Klosterheimat nach Heidenheim dominiert der Eigensinn: Die Jakobsmuschel leitet die Pilgerschar links von der Straße nach Heidenheim in Richtung Käsrinne und dann ein viel zu langes Stück an einer Straße entlang. Deshalb in Spielberg lieber von der Jakobswegroute abweichen und den Schildern des Altmühltal-Panoramawegs und des Quellenwegs folgen, wobei man den Abzweig nach Heidenheim – am Naturfreibad vorbei – nicht verpassen sollte.


Steinerne Rinne: Hier besser die Finger vom Bärlauch lassen


Dieser Wald ist derzeit eine nach Bärlauch duftende Naturkathedrale! Wir Pilgerinnen entdecken Schlüsselblumeninseln ein wenig abseits des Weges, und ich kann der Versuchung nicht widerstehen, mal kurz Schulter an Schulter mit einer Person mit vollständigem Impfschutz im Grünen zu sitzen. Hoffentlich gibt es bald mehr geimpfte Schultern zum Anlehnen!

Würdiges Ziel

Das Kloster in Heidenheim ist ein würdiges Ziel dieser Wanderetappe. Der Kreuzgang ist täglich von 9 bis 16 Uhr geöffnet, während Klosterladen und alle Angebote, die unter die Rubrik "geistliches Leben" fallen, derzeit pausieren müssen. Die Heilige Walburga erwartet die Pilger im Innenhof. Im Kreuzgang gibt es gut aufbereitete Informationen zum Kloster und zur Christianisierung, aber ich bleibe in meiner Rolle als Pilgerin ganz nah bei der Benediktinerin und Äbtissin Walburga, Gründerin eines Doppelklosters für Frauen und Männer, was damals wohl eine ziemliche Sensation gewesen sein muss.

Der Legende nach hatte es Walburga nicht immer einfach mit ihren Mönchsbrüdern. So bat Walburga nach dem Abendgebet einen Mönch, ihr mit seiner Fackel den Weg in den Schlafsaal zu beleuchten. Dieser wollte sich von einer Nonne – und sei es auch die Äbtissin – keine Ansagen machen lassen und verweigerte die Begleitung. Da nahm Walburga eine kleine Funzelkerze und ging allein. Als sie mit ihrem kleinen Licht im stockfinsteren Schlafsaal anlangte, erstrahlte ihr Kerzenlicht so wunderbar hell, dass der Saal wie in Gold getaucht funkelte. So geht das mit Heiligenlegenden: Die innere Lichtgestalt der Powerfrau Walburga wird ins Sichtbare umdeutet.

Neben der Turmuhr aus dem 18. Jahrhundert – die noch funktioniert – finde ich eine Information zu den klösterlichen Chorgebeten. Diese gaben dem Tagesplan der benediktinischen Nonnen und Mönche ein festes Raster. Die Mittagshore teilte den Arbeitstag. Zu dieser Tageszeit wurde Gott gebeten, er möge die "wechselhafte Zeit" lenken und die Menschen zur Schwesterlichkeit respektive Brüderlichkeit anleiten. Ja, wechselhafte Zeiten, da können wir derzeit gut mitreden oder mitbeten.

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