Fall 6 von "Freude für alle"

Wohnungslos mit 72? Einer Nürnberger Rentnerin droht nach 40 Jahren der Verlust ihrer Wohnung

Wolfgang Heilig-Achneck

Lokalredaktion

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23.11.2023, 14:26 Uhr
Teodora D. legt die Hände - hier ein Symbolbild - zwar nicht in den Schoß, muss aber fürchten, noch im Alter ihre Wohnung zu verlieren. 

© imago images/Westend61, NNZ Teodora D. legt die Hände - hier ein Symbolbild - zwar nicht in den Schoß, muss aber fürchten, noch im Alter ihre Wohnung zu verlieren. 

Das Schreiben ist höflich, aber bestimmt: Bis zum Jahresende müsse sie ihre Wohnung vollständig geräumt haben, heißt es da unter der Überschrift "Erinnerung". Und noch einmal mit sich reden lassen wolle er nicht, daran lässt der Hauseigentümer in seinem Brief keinen Zweifel. Wie aber soll ihr das gelingen? So rasch eine andere Wohnung zu finden und einen Umzug zu stemmen, noch dazu vor einer anstehenden Herz-OP?

Teodora D. (Name geändert) ist verzweifelt und kann nur den Kopf schütteln. Seit ein paar Monaten ist sie Witwe, ihr Mann hatte sich um derartige Fragen gekümmert - und sie ist nun einfach ratlos, was sie der Reihe nach unternehmen soll und muss. Schwer tut sich die Rentnerin schon im Umgang mit dem Vermieter. Der hat den Altbau erst vor ein paar Jahren erworben - und vorbei war's mit dem guten Verhältnis, das es mit dem früheren Eigentümer gegeben hatte. "Es ist hier zwar sehr feucht, alles müsste einmal renoviert werden", meint sie. Aber bleiben will sie trotzdem.

Eng und schummrig

Dabei ist es furchtbar eng und schummrig. Nur im Wohnzimmer gibt es einen Ofen, die monatlichen Abschläge sind so hoch, dass ihr am Ende nur das Allernötigste zum Leben bleibt. "Aber es ist doch mein Zuhause, schon seit 40 Jahren." Und es fällt ihr schwer, sich auch nur vorzustellen, noch einmal den Ort zu wechseln und womöglich zu entfernten Verwandten zu ziehen.

Dank der langen Mietdauer kann sie auch nicht ohne weiteres auf die Straße gesetzt werden. Und Zahlungen sei sie jedenfalls nie schuldig geblieben, beteuert die Seniorin. Eine neue Bleibe zu suchen und zu finden, dürfte sie indes ziemlich überfordern. Schon die Anmeldung bei Wohnungsgesellschaften stellt für sie eine Riesenhürde dar. Denn dort sind Bewerbungen heutzutage fast nur noch online möglich - und über einen Computer verfügt sie nicht. Ebenso wenig über Enkel, die das für sie übernehmen könnten. Vielleicht wäre sie in einem Betreuten Wohnen bald besser aufgehoben, aber das kann sie sich mit ihrer schmalen Rente kaum leisten.

"Ohne die Feuchtigkeit würde er noch leben"

So wird vermutlich die vom Hauseigentümer gesetzte Frist einfach verstreichen - und Teodora D. auch den Jahreswechsel noch in ihrer vertrauten Umgebung erleben. Dabei setzt ihr die Einsamkeit zu, die Trauer über den Verlust ihres Mannes scheint noch übermächtig: Vor seinem Bild flackern auf der Kommode zwei Kerzen. Er sei er unter dem früheren Besitzer lange als Hausmeister tätig gewesen, erzählt sie. Zu Jahresbeginn erlag er einer Lungenentzündung. "Ohne die Feuchtigkeit hier würde er vielleicht noch leben", sinniert Teodora D.

Aus einer Schublade zieht sie einen dicken Umschlag, in dem sie alle "offizielle" Post sammelt. Doch eine reguläre Kündigung findet sich nicht darin. Hat sie wirklich nie eine solche erhalten? Oder das verdrängt? Nicht ausgeschlossen allerdings, dass ihr kürzlich verstorbener Mann ihr doch etwas verheimlicht und vorenthalten hat, zum Beispiel Mietschulden. "Da gibt es noch einiges zu klären", stellt auch die Mitarbeiterin des Sozialpädagogischen Fachdienstes beim Sozialamt fest, das zugleich die erste Adresse bei drohendem Wohnungsverlust ist. Sie hat die 72-Jährige der Weihnachtsaktion ans Herz gelegt, als Beispiel für die wachsende Altersarmut, die verschiedene Aspekte umfasst - und um sie wenigstens punktuell etwas zu entlasten.

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