Viele weite Bälle

Immer passiver: Der Wandel der Fürther Spielweise lässt sich mit Daten belegen

Michael Fischer

Nürnberger Nachrichten

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6.10.2022, 17:00 Uhr
Hoch und weit statt Fürther Flachpass: Damian Michalski und seine Kollegen müssen derzeit oft in Kopfballduelle

© Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink Hoch und weit statt Fürther Flachpass: Damian Michalski und seine Kollegen müssen derzeit oft in Kopfballduelle

Vor knapp fünf Monaten stellte sich Marc Schneider in einem kleinen Video vor. Man sah den neuen Trainer des Kleeblatts in der Stadt, am Trainingszentrum und im Ronhof - fast immer mit einem Lächeln im Gesicht. In dem knapp dreiminütigen Clip sprach Schneider auch über seine Idee von Fußball. "Offensiv, kreativ, mit einer hohen Intensität, das ist meine Art und Weise, Fußball zu spielen", sagte er damals, "dass es Freude macht, auf dem Platz zu sein und auch Freude macht, zuzusehen, dass man erkennt, dass das Kleeblatt auf dem Platz steht".

Beim Saisonauftakt gegen Kiel Mitte Juli machte es dann tatsächlich Freude, dem offensiven und kreativen Kleeblatt zuzusehen - auch wenn es am Ende nur 2:2 stand. Doch in den Wochen danach ging die vermeintliche Fürther Identität, die Philosophie des "dominanten und schön anzuschauenden Offensivfußballs", von der Geschäftsführer Rachid Azzouzi mal sprach, mit jedem weiteren Spiel ein bisschen mehr verloren. Einzig beim bitteren 1:3 gegen Kaiserslautern sah man in der ersten Hälfte noch, wozu diese Mannschaft in der Lage ist.


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Die Niederlage gegen den Aufsteiger war ein klarer Bruch in Sachen Spielphilosophie, der sich auch beim Blick auf verschiedenste Daten belegen lässt. Auf Kontrolle und Dominanz setzt man beim Kleeblatt seitdem nicht mehr, stattdessen steht vor allem die derzeit vielzitierte "Stabilität" im Vordergrund. Spielten die Fürther gegen Kaiserslautern pro Ballbesitzphase noch über fünf Pässe, lag dieser Wert danach nur noch bei etwa 2,5 - selbst gegen einen tiefstehenden Gegner wie zuletzt den SV Sandhausen waren es nur 3,7.

Auch das in der Vorbereitung trainierte intensive und frühe Pressing, vor allem auf die gegnerischen Außenverteidiger, sieht man derzeit kaum mehr. Das bestätigt ein Blick auf die "Passes per defensive action" (PPDA), zu Deutsch: Pässe pro Defensivaktion. Ließ das Kleeblatt gegen Kaiserslautern nur im Schnitt fünf gegnerische Pässe zu, stieg dieser Wert in den Wochen darauf ins Zweistellige - mit dem Höhepunkt des Paderborn-Spiels, als die Gäste knapp 20 Pässe spielen durften, bis mal ein Fürther an den Ball kam.

Im Ballbesitz ist vom Fürther Flachpass nur noch wenig zu sehen. Der Anteil langer Bälle im Spielaufbau lag gegen Kaiserslautern noch bei fünf und in Hannover bei elf Prozent, gegen Sankt Pauli und Magdeburg knapp unter und gegen Paderborn sogar über 18 Prozent. Fast jeder fünfte Ball wurde also hoch und weit nach vorne geschlagen, selbst gegen die tiefstehenden Sandhäuser waren es noch über zwölf Prozent.

Die vielen langen Bälle, die der eigenen Philosophie diametral entgegenstehen, ärgerten auch Trainer Marc Schneider. "Es hängt immer an den Angeboten, die wollen wir so hoch wie möglich halten, dass es flach immer eine Option gibt", sagte der Trainer nach dem Sandhausen-Spiel. "Aus meiner Sicht gab es diese, die Spieler haben sich aber anders entschieden. Das ist Fußball, die Spieler müssen die Entscheidungen auf dem Platz treffen. Manchmal treffen sie die richtigen, manchmal die weniger guten Entscheidungen."

Warum das so ist, erklärte Julian Green. "In unserer Situation ist es nicht so leicht", befand der Mittelfeldspieler. "Da ist es normal, dass du in gewissen Situationen nicht die Leichtigkeit hast, dich rauszuspielen." Diese Leichtigkeit soll mit einem Sieg am Freitagabend (18.30/Sky) in Regensburg zurückkehren - egal wie. "Wenn wir die Tore machen, gewinnen wir 3:1", sagte Schneider zuletzt, "und niemand diskutiert, ob der Flachpass jetzt kommt oder nicht."

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