Entgleistes Großprojekt

Geheimdokument enthüllt: Stuttgart 21 wird nochmal deutlich teurer

Georgios Tsakiridis

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13.10.2023, 20:20 Uhr
Baustelle Hauptbahnhof, Projekt Stuttgart 21. Das Dach der künftigen unterirdischen Bahnsteighalle ist weitgehend geschlossen. 

© IMAGO/Arnulf Hettrich Baustelle Hauptbahnhof, Projekt Stuttgart 21. Das Dach der künftigen unterirdischen Bahnsteighalle ist weitgehend geschlossen. 

"Ich muss mit Erschrecken feststellen, dass alle Befürchtungen der Kritiker sich bewahrheiten. Dieses Projekt ist und bleibt eine kapitale und folgenschwere Fehlentscheidung". Diesen Satz hat der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) Anfang 2018 über Stuttgart 21 gegenüber der "dpa" geäußert, nachdem bekannt geworden war, dass die Kosten für das Mega-Projekt die 8 Milliarden Euro-Marke übersteigen würden.

Wegen wiederholter Verzögerungen und Kostensteigerungen wird Stuttgart 21 längst in einem Atemzug mit anderen bundesweiten Finanz-Desastern wie der Hamburger Elbphilharmonie und dem Flughafen Berlin Brandenburg (BER) genannt. Wie der "Spiegel" jetzt erfahren haben will, sollen die Kosten erneut massiv steigen.

Das geht aus einem streng vertraulichen Dokument des DB-Konzerns hervor, das dem Blatt offenbar vorliegt. Die Informationen darin bergen reichlich Zündstoff für die die Debatte um das Milliardengrab: So soll das Projekt 2025 voraussichtlich nicht in vollem Umfang in Betrieb gehen können. Außerdem steigen die Gesamtkosten auf insgesamt 9,76 Milliarden Euro - also noch einmal 614 Millionen Euro mehr als noch 2022 ver­anschlagt. Grund für die Neukalkulation seien Preiserhöhungen beim Bau und Verzögerungen bei der Entwicklung digitaler Zugsicherungen. Zur Inbetriebnahme steht zu befürchten, dass die neuen Systeme voraussichtlich "nicht alle Funktionalitäten beinhalten".

Auch das Empfangsgebäude des neuen Bahnhofs soll laut dem geheimen Papier nicht fristgerecht fertig werden. Aufgrund mangelhafter Planungsqualität seien die Arbeiten weiterhin stark verzögert, heißt es. Es würden nun die "Bauteile des Gebäudes priorisiert", die für die Inbetriebnahme besonders relevant seien. Weiter soll in dem Dokument der pikante Satz stehen: "Die Gesamtfertigstellung Hauptbahnhof befindet sich weiterhin auf dem kritischen Pfad." Zu allem Überfluss sollen zudem Probleme bei der Stromversorgung drohen, da aktuell die Versorgung aus dem Netz des Netzbetreibers nicht gesichert sei.

Mit den Mehrkosten von 614 Millionen Euro schöpft die Bahn ihren 640 Millionen Euro schweren Vorsorgetopf für das Projekt fast vollständig aus. Zum Vergleich: Der Kostenrahmen mit Puffer lag 2009 laut "dpa" noch bei rund 4,5 Milliarden Euro. Im zweiten Halbjahr 2023 sollen Kosten und Zeitplan überprüft werden, schreibt der "Spiegel". Da aber die Fortführung des Projektes wirtschaftlicher ist als ein Abbruch, wie der Aufsichtsrat bereits 2018 angemerkt hat, gibt es kein Zurück mehr für das Milliardengrab Stuttgart 21.

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