Jugendsünde oder Extremismus

Leserumfrage der Woche: Flugblatt-Affäre - ist ein Politiker wie Hubert Aiwanger noch tragbar?

Simone Moser

Redakteurin NN.de

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31.8.2023, 15:11 Uhr
Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert.

© Tobias C. Köhler/dpa Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert.

"Es darf jetzt auch nichts mehr dazukommen": Mit diesem Satz warnt Markus Söder Hubert Aiwanger in einem Statement nach Bekanntwerden der Flugblatt-Affäre, doch nur wenige Stunden später werden neue Vorwürfe laut. War Hubert Aiwanger als Schüler regelmäßig als Antisemit und Hitler-Freund aufgefallen?

Die Debatte um Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger entfachte nur sechs Wochen vor der bayerischen Landtagswahl, als ein antisemitisches Flugblatt in den Medien auftauchte, welches im Schuljahr 1987/88 im Schulranzen des damals 17-jährigen Schülers gefunden wurde. Doch den Vorwurf, Hubert Aiwanger selbst sei der Verfasser des menschenverachtenden Blattes, wies der Wirtschaftsminister noch am selben Tag von sich. Die Verantwortung übernahm kurz darauf Aiwangers älterer Bruder Helmut.

Dieses antisemitische Flugblatt wurde 1988 in Hubert Aiwangers Schultasche gefunden. 

Dieses antisemitische Flugblatt wurde 1988 in Hubert Aiwangers Schultasche gefunden.  © Screenshot, NNZ

Während sich die Freien Wähler hinter ihren Chef stellen und den Fall damit als "erledigt" sehen, fordern andere Konsequenzen. Konsequenzen, die für Markus Söder, Bayerns Ministerpräsidenten, nicht in der Entlassung aus dem Amt, sondern in der Beantwortung von 25 Fragen liegen. Und sein Stellvertreter dürfe jetzt nichts mehr dazukommen lassen.

Dieser Satz ist gerade ganz ausgesprochen, da prasseln prompt die nächsten Vorwürfe gegen Aiwanger ein. Ein ehemaliger Mitschüler erzählt von Hitler-Ansprachen, judenfeindlichen Witzen und vom Schüler Hubert Aiwanger, der das Klassenzimmer mit Hitlergruß betritt. Daran könne Aiwanger sich nicht erinnern, beteuert er wenig später. Der 52-Jährige sei "weder Antisemit noch Extremist". Es seien zwar "ein oder wenige Exemplare" des "abscheulichen" Flugblatts in seiner Tasche gefunden worden, dafür sei er aber zum Direktor zitiert worden und habe ein Straf-Referat halten müssen. Heute sei Aiwanger "aus tiefstem Herzen Demokrat und Menschenfreund".

Heute - doch was war früher? Verjähren "Jugendsünden" irgendwann? Kann sich ein Menschenbild, welches man als Schüler propagiert, im Erwachsenenalter so radikal verändern? Und wenn ja, ist es dann fair, so sehr in der Vergangenheit von Politikern zu wühlen?

Fragen über Fragen, die zurecht gerade in der Politik und der Bevölkerung laut werden. Und allen voran steht die Frage, die wir heute auch Ihnen stellen wollen: Ist ein Politiker wie Hubert Aiwanger nach der Flugblatt-Affäre noch tragbar?

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