Kräftemangel und geringe Löhne

Und schon wieder wird gestreikt - was tun, wenn sich nichts ändert?

Mira Bharti

Lokales Praktikantin

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5.5.2022, 18:23 Uhr
Die Menschenmassen zogen über den Rathenauplatz in Richtung Straße der Kinderrechte. 

© Mira Bharti, NNZ Die Menschenmassen zogen über den Rathenauplatz in Richtung Straße der Kinderrechte. 

"Es trifft die Kolleginnen aus der gesamten Sozialarbeit. Aber gemeint sind wir alle, denn wir alle profitieren von dem aufopferungsvollen Einsatz der Kolleginnen. Wir alle wollen unsere Kinder versorgt wissen. Aber wie soll das unter den aktuellen Bedingungen funktionieren?", laut und durchdringend tönten diese Worte am Mittwoch über den Sebalder Platz.

Um fünf nach zwölf Uhr hatten sich dort mehrere hundert Menschen versammelt, um gegen die Missstände im Bereich der sozialen Arbeit zu demonstrieren. Dass es wahrlich fünf nach zwölf ist, wurde jedem Passanten schnell klar. Die Menschenmassen tanzten zwar auch zur Musik, doch die Stimmung war aufgeheizt. Viele waren extra mit Bussen aus Erlangen und Forchheim gekommen, um den Nürnberger Demonstranten tatkräftig beiseitezustehen.

Veronika Dippacher, Erzieherin aus Hausen, ist zur solidarischen Unterstützung ihrer Kolleginnen und Kollegen da.

Veronika Dippacher, Erzieherin aus Hausen, ist zur solidarischen Unterstützung ihrer Kolleginnen und Kollegen da. © Mira Bharti, NNZ

Schon um 10 Uhr waren sie vom Maffeiplatz aus losgezogen, das Ziel war die Straße der Kinderrechte. Dem einsetzenden Regen trotzend, hatte sie ihrem Ärger Luft gemacht. Die Gewerkschaf ver.di hatte die Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen und im schulischen Ganztag in den Streik gerufen. Am Montag streikten Einrichtungen der Sozialen Arbeit und am Dienstag Einrichtungen der Behindertenhilfe. Die zwei Erzieherinnen Veronika Dippacher und Sarah Widow sowie der Stadtratsmitarbeiter Karl Roese äußerten sich zu der Thematik:

Welche Forderungen stellen Sie persönlich an den Staat und die Kommune?

Veronika Dippacher: "Wir wollen mehr Zeit für Vorbereitungen haben und grundsätzlich ein höheres Gehalt, das an die Tarifgruppen angepasst ist. Und wir wollen mehr Zeit für die Kinder haben."

Fünf nach zwölf - unter dem Motto versammelten sich die Demonstranten vor der Sankt Sebaldus Kirche. 

Fünf nach zwölf - unter dem Motto versammelten sich die Demonstranten vor der Sankt Sebaldus Kirche.  © Mira Bharti, NNZ

Karl Roese: "Also ich bin jetzt hier politisch nur kommunal aufgestellt. Was Land und Bund angeht, ist mir manches nicht so geläufig. Aber an die Kommune habe ich die Forderung, hier endlich zu reagieren. Denn die Kommune hat für vielen Scheiß, das sage ich jetzt ganz bewusst, Geld übrig. Die 17.000 Euro, die die Bekundung, dass Nürnberg an der Landesgartenschau 2030 teilnehmen will, gekostet hat - die Gelder hätte man hier herein stecken können. Und dann wäre da schon mal was abgefangen. Hier muss sich gewaltig ein Umdenken durchsetzen. Dass der soziale Bereich endlich mal mehr gefördert wird und die Prestigeobjekte, wie das Opernhaus, die Konzerthalle und Frankenschnellweg - ganz besonders der - zurückgefahren werden, um Gelder freizuhaben für die tatsächlichen Aufgaben.

Sarah Widow: "Dass vor allem die Gruppen kleiner und mehr Leute eingestellt werden. Weil wir momentan sehr große Gruppen haben und viel zu wenig Fachkräfte.

Worunter haben Sie am meisten zu leiden?

Dippacher: "Wir leiden zum einen unter chronischem Personalmangel, darunter, dass immer wieder jemand ausfällt, alles spontan und anders als geplant abläuft. Zum anderen darunter, dass wir keine Zeit für Dinge haben, die wir uns vorgenommen haben, sondern, dass von dem schönen pädagogischen Alltag meistens nur eine Notbetreuung, im Sinne von zu wenig Personal, zu viele Kinder stattfinden muss."

Roese: "Ich bin hier jetzt solidarisch dabei, als Stadtratsmitarbeiter. Das ist uns sehr wichtig, dass wir das mit unterstützen. Ich komme aus dem Handwerk. Und ich weiß auch, dass viele Handwerksberufe relativ schlecht bezahlt werden - dass ein würdiges Leben oftmals nicht möglich ist. Daher muss unbedingt aufgestockt werden.

Widow: "Es belastet schon, psychisch, wie körperlich, wenn viel Personal fehlt und du die Gruppe nur allein oder zu zweit machen musst. Man muss darauf achten, dass der ganze Laden abgedeckt ist - dass die Öffnungszeiten offengehalten werden können, für die Eltern.

Haben Sie Vorschläge für einzelne Verbesserungen oder Konzepte?

Dippacher: "Kleinere Gruppen, mehr Personal und viel Vorbereitungszeit."

Roese: "Die Gelder umverlagern, raus aus den Prestigeobjekten. Die Kulturreferentin pflegt ihre Projekte. Aber es gab mal einen Referenten für Kultur hier in Nürnberg, der meinte: Kultur muss für alle dasein. Und da gehört auch der Erzieherberuf dazu. Das ist ein Stück Lebenskultur, Gesellschaftskultur. Und das muss wesentlich mehr gestärkt werden."

Widow: "Es ist schwierig. Wir schreiben oft aus, doch der Fachmarkt ist leer. Das muss einfach noch ein wenig attraktiver gemacht werden - vielleicht auch für Männer. Vor allem die Bezahlung, dass vielleicht auch wieder mehr Männer in den Job gehen. Viele Männer in Ausbildung sagen auch zu uns, sie machen danach weiter und lernen noch was anderes, weil sie so keine Familie ernähren können. Das schafft man einfach nicht."

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