Drogen im Straßenverkehr

Cannabis-Legalisierung und Autofahren: Welcher Grenzwert gilt am Steuer?

Ulla Ellmer

Auto & Mobilität

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5.4.2024, 10:00 Uhr
Wer sich bekifft ans Steuer setzt, muss mit harten Strafen rechnen. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema Cannabis-Legalisierung und Autofahren. 

© IMAGO/Pond5 Images Wer sich bekifft ans Steuer setzt, muss mit harten Strafen rechnen. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema Cannabis-Legalisierung und Autofahren. 

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Jetzt ist es offiziell: Seit dem 1. April können Erwachsene in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen ganz legal Cannabis konsumieren. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie unter dem Einfluss der Droge Auto- oder Motorradfahren dürfen. Zumindest etwas lockerer könnte es in Zukunft jedoch abgehen. Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um das Thema Autofahren und Cannabis-Legalisierung im Überblick.

Das im Cannabis enthaltene Tetrahydrocannabinol (THC) ist eine psychoaktive Substanz. „Sie kann die Reaktions-, Konzentrations- und Wahrnehmungsfähigkeit erheblich einschränken“, sagt Verkehrspsychologe Thomas Wicke von TÜV Süd Pluspunkt. Weitere mögliche Folgen seien starke Müdigkeit, Störungen der Motorik, Selbstüberschätzung, Ausrichten der Wahrnehmung auf irrelevante Nebenreize, Euphorie, erhöhte Lichtempfindlichkeit und das gesteigerte Risiko einer drogeninduzierten Psychose. Daraus lässt sich schon ableiten, wie sehr Kiffen die Fahrtüchtigkeit negativ beeinflussen und das Unfallrisiko erhöhen kann.

Paragraf 24 a des Straßenverkehrsgesetzes regelt zwar, dass Autofahren nach dem Genuss von Cannabis verboten ist. Anders als bei Alkohol hat es aber bisher keinen gesetzlich festgelegten Grenzwert gegeben. Einen Ankerpunkt liefert derzeit nur die gängige Rechtsprechung. Demnach liegt ab 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum (ng/ml) eine Ordnungswidrigkeit vor. Nur der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat bislang zwei Nanogramm toleriert.

Dass das Gesetz keine klar definierte rote Linie für Cannabis-Fahrten im Straßenverkehr zieht, ist schon seit längerem Gegenstand von Kritik. Deshalb hat das Verkehrsministerium eine Expertengruppe eingesetzt, deren Empfehlung nun vorliegt. Sie richtet sich auf einen Grenzwert von 3,5 Nanogramm, was vergleichbar mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille sei. Zudem soll bei Cannabiskonsum ein absolutes Alkoholverbot am Steuer gelten. Der neue Grenzwert ist bereits auf Kritik gestoßen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) beispielsweise fordert einen besonderen und niedrigeren Wert für Fahranfänger und Fahrer von Gefahrguttransporten. Manfred Wirsch, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR), plädiert sogar dafür, dass dieser Gruppe ein absolutes Cannabis-Verbot auferlegt wird.

Der Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar hingegen hat sich bereits im August 2022 für eine „maßvolle Anhebung“ des Limits ausgesprochen. Dahinter steckt die Argumentation, dass die niedrige Schwelle von 1,0 Nanogramm keinen validen Rückschluss auf eine beeinträchtigte Fahrsicherheit erlaube. „Wir brauchen idealerweise einen THC-Grenzwert, der gelegentlich kiffende, aber fahrtaugliche Autofahrer nicht kriminalisiert“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft.

Ungleich länger als Alkohol, der sich vergleichsweise schnell abbaut, eine (nicht verlässliche!) Faustregel geht von etwa 0,1 bis 0,2 Promille pro Stunde aus. Selbst bei einmaligem Cannabis-Genuss dauert es aber mindestens einen Monat, bis sich im Blutserum beziehungsweise Urin überhaupt keine Abbauprodukte mehr nachweisen lassen. Regelmäßige Konsumenten sind womöglich erst nach drei Monaten oder noch später wieder durchweg „clean“. 24 Stunden sind das Mindeste, was ein einmaliger Kiffer abwarten sollte, bevor er sich wieder ans Steuer setzt.

Die lange Abbauzeit ist auch der Grund, weshalb sich die erwähnte Expertengruppe für neue Messverfahren ausgesprochen hat, die akuten Cannabiskonsum in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer Autofahrt nachweisen. Nach Ansicht von Fachleuten kann der THC-Test bei der jetzigen Handhabung auch dann noch „positiv“ ausfallen, wenn die berauschende und damit verkehrsgefährdende Wirkung des Cannabis längst verfolgen ist.

Sehr harte. „Cannabis-Konsumenten muss unmissverständlich klar gemacht werden, dass eine berauschte Teilnahme am Straßenverkehr kein Kavaliersdelikt ist“, erklärt DVR-Präsident Wirsch. Wer das erste Mal mit zu viel THC im Blutserum erwischt wird, muss mit 500 Euro Bußgeld, zwei Flensburg-Punkten und einem einmonatigen Fahrverbot rechnen. Der Zweitverstoß kostet 1000 Euro, ebenfalls zwei Punkte und drei Monate Fahrverbot. Beim dritten Mal erhöht sich „nur“ das Bußgeld noch auf 1500 Euro.

Wer unter Drogeneinfluss eine Straßenverkehrsgefährdung begeht und/oder absolut fahruntüchtig ist, macht sich einer Straftat schuldig und kann sogar mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe belegt werden.

Die Konsequenzen gelten auch für bekiffte Fahrradfahrer.

Zudem wird die Fahrerlaubnisbehörde eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) anordnen – übrigens auch dann, wenn sie vom Cannabis-Konsum eines Führerscheininhabers erfährt, der gar kein Straßenverkehrsdelikt begangen hat.

Ja – eine sehr hohe sogar. Die MPU muss erst erfolgreich bestanden werden, bevor man den Führerschein behalten darf beziehungsweise zurückbekommt. Der Weg dorthin ist lang, steinig und teuer. Im ersten Schritt wird ein THC-Abstinenznachweis verlangt. Weil sich die Droge nur sehr langsam im Körper abbaut, werden mindestens sechs Monate Abstinenz angesetzt, während denen sich der oder die Betroffene kurzfristig anberaumter Urin- oder Haaranalysen unterziehen muss. Erst danach beginnt die Phase der eigentlichen medizinisch-psychologischen Tests und Gespräche. Ein Jahr zieht so gut und gern ins Land. Und es können schnell ein paar Tausend Euro an Kosten zusammenkommen – vor allem dann, wenn man sich anwaltlichen Beistand holt und MPU-Vorbereitungskurse belegt.

„Personen, die unter Cannabis-Einfluss einen Unfall verursachen, handeln grob fahrlässig und verletzen damit ihre Sorgfaltspflicht“, warnt Alexander Held, Kfz-Experte der Verti-Versicherung. Dies könne dazu führen, dass die Kaskoversicherung die Leistungen kürzt oder sogar ganz verweigert. Unfallopfer werden von der Kfz-Haftpflicht zwar entschädigt. Laut Held kann die Assekuranz aber bis zu 5000 Euro vom Verursacher zurückfordern.

Ja. Hier gilt das sogenannte Medikamentenprivileg. Solange die vom Arzt - zum Beispiel im Rahmen einer Schmerztherapie - verordnete Arznei bestimmungsgemäß eingenommen wird und keine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit vorliegt, bleibt die THC-Grenzwertüberschreitung folgenlos.

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