Bidirektionales Laden, Solardach

Fahrbericht: Elektrischer Hyundai Ioniq 5

Ulla Ellmer

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24.6.2022, 22:34 Uhr
Der Aerodynamik wegen besitzt der Ioniq 5 bündig versenkte Türgriffe.

© Hersteller Der Aerodynamik wegen besitzt der Ioniq 5 bündig versenkte Türgriffe.

Wie er aussieht: War irgendwann irgendwer mal der Meinung, dass Hyundai konservative Autos baut? Dann willkommen beim Ioniq 5: Weiter entfernt von fad geht kaum. Der 4,64 Meter lange Koreaner legt einen Auftritt hin, der beim Betrachter gleichermaßen die Assoziationen „retro“ wie „futuristisch“ weckt. Unentschlossen sieht das aber nicht aus, sondern im Gegenteil konsequent cool.

Und was ist er, der Ioniq 5? Ein Elektroauto, eh klar. Wir blättern in den Presseunterlagen und erfahren, dass es sich konzeptionell um ein CUV handelt, was als Crossover Utility Vehicle zu entschlüsseln wäre, ein SUV mit sportcoupéhaftem Einschlag also.

Mit dem ersten Ioniq – dem ohne 5, dem, dessen Produktion jetzt eingestellt wird – hat der Ioniq 5 übrigens rein gar nichts zu tun. Er basiert auf der neu entwickelten Elektro-Plattform E-GMP und ist insofern mit dem Kia EV6 und dem Genesis GV60 verschwistert. Ansonsten tummeln sich im Konkurrenzumfeld beispielsweise der VW ID.4 oder der Ford Mustang Mach-E.

Display-Duo: Die beiden Bildschirme fügen sich zu einer Einheit.

Display-Duo: Die beiden Bildschirme fügen sich zu einer Einheit. © Hersteller

Wie er eingerichtet ist: Toll – licht, clean und modern. Vor dem Fahrer erstreckt sich ein weißes Panel, das zwei Bildschirme integriert, einen für die fahrrelevanten Informationen und über Tasten am Lenkrad zu konfigurieren, außerdem einen Touchscreen fürs Infotainment. Viele Hersteller lassen sich vom Ehrgeiz leiten, so gut wie alle Funktionen in irgendwelchen Untermenüs zu verstecken, und so feiern wir inzwischen jeden klassischen Knopf und jeden Schalter. Im Ioniq 5 gibt es noch einige davon, den Drehregler für die Lautstärke beispielsweise, die Sensorfelder für Temperatur und Gebläse und die Direktwahltasten für Karte, Navigation und Media. Nur um die Sitz- und -Lenkradheizung anzusteuern, muss man dann doch den unkomfortablen Weg ins Infotainment gehen.

Ausschließlich der Top-Ausstattung „Uniq“ vorbehalten bleibt das Head-up-Display mit Augmented-Reality-Darstellung. Da gehört es dann aber gleich zur Serienausstattung. Das Smartphone lädt induktiv, muss jedoch – Stichwort CarPlay und Android Auto – noch per Kabel angeschlossen werden. Und die Sprachsteuerung funktioniert leider nur mittelgut.

Fürs Nachhaltigkeits-Protokoll: Oberflächen wie der Armaturenträger oder das Lenkrad sind mit einem Bio-Lack beschichtet, der aus Raps- und Maisöl gewonnen wird, in den Fußmatten wird Econyl verarbeitet, ein Recycling-Material, das Meeresabfälle wie Fischernetze beinhaltet, und die Sitzpolster weisen Fasern aus Bio-Zuckerrohr und Garne auf Pflanzenölbasis auf. Um Leder kommt man in den beiden Top-Levels „Techniq“ und „Uniq“ allerdings nicht herum. Zumindest, sagt Hyundai, sei es mit Pflanzenlextrakten aus Leinsamen gefärbt und behandelt worden.

Praktisch: An der Rücksitzbank befindet sich eine 230V-Steckdose. Und die Verarbeitungsqualität des Interieurs muss den Vergleich mit deutscher Premium-Konkurrenz nicht scheuen.

Der E-Automobilist weiß Bescheid: Ein solches Zusatzfach unter der Fronthaube heißt "Frunk".

Der E-Automobilist weiß Bescheid: Ein solches Zusatzfach unter der Fronthaube heißt "Frunk". © Hersteller

Wie viel Platz er hat: Das schon subjektiv lichte Raumgefühl bestätigt sich bei der Sitzprobe. Kein Wunder, der Radstand misst opulente drei Meter, entsprechend üppig fällt die Beinfreiheit aus. Die Abwesenheit eines Mitteltunnels führt dazu, dass vorne wie hinten ein durchgehender Fußraum entsteht, die Raumhöhe wird auch Mitreisende von basketballkompatibler Körpergröße nicht in Not bringen. Mittig im Fußraum nimmt eine kleine Höhle das Einliter-Gebinde Mineralwasser auf, unter der verschiebbaren Mittelarmlehne tut sich ein weiteres Staufach auf.

Wer das Relax-Paket (1100 Euro) bucht, erhält die Möglichkeit, die Vordersitze nahezu in Liegeposition zu versetzen und während der Ladepause ein erholsames Schläfchen einzulegen. Die Rücksitzbank lässt sich elektrisch längs verschieben, so – und durch Umklappen der Lehnen – variiert das Kofferraumvolumen zwischen 527 und 1587 Litern. Zusätzlich gibt es unter der Fronthaube einen „Frunk“, der beim Allradmodell allerdings von auf 57 auf 24 Liter schrumpft. Wir haben die Ladekabel sowieso lieber im rückwärtigen Gepäckabteil und da im Extrafach unter dem Ladeboden untergebracht. Der Zugang über die elektrisch öffnende Heckklappe gestaltet sich einfach bequemer.

Lümmeln während des Ladens: Die Relax-Sitze lassen sich in Ruheposition bringen.

Lümmeln während des Ladens: Die Relax-Sitze lassen sich in Ruheposition bringen. © Hersteller

Nicht unerwähnt bleiben soll noch zweierlei: Erstens die Qualitäten als Zugpferd - der Allrad-Ioniq 5 kann Anhänger von bis zu 1600 Kilogramm in Schlepp nehmen. Und zweitens die Zuladung. Weil der Hyundai-Stromer schon per se ein ziemliches Schwergewicht ist, bleiben nur noch 365 bis 445 Kilogramm. Das hat man schnell beieinander.

Was ihn antreibt: Ein Heck- und ein Frontmotor, die es im Duett auf eine Systemleistung von 225 kW/305 PS sowie ein Drehmoment von 605 Newtonmetern bringen und dem Ioniq 5 zu Allradantrieb verhelfen. Den Strom speichert eine Lithium-Ionen-Batterie der Kapazität 72,6 kWh.

Alternativ gibt es das Allradmodell auch mit kleinerem 58-kWh-Akku und mit 173 kW/235 PS. Oder nur mit Heckantrieb. Die Variante mit 58 kWh leistet 125 kW/170 PS, die mit 72,6 kWh hingegen 160 kW/217 PS.

Wie er sich fährt: Dass der Ioniq 5 leichtfüßig und lebendig vom Fleck kommt und das Ampelduell gegen die Vertreter der alten Verbrenner-Welt locker gewinnt, überrascht nicht, das entspricht nun einmal dem Wesen eines Elektroautos. Beim Kurvenslalom ist er weniger von Sportsgeist beseelt, dem stehen Statur und Gewicht einfach entgegen. Was der Koreaner aber kann, ist das elegant-leise Dahingleiten, nur aggressivere Querfugen nimmt das Fahrwerk – übrigens kein adaptives – mitunter etwas hölzern.

Die "Pixel"-Grafik findet sich häufiger am Ioniq 5 - auch an den Rückleuchten.

Die "Pixel"-Grafik findet sich häufiger am Ioniq 5 - auch an den Rückleuchten. © Hersteller

Dem Fahrer hilfreich zur Seite steht ein umfangreiches Arsenal an elektronischen Assistenten, vom erfreulicherweise nicht rechthaberischen Spurhaltesystem über den Adaptivtempomat, der automatisch die vorgeschriebene Geschwindigkeit einstellt bis hin zum Around-View-Monitor, den wir vor allem beim Rückwärts-Rangieren an die Ladesäule zu schätzen gelernt haben, der Ladeanschluss befindet sich nämlich hinten rechts. Der Aktive Totwinkelassistent wiederum beschickt bei gesetztem Blinker das Fahrerdisplay mit Kamerabildern aus dem uneinsehbaren Bereich. Und wer sich das Ein- und Ausparken besonders einfach machen will, steigt aus, nimmt den Fahrzeugschlüssel zur Hand, überlässt dem ferngesteuerten Einparkassistenten das Kommando und den Augenzeugen das Staunen.

Die drei letztgenannten Systeme bündelt Hyundai zum Park-Paket und verlangt 1200 Euro dafür, dem Topmodell „Uniq“ wird es ab Werk mitgegeben.

Bei 185 km/h regelt die Elektronik ab, eine eher hypothetische Info, denn der auf Reichweitenerhalt bedachte E-Automobilist wird es nur selten so schnell angehen lassen.

Das Solardach kostet 1500 Euro Aufpreis.

Das Solardach kostet 1500 Euro Aufpreis. © Hersteller

Wie weit er kommt: Diese Disziplin studiert der E-Fahrer schon eher mit Interesse. Fangen wir mit der WLTP-Norm an: 460 Kilometer, sagt sie. Na bitte! Doch auch beim Ioniq 5 sollte man sich besser nicht zu früh freuen. Die Praxis bleibt von der Papierform gut 100 Kilometer entfernt, bei sommerlichen Temperaturen erreichten wir nie mehr als 360 Kilometer.

Die Langstrecke lässt sich damit trotzdem gut machen, denn zumindest entlang der Autobahnen gibt es inzwischen etliche Schnellladestationen. Leider muss der Ioniq 5 bei Routen- und Ladeplanung aber noch in einem entscheidenden Punkt dazulernen: Das Navi weist zwar mahnend darauf hin, dass das angepeilte Ziel mit der vorhandenen Akkufüllung nicht zu erreichen ist. Auf Wunsch schlägt es auch Ladestationen vor. Allerdings nicht, in dem es sie gleich ideal in die Routenführung integriert und dabei Turbocharger bevorzugt. Stattdessen wird ein Wust von Ladestellen in der unmittelbaren Umgebung angezeigt, darunter auch jede Menge „Schmalspur“-Stationen. Das können andere Hersteller längst besser, Audi beispielsweise macht seinen E-Kunden das Leben so bedeutend leichter, desgleichen BMW oder Mercedes.

Wer Allradantrieb nicht braucht, spart 4000 Euro - und gewinnt rund 20 Kilometer Reichweite.

Wer Allradantrieb nicht braucht, spart 4000 Euro - und gewinnt rund 20 Kilometer Reichweite. © Hersteller

Auch eine navibasierte Vorkonditionierung der Batterie kann der Ioniq 5 noch nicht leisten.

Hyundai stellt aber eine Fortentwicklung in Aussicht, die in Gestalt eines Software-Updates kommen soll.

Wer auf Allradantrieb verzichtet, gewinnt dafür übrigens an Reichweite, der Hecktriebler schafft nach Norm 481 Kilometer. Und wer die 500 Euro teuren 20-Zoll-Räder nicht braucht, sondern es bei 19-Zöllern belässt, darf weitere 30 Kilometer einkalkulieren.

Wie er lädt: Das Defizit des Navis ist umso bedauerlicher, als der Ioniq 5 bei der Ladetechnik an sich top aufgestellt ist. Er gehört zu den ganz wenigen Elektroautos, die über ein besonders starkes 800-Volt-System verfügen. 220 kW Ladeleistung – das bedeutet, dass im Idealfall 18 Minuten an der entsprechend ertüchtigten Gleichstrom-Ladesäule genügen, um die Hochvoltbatterie von 10 auf 80 Prozent Ladestand zu bringen.

Anstöpseln, schnell einen Kaffee holen oder ein paar Mails checken und dann wieder los – das klappt auch in der Praxis ziemlich gut. Auszug aus unserem Test-Tagebuch: In 13 Minuten füllten sich die Stromreserven von 40 auf 80 Prozent. Weitere 25 Minuten hätte es für die Restbetankung auf 100 Prozent gebraucht. Denn wie bei allen E-Autos dauern die letzten 20 Prozent auch beim Ioniq 5 am längsten. Die Ladekurve ist dann steil abgefallen, von zunächst 225 kW auf 32 kW und darunter.

Über die 800-Volt-Technik hinaus hat der Hyundai-Stromer noch zwei weitere Besonderheiten zu bieten: Zum Aufpreis von 1500 Euro bedeckt sich das Topmodell mit einem Solardach, das unter optimalen Bedingungen – gemessen hat Hyundai in Südeuropa – 1500 Kilometer zusätzlicher Reichweite pro Jahr erzeugen kann. Und dann ist da noch die V2L-Funktion – mittels eines Adapters wird der Ioniq 5 zum Stromspender für externe Verbraucher wie das E-Bike, das Laptop oder den Campinggrill.

800-Volt-Ladetechnik haben sonst nur teuere Edel-Stromer wie der Porsche Taycan oder der Audi e-tron GT.

800-Volt-Ladetechnik haben sonst nur teuere Edel-Stromer wie der Porsche Taycan oder der Audi e-tron GT. © Hersteller

Was er verbraucht: Der Ioniq 5 ist ein verhältnismäßig großes und schweres Auto, hinzu kommt ein nicht rekordverdächtiger Luftwiderstandsbeiwert von 0,29. Der Normverbrauch wird mit 17,7 kWh/100 km beziffert. Bei konstant 130 km/h auf der Autobahn notierten wir 21,6 kWh, „pedal to the metal“ quittierte der Ioniq 5 mit 32,6 kWh, unser Minimalwert – herausgefahren in der Stadt – lag bei 13 kWh. Im zweiwöchigen Mix aus Stadt, Landstraße und Autobahn (bei maßvollem Tempo) ergaben sich 18,3 kWh. Keine Klagen!

Was er bietet: Das Basismodell bringt neben dem Digital-Cockpit unter anderem Voll-LED-Scheinwerfer, Navi, Zweizonen-Klimaautomatik, Sitzheizung, verschiebbare Rücksitzbank, Autobahnassistent (Adaptivtempomat mit Spurhaltesystem) und Rückfahrkamera mit. Ab „Dynamiq“ kommen beispielsweise Autobahnassistent 2.0 (unterstützt beim Fahrbahnwechsel), Totwinkelassistent, Querverkehrswarner mit Notbremsfunktion oder das sinnvolle Batterieheizsystem hinzu, ab „Techniq“ die nicht minder wichtige Wärmepumpe, Voll-LED-Projektionsscheinwerfer oder ein elektrisch einstellbarer Beifahrersitz. Das Topmodell „Uniq“ bietet dann praktisch Vollausstattung, von elektrischer Heckklappe, Around-View-Monitor, Totwinkelassistent mit Monitoranzeige und Head-up-Display bis hin zum Bose-Soundsystem und belüfteten Ledersitzen.

Was er kostet: Ab 49.900 Euro. Der Verzicht auf Allradantrieb spart 4000 Euro. Das sollte man sich überlegen, schon allein des Reichweiten-Gewinns wegen.

Was wir meinen: Der Hyundai Ioniq 5 ist eines der besten Elektroautos, die es derzeit gibt. Angesichts seiner Größe und seines Gewichts fährt er effizient, bietet viel Platz, eine topmoderne Innenarchitektur und eine ungewöhnlich leistungsfähige Ladetechnik. Bei der Sache mit der Routenplanung besteht für Hyundai allerdings noch Handlungsbedarf.

Die Daten des Hyundai Ioniq 5 AWD 72,6 kWh

Antrieb: Je ein Permanent-Synchron-Elektromotor an Hinter- und Vorderachse. Eingang-Reduktionsgetriebe. Allrad.

Leistung: 225 kW/305 PS

Max. Drehmoment: 605 Nm


Batterietyp: Lithium-Ionen

Batteriekapazität: 72,6 kWh

Ladeanschluss: Typ 2, 3-phasig, bis 11 kW und CCS, bis 220 kW


Höchstgeschwindigkeit: 185 km/h (abgeregelt)

Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 5,2 sec

Reichweite WLTP: 460 km

Normverbrauch WLTP: 17,7 kWh/100 km

Testverbrauch: 18,3 kWh/100 km

CO2-Emission: 0 g/km

Energie-Effizienzklasse: A+++


Länge: 4,64 m

Breite: 1,89 m ohne, 2,12 m mit Außenspiegeln

Höhe: 1,61 m

Gepäckraum: 527 – 1587 l plus 27 l („Frunk“)

Leergewicht: 2095 – 2175 kg

Zulässiges Gesamtgewicht: 2540 kg

Zuladung: 365 – 445 kg

Anhängelast: 750 kg ungebremst, 1600 kg gebremst


Versicherungs-Typklassen: 18 (HP), 23 (TK), 26 (VK)

Preis: Ab 49.900 Euro

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