Seat im Hintertreffen

Kostet Cupra Seat das Leben?

Ulla Ellmer

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7.5.2023, 09:51 Uhr
Schicker Showroom: Cupra City-Garage in München.

© Cupra Schicker Showroom: Cupra City-Garage in München.

Seat, fast auf den Tag genau vor 73 Jahren gegründet, gehört seit 1986 zum Volkswagen-Konzern. Ihre Identität im Imperium hat die spanische Tochter aber nie so ganz gefunden. Mal sollte sie für preiswerte „Budget Cars“ zuständig sein, mal „Auto Emoción“ vermitteln. Und immer wieder wurde infrage gestellt, ob Seat überhaupt eine Zukunft im umfangreichen Markenkonglomerat von Audi über VW und Skoda bis hin zu Bentley haben kann.

Cupra auf der Überholspur

Heute sind die Perspektiven ungewisser denn je. Denn vor fünf Jahren ist Seat eine überaus schlagkräftige Konkurrenz aus eigenem Haus erwachsen. Unter Ägide des heutigen Renault-Chefs Luca de Meo wurde die ursprüngliche Ausstattungslinie Cupra im Februar 2018 zu einer eigenständigen Tochtermarke befördert. Und die ist seither mit hohem Tempo auf der Überholspur unterwegs. Cupra – der Name leitet sich von „Cup Racer“ her und nimmt Bezug auf den Motorsport – ist die am schnellsten wachsende Automobilmarke in Europa und hat Seat längst überflügelt. Beispielhaft steht Deutschland, der im Übrigen wichtigste Markt: Während Seat im Jahr 2022 rund 46.900 Auslieferungen verzeichnen konnte und damit ein Minus von 36 Prozent schrieb, legte Cupra mit seinem Zugpferd, dem Crossover Formentor, um fast 90 Prozent zu und brachte es auf 58.400 ausgelieferte Modelle.

Der Formentor ist der mit Abstand meistverkaufte Cupra. Das Topmodell stellt, ganz anachronistisch, der VZ5 mit 390 PS starkem 2,5-l-Fünfzylinder.

Der Formentor ist der mit Abstand meistverkaufte Cupra. Das Topmodell stellt, ganz anachronistisch, der VZ5 mit 390 PS starkem 2,5-l-Fünfzylinder. © Cupra

„Eine Menge Leute haben bezweifelt, dass es diese verrückten Typen aus Spanien schaffen würden, eine neue Marke zu etablieren“, sagt Wayne Griffiths. „Aber in bemerkenswert kurzer Zeit ist es uns gelungen, alle zu überraschen. Offensichtlich haben wir einen Nerv getroffen“. Griffiths, modischer Undercut-Haarschnitt, Jeans und Sneakers, steht in Personalunion nicht nur Cupra vor, sondern auch der Muttermarke Seat. Doch wenn der 57-jährige Brite das Wort ergreift, dann ist viel von Cupra und eher wenig von Seat die Rede. Das Wachstumspotenzial der noch jungen Marke sei enorm, und bereits ab 2030 werde sie vollelektrisch sein.

Kein E-Auto für Seat

Chef von Seat und Cupra: Wayne Griffiths.

Chef von Seat und Cupra: Wayne Griffiths. © Cupra

Mit dem kompakten Born führt Cupra bereits jetzt ein reines E-Auto im Programm, 2024 gesellt sich das SUV-Coupé Tavascan hinzu, 2025 folgt der E-Kleinwagen Urban Rebel als Pendant zum VW ID.2 und einem entsprechenden Skoda-Modell. Bei Seat hingegen gibt es keinen einzigen Stromer, nicht einmal ein Plug-in-Hybrid ist aktuell zu konfigurieren. Selbst auf hartnäckige Nachfragen hin will Griffiths auch für die Zukunft keinen vollelektrischen Seat-Pkw-in Aussicht stellen. Anders als Cupra, das seit dem vergangenen Jahr auch in Australien präsent ist und nun Süd- sowie Nordamerika anpeilt, ist Seat zudem von globalen Expansionsplänen ausgeschlossen.

Cupra inszeniert sich hip und cool, die auch in sogenannten "Cupra Garages" zur Schau gestellten Modelle liegen preislich zwar nicht auf Audi-, aber über Seat-Niveau, das verspricht bessere Erträge. Die Kunden, von denen man als "Tribe" spricht, sind innerhalb des Volkswagen-Konzerns die jüngsten, das Durchschnittsalter des Formentor-Käufers liegt bei 42 Jahren. Zudem erobert Cupra seine Kundschaft zu über 50 Prozent von außerhalb des Konzerns. Damit, so Griffiths, sei für Volkswagen auch eine Chance gegeben, sich gegen all die Branchen-Newcomer von Tesla aus Kalifornien bis BYD aus China in Stellung zu bringen: Mit Cupra führe die Gruppe ja selbst eine neue Marke im Portfolio, die gegenüber der Konkurrenz obendrein ein bereits existentes und sehr gut funktionierendes Händler- und Servicenetz in die Waagschale werfen könne.

Zukunftsperspektive: Der elektrische Kleinwagen Urban Rebel, hier noch als Concept Car.

Zukunftsperspektive: Der elektrische Kleinwagen Urban Rebel, hier noch als Concept Car. © Cupra

All dies nährt die Vermutung, dass es womöglich vorbei sein könnte mit der Muttermarke Seat. "Ein Aus ist nicht geplant", widerspricht Griffiths indes. Noch könne schließlich niemand sagen, wie lange die Transformation hin zur Elektromobilität dauere. Seat sei eine begehrte Makre und werde sich bis Ende des Jahrzehnts weiterhin auf Hybride sowie hocheffiziente Verbrenner konzentrieren und Cupra sukzessive auf E-Autos. Eine Art Arbeitsteilung also. Und danach? "Alle Marken, die sich einer Transformation verschließen, werden verschwinden", prognostiziert Griffiths. Neben elektrischem Fahren gebe es noch einen weiteren Trend, den man bedienen müsse: "Viele junge Menschen wollen kein Auto mehr besitzen, sondern eher Mobilität kaufen". Nicht nur in Barcelona seien längst Diskussionen im Gange, wie innerstädtische Bereiche "demotorisiert" werden könnten. Seat könne sich somit in eine urbane Mobilitätsmarke transformieren.

Seat Mó: Urbane Mobilität mit elektrischen Motorrollern und einem E-Scooter.

Seat Mó: Urbane Mobilität mit elektrischen Motorrollern und einem E-Scooter. © Seat

Der Grundstein ist bereits gelegt. Denn schon jetzt ist Seat mit der Submarke Mó, die elektrische Motorroller und einen E-Scooter anbietet, im Bereich der sogenannten Mikromobilität aktiv. Dieses Geschäftsfeld auszuweiten, auch mit einem vierrädrigen elektrischen Leichtfahrzeug, auch mit Mobilitätslösungen jenseits des (Auto-)Verkaufs, ist wohl die Zukunft, die für Seat vorgesehen ist. Und vielleicht die letzte neue Identität, in die sich die spanische Traditionsmarke einfinden muss.

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