Cannabis ist entkriminalisiert und der Anbau unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Doch reicht das, um den Schwarzmarkt auszutrocknen?
© Hannes P Albert/dpa
Cannabis ist entkriminalisiert und der Anbau unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Doch reicht das, um den Schwarzmarkt auszutrocknen?

So wenig Anreize wie möglich

Nürnberg als Modellregion: Gras für alle? Experten mit klarer Meinung zu Cannabis-Shops

Die Cannabis-Legalisierung ist eine auf Raten. Erst wurde die lange illegale Droge entkriminalisiert und der Eigenanbau erlaubt, jetzt sollen die sogenannten "Cannabis Social Clubs" folgen, in denen Kollektive ohne Gewinn Gras anbauen dürfen. Doch sind die bisherigen Schritte ausreichend, um den Schwarzmarkt auszutrocknen? Menschen, die sich mit der Legalisierung beschäftigen, bezweifeln das. Nun hat das "Science Media Center", eine Institution, die der Wissenschaft eine Stimme geben will, Expertenmeinungen zusammengetragen - mit durchaus überraschenden Ergebnissen.

Wie bereits berichtet, will die Nürnberger SPD die Stadt zur Modellregion machen. In einem räumlich begrenzen Gebiet, das ist der Plan der Bundesregierung, soll erprobt werden, wie sich gewerblicher Anbau und vor allem die Abgabe von Cannabis über lizenzierte Fachgeschäfte auswirkt. Und Nürnberg, so die Sozialdemokraten, solle diesen liberalen Schritt gehen.

Das sagen Experten zu Cannabis-Shops

"Modellprojekte durchzuführen, ist grundsätzlich eine gute Idee", sagt der Schweizer Sucht-Experte Frank Zobel. Er ist Co-Leiter der Forschungsabteilung bei "Sucht Schweiz", einer Stiftung, die die Folgen unter anderem von Drogenkonsum ausleuchten will. "Modellregionen erlauben es, verschiedene Modelle zu testen und zu vergleichen, sowie die Cannabiswelt – beispielsweise Konsumierende und Industrie – besser zu verstehen." Er plädiert allerdings dafür, die Grenzen eng abzustecken. Andernfalls würden nur wirtschaftliche Interessen Überhand gewinnen.

Zobel ist klar gegen die Abgabe über Apotheken, wo Cannabis nicht hingehört. "Supermärkte oder Tabakgeschäfte sind aus Sicht des Gesundheitsschutzes sicher nicht die besten Orte", sagt er. Die Social Clubs würden aber auch nicht ausreichen, denn die Hürden für Gelegenheitskonsumenten seien zu hoch. "Spezialisierte Geschäfte, in denen nur Cannabis verkauft wird, scheinen mir deswegen der beste Ort für den Verkauf."

Das sind die Probleme bei den Cannabis-Shops

Zobel weist auf Probleme hin. "Das übliche Argument lautet, dass mit einem kommerziellen Verkauf der Schwarzmarkt schneller verdrängt wird und dass viele Steuergelder eingenommen werden können. Das glaube ich nicht", sagt er. Stattdessen würde der Handel vor allem tiefe Preise, zu viele Geschäfte und dubiose Produkte mit sich bringen. "In den USA wurden zum Beispiel Esswaren wie Gummibärchen angeboten, die Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten. Diese sind aus verschiedenen Gründen gefährlich: Sie sind sehr attraktiv für Kinder und oft zu stark dosiert oder nicht homogen."

Also was tun? Zobel ist für nicht-gewinnorientierte Monopole oder Konzessionen, um eine Goldgräberstimmung in der Branche abzuwürgen. Er verweist auf das Modell der kanadischen Provinz Québec. "Jede erwachsene Person, die es wünscht, kann Cannabis kaufen und konsumieren, aber es gibt so wenig Anreize wie möglich, um mehr oder gefährlicher zu konsumieren."

Auch Jakob Manthey ist für ein staatliches Verkaufsmonopol. "Damit lässt sich zum Beispiel eine sichere Versorgung auf dem Land sicherstellen, die in einem marktwirtschaftlichen Modell nicht gewährleistet wäre", sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter am Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg. Grundsätzlich bestünden durch die aktuellen Öffnungsschritte erst einmal ausreichend legale Bezugswege - je nachdem, wie schnell und nachhaltig man den Schwarzmarkt austrocknen will, seien lizenzierte Fachgeschäfte aber ein überlegenswertes Modell.

"Da aber eine profitorientierte Kommerzialisierung des Marktes, in dem Cannabis als gewöhnliches Konsumgut mit Gewinnmaximierung verkauft wird, vermutlich mit einem Anstieg des Konsums und der Konsumprobleme einhergeht, sollte die Entwicklung eines kommerziellen Marktes begrenzt werden", sagt er. Dennoch seien Fachgeschäfte unter bestimmten Bedingungen mit der bekannten Studienlage vereinbar. "Wichtig ist, dass zentrale Regeln beachtet werden: strenge Alterskontrolle, räumliche Begrenzung der Verkaufslizenzen, umfassendes Marketingverbot, sowie eine am Schadenspotenzial ausgerichtete Preispolitik."

Schnell und unkompliziert die neuesten Nachrichten aus Nürnberg und der Region aufs Smartphone? Das ist mit dem neuen WhatsApp-Kanal von NN.de ganz einfach. Hier geht es direkt zum WhatsApp-Channel - eine "Schritt für Schritt"-Anleitung finden Sie hier.

Keine Kommentare