Aneurysma im Bein

Seine OP wurde verschoben: Jetzt appelliert Nürnberger Moderator an Impf-Zweifler

26.11.2021, 07:18 Uhr
Der gebürtige Nürnberger Tobias Schimon hat ein Aneurysma im Bein - wegen Corona wurde nun eine wichtige Operation abgesagt. 

© Christian Baur Der gebürtige Nürnberger Tobias Schimon hat ein Aneurysma im Bein - wegen Corona wurde nun eine wichtige Operation abgesagt. 

Die Krankenhäuser geraten in der vierten Welle erneut an den Rand ihrer Belastungsgrenze. Um noch mehr Covid-Patienten aufnehmen zu können, müssen andere Bereiche zu Corona-Stationen umfunktioniert und auf den Intensivstationen die Nicht-Covid-Bereiche reduzieren werden.

Dennoch sind an vielen Kliniken die Routinekapazitäten bereits ausgeschöpft, wie beispielsweise am Klinikum Nürnberg. Die Konsequenz, die auch hier in der Region bald drohen könnte: Covid-Patienten müssten in andere Krankenhäuser im Umland, teilweise sogar in andere Bundesländer, verlegt werden. Es ist ein tägliches Tetris-Spiel, das auch für andere Patienten negative Folgen hat. Denn elektive Operationen, die medizinisch auch in mehreren Wochen und Monaten noch möglich sind, werden gestrichen. Und das kann dramatische Konsequenzen haben, wie im Fall von Tobias Schimon.

Der gebürtige Nürnberger, der heute als Moderator und Sportkommentator mit seiner Familie in München wohnt, lebt seit einem Sportunfall vor zwölf Jahren mit einem Aneurysma im Bein. Bei einem Unfall während eines Handballspiels kam es bei ihm zu einen Riss in der tiefen Beinvene, eine komplizierte Verletzung, die ihm im schlimmsten Fall das Leben kosten kann.

Ein Aneurysma ist eine krankhafte Gefäßerweiterung einer Schlagader. Durch den gestauten Blutfluss können sich Blutgerinnsel, ein sogenannter Thrombus bilden, zu einem Gefäßverschluss führen oder mit dem Blutstrom in die Lunge wandern und eine lebensbedrohliche Lungenembolie auslösen. Platzt ein Aneurysma, verblutet der Betroffene innerlich in wenigen Minuten. Das tückische: ein Aneurysma bleibt in den meisten Fällen unentdeckt - bis es reißt. Dann verläuft es in den meisten Fällen tödlich.

Jahrelang lebte Schimon mit dem Wissen, dass sich in seinem Bein ein Aneurysma gebildet hat. Doch nach der Operation im Jahr 2009 lebte er weitestgehend beschwerdefrei - bis letztes Jahr im Mai. Während einer Joggingrunde bekam Schimon plötzlich keine Luft mehr und konnte sich mit letzter Kraft zurück in seine Wohnung im vierten Stock schleppen. Er dachte zuerst an einen grippalen Effekt. "An mein Aneurysma habe ich überhaupt nicht gedacht", erzählt er. Nach einer Computertomographie bei einem Lungenfacharzt stand fest: Es war eine beidseitige Lungenembolie - und das mit 35 Jahren.

"Das war ein absoluter Schock", sagt er rückblickend. Ein Satz, der ihm besonders in Erinnerung geblieben ist: "Der Arzt sagte: 'Da Sie ja noch leben, haben Sie das Schlimmste schon hinter sich gebracht.' Das ist schon krass", so Schimon.

Fünf Tage verbrachte er im Krankenhaus, unzählige Gespräche mit Ärzten und Spezialisten folgten. Das Aneurysma war stark gewachsen, mittlerweile war es sechs Zentimeter lang und zwei Zentimeter im Durchmesser groß - eine tickende Zeitbombe. Dank starker Blutverdünner und mehrerer Monate strikter Schonung konnte sich sein Herz langsam wieder erholen, nach einem Belastungstest konnte er wieder mit dem Sport anfangen. Dieses Mal kam er noch einmal mit dem Schrecken davon, "doch ich habe natürlich Angst und mache mir Sorgen. Vor allem, weil ich einen Sohn habe. Für den möchte ich da sein", sagt der Moderator.

Bei einer Kontrolluntersuchung im Frühjahr 2021 entschieden sich die Ärzte dann für eine Operation - das Aneurysma war weiter gewachsen, das Risiko für eine weitere Embolie oder Ruptur zu groß. Weil der Eingriff nicht akut erforderlich war, entschieden sich die Spezialisten, Schimon erst im Herbst zu operieren. „Im Sommer kann man die OP nicht machen. Hitze kann das Bein anschwellen lassen, was eine absolute Katastrophe wäre und die Vene komplett verschließen könnte“, erklärt er.

Letzte Woche hätte er dann in München endlich operiert werden sollen. Acht Tage vorher klärte er die letzten Details, doch schon zwei Tage später wurde die Operation ersatzlos gestrichen. Grund dafür: die vollen Intensivstationen. Für Schimon ein Schlag ins Gesicht. "Man stellt sich mental auf so eine riskante OP ein, das ist ja keine Kleinigkeit", sagt er.

Was ihn noch mehr ärgert: "Es ist absolut frustrierend, dass so viele Operationen abgesagt werden müssen, nur weil sich Menschen immer noch nicht impfen lassen wollen und deshalb die Intensivstationen verstopfen." Er habe vollstes Verständnis, wenn sich Personen aus gesundheitlichen Gründen bislang noch nicht impfen lassen konnten, "aber auf diese ganzen Scheinargumente der Impfgegner habe ich keine Lust mehr. Die werden seit über einem Jahr permanent von der Wissenschaft widerlegt. Jetzt ist langsam wirklich Schluss mit lustig", sagt Schimon energisch.

Denn das Risiko, wegen Corona als Ungeimpfter auf der Intensivstation zu landen, ist mindestens zehnmal so hoch wie für Geimpfte, wie eine aktuelle Studie aus Israel zeigt.

Seinen Ärger und Frust machte er nach der OP-Absage auf Instagram Luft. Für sein emotionales Statement bekam er viel Zuspruch, in zahlreichen Kommentaren schilderten Leute ähnliche Situationen. "Bei dem einen ist es ein Tumor, beim anderen eine wichtige Hüft-OP. Den Menschen geht es sehr schlecht und sie können wegen der Ungeimpften nicht zeitnah behandelt werden. Das ist doch Wahnsinn." Er hoffe, dass sich in den nächsten Wochen noch mehr Menschen impfen und boostern lassen. "Wir sollten für die Impfung extrem dankbar sein. Wollen wir wirklich Bilder wie in Bergamo, Spanien oder New York? Wo sich die Toten auf der Straße stapeln? Es ist jetzt Zeit zusammen zu rücken, solidarisch zu sein. Die Gesellschaft darf sich nicht durch eine ungeimpfte Minderheit bedroht fühlen."

Einen neuen Termin für die Aneurysma-OP hat Schimon noch nicht bekommen. Er hofft auf einen Eingriff im Frühjahr. Bis dahin muss er weiter starke Blutverdünner nehmen, rund um die Uhr Kompressionsstrümpfe tragen und sich viel bewegen. Doch das mulmige Gefühl bleibt. "Ich hoffe einfach, dass ich im Notfall noch in eine Notaufnahme schaffe und dort einen Platz bekomme."

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