Nur 4000 statt 40.000 Teilnehmer

Wenig Masken und Reichsbürger-Symbolik: "Mega-Demo" in Nürnberg deutlich kleiner als erwartet

30.1.2022, 21:11 Uhr
Statt der angekündigten 40.000 Teilnehmer kamen nur rund 4000 Menschen zum Volksfestplatz.

© Berny Meyer, NN Statt der angekündigten 40.000 Teilnehmer kamen nur rund 4000 Menschen zum Volksfestplatz.

Es sollte eine "Mega-Demo" werden. Gegner der staatlichen Corona-Maßnahmen hatten bundesweit sowie in Österreich und der Schweiz in den sozialen Medien massiv für die Kundgebung am gestrigen Sonntag in Nürnberg getrommelt. Doch statt der erwarteten 30.000 bis 40.000 Menschen waren nur rund 4.000 zum Nürnberger Volksfestplatz gekommen.

Die Versammlung an der Kongresshalle, die die querdenkernahe Gruppierung "Schüler stehen auf" angemeldet hatte, ist unter anderem wegen des Zeitpunkts auf heftige Kritik gestoßen. Sie fand am Jahrestag der "Machtergreifung" Adolf Hitlers statt. Am 30. Januar 1933 war Hitler von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt worden. Die Bewegung Querdenken sei da angekommen, wo sie hinwolle: auf das Reichsparteitagsgelände, schrieb etwa der Schauspieler Marcus Mittermeier auf Twitter. Auch andere Nutzer der Plattform Twitter hatten Datum und Ort heftig kritisiert.

"Sklaventreiber" sollen abdanken

Die Redner auf der kleinen Bühne nahe des Dutzendteichs waren in ihren Aussagen nicht zurückhaltend. Man müsse sich jetzt "selbst ermächtigen" und gegen die Entscheidung der Regierenden vorgehen, kündigte der 53-jährige Versammlungsleiter an. Ein minderjähriger Schüler hatte die Demo bei der Stadt angemeldet.

"Wir dürfen erst zufrieden sein, wenn alle politischen Sklaventreiber abgedankt haben", sagte danach der Passauer Frauenarzt Ronald Weikl. Er war überregional als Gegner der Corona-Auflagen bekannt geworden. Er muss sich in Kürze vor Gericht verantworten, weil er Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht ohne vorherige Untersuchung der Patienten ausgestellt haben soll.

Die Polizei hatte sich auf einen Ansturm an Demonstranten vorbereitet und war mit einem Großaufgebot zum Volksfestplatz gekommen. Allerdings ließ Einsatzleiter Herbert Donner auch eine Vielzahl von Mannschaftsfahrzeugen im Stadtgebiet positionieren. Das hatte einen Grund: Die Stadt hatte in der vergangenen Woche zur Auflage gemacht, dass diese Kundgebung ausschließlich stationär stattfinden dürfe – anders als sich "Schüler stehen auf" das vorgestellt hatte. Die Gruppe hatte einen Protestzug vom Volksfestplatz durch die Südstadt und zurück geplant gehabt. In einer Allgemeinverfügung hatte die Stadt überdies unangemeldete Protestmärsche (verharmlosend auch "Spaziergänge" genannt) verboten.

Viele hielten sich nicht an Maskenpflicht

Außerdem galt auf dem Volksfestplatz auch eine Maskenpflicht. Doch daran hielten sich die Wenigsten. Einsatzkräfte forderten die Demonstranten schon an den Eingängen auf, Masken aufzusetzen. Viele nahmen sie kurze Zeit später wieder ab. Auf dem Platz mischten sich Kommunikationsteams der Polizei unter die Teilnehmenden, sprachen Leute an und machten sie auf die Auflagen aufmerksam, oft erfolglos.

Auf der Bühne sprach auch Bernd Bayerlein, ein suspendierter Polizist und früherer Dienstgruppenleiter bei der Inspektion in Weißenburg. Er verglich in seiner Rede die Solidarität zur Impfpflicht mit "Totalitarismus". Und weiter: "Die Leute haben durchschaut, dass es nicht um die Volksgesundheit geht, sondern, dass man uns kontrollieren will."

Die Polizei hielt an der Zufahrt zum Platz auch einen roten Kleinwagen an, auf dem in großen Lettern "Olizei ACAB" (auf Deutsch: "Alle Polizisten sind Bastarde") stand und ein stilisiertes Hakenkreuz darüber zu sehen war. Gegen den Halter des Wagens ist nun ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. "Es besteht der Anfangsverdacht, dass es sich hier um Volksverhetzung handelt", so Polizeisprecher Michael Konrad. Einsatzkräfte klebten das abgewandelte Hakenkreuz ab.

Ermittlungen wegen Volksverhetzung

Zudem wird in zwei weiteren Fällen wegen volksverhetzender Plakate ermittelt. Ansonsten verlief die Veranstaltung nach Angaben der Polizei "nahezu störungsfrei".

Man lasse sich nichts mehr vorschreiben, sagte ein Ehepaar, das aus der Hofer Gegend angereist war. Der massive Druck, sich impfen zu lassen, habe ihre minderjährige Tochter fast in den Selbstmord getrieben, klagte die Mutter. Es gehe nun darum, ein "totalitäres Regime" zu verhindern, dem "unsere Grundrechte im Weg sind", sagte ihr Mann.

Wie die beiden Oberfranken waren viele Teilnehmer gekommen, um gegen eine (mögliche) Impfpflicht zu demonstrieren. Junge Mütter, ältere Paare und Jugendliche aus der Region versammelten sich mit wenig Abstand vor der Bühne.

Die Gruppe "Schüler stehen auf", die mit der Vereinigung "Team Mensch – Bayern steht zusammen" aus Landshut die Veranstaltung durchführte, wies darauf hin, man grenze sich von "jeder Form von Rechts- und Linksextremismus" ab. Ein Plakat mit dem Hinweis "Nazis raus" wurde hochgehalten. Dennoch waren zahlreiche Mitglieder rechter und rechtsextremer Vereinigungen vor Ort, auch Reichsbürger und Vertreter der Identitären Bewegung.

Pfarrer setzt ein Zeichen

Zeitgleich hatte der evangelische Pfarrer Hans Hertel am Sonntagmittag ein Plakat neben dem Eingang zur Kirche in St. Peter aufgehängt. "Du sollst nicht mit Nazis laufen! Das ,11.‘ Gebot", war darauf zu lesen. Hertel ist überzeugt, dass die evangelische Kirche ein Zeichen gegen "Rechts" setzen müsse. Auch eine Gruppe um zwei Studentinnen hatte ähnliche Parolen auf den Asphalt am Volksfestplatz gemalt. Acht Menschen formierten sich zum Gegenprotest am Rande der Veranstaltung.

Samira Y., eine Leichenpräparatorin, die bekannt geworden ist, weil sie gegen ihren Arbeitgeber, das Münchner Uniklinikum gewettert hatte, trat als letzte Rednerin ans Mikrofon. Kurz vor 16 Uhr war die Demo beendet. "Allzeit gutes Spazieren", hieß es von der Bühne zur Verabschiedung. Es bildeten sich lediglich vereinzelt kleinere Gruppen, die gemeinsam in die Innenstadt zogen und Parolen skandierten.

Szene-intern wurde die Demonstration vielfach als Flop gewertet. Auf dem Kanal Telegram schrieb ein Nutzer: "Wo wart ihr alle? Ich war da, wo wart ihr? Enttäuschung pur!" Regionale Querdenker-Gruppen wie das Team Menschenrechte und Querdenken-911-Nürnberg waren bereits im Vorfeld auf Distanz zur "Schüler stehen auf"-Versammlung gegangen, worauf es zu Streitigkeiten kam. Noch im Dezember hatte das Team Menschenrechte bei einer Demonstration von "Schüler stehen auf" Ordnerkräfte gestellt.

Dieser Artikel wurde am 30.1.2022 um 21:09 aktualisiert.

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