Vor 60 Jahren begannen die Beziehungen: Bundeskanzler Konrad Adenauer (links) mit dem israelischen Staatsgründer David Ben Gurion vor Fotografen in der Negev-Wüste.
© via www.imago-images.de/imago images/Sven Simon
Vor 60 Jahren begannen die Beziehungen: Bundeskanzler Konrad Adenauer (links) mit dem israelischen Staatsgründer David Ben Gurion vor Fotografen in der Negev-Wüste.

Kommentar

60 Jahre deutsch-israelische Beziehungen: ein Wunder, das Pflege und Engagement braucht

Es war ein Wunder: Israel und die Bundesrepublik Deutschland fanden nach dem Zweiten Weltkrieg, nach dem Holocaust erstaunlich rasch zusammen. Weil mutige Politiker diese Partnerschaft wollten, förderten und auch brauchten: die beiden ersten Regierungschefs David Ben Gurion und Konrad Adenauer.

Der westdeutsche Gründungskanzler brachte gegen Widerstände die „Wiedergutmachung“ auf den Weg: deutsche Zahlungen an Israel. Eine Art moralische Selbstentlastung für die Bundesrepublik war das - und es diente der Anbahnung diplomatischer Beziehungen, die vor genau 60 Jahren starteten.

Angela Merkels Satz von der Staatsräson

Eine reibungslose Beziehung war das nie, stets aber stand Bonn und dann Berlin an der Seite von Tel Aviv und Jerusalem. Nicht nur, aber auch deshalb, weil Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten ist, umgeben von Kritikern, Gegnern, Todfeinden. Angela Merkel prägte dann bei ihrer Rede in der Knesset 2008 den Satz, dass Israels Sicherheit „deutsche Staatsräson“ sei.

Aber was bedeutet das? Der israelisch-deutsche Publizist Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, schrieb dazu,„dass die größten Gefahren für die Sicherheit des Landes nicht nur von den arabischen Nachbarländern ausgehen, sondern auch und ganz besonders vom Aufstieg des religiösen Nationalismus, von der Intoleranz und Demokratiefeindlichkeit in der israelischen Gesellschaft selbst“. Und er fragt: „Wie kann eine deutsche Staatsräson für Israels Sicherheit das Land vor der Gefahr der demokratischen Selbstzerstörung schützen?“

Wohl nur dadurch, was Mendel und andere Gegner der aktuellen Regierung Israels fordern: kritischere Solidarität. Eine deutliche Mehrheit der Israelis ist gegen Netanjahus Politik und für ein rasches Ende des Krieges in Gaza. Den führt die Regierung, getrieben von ihren rechtsradikalen Mitgliedern, mit unerbittlicher Härte. Netanjahu beendet den Krieg zudem auch deswegen nicht, weil er Neuwahlen kaum überstehen würde und sich einigen Verfahren stellen müsste.

Zudem steht internationales Recht im Spannungsverhältnis zur Staatsräson: Gegen Netanjahu liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor. Es sei fatal, das Opfer des Hamas-Terrors vom 7. Oktober 2023 ebenso zu behandeln wie die Verantwortlichen des Massakers, sagen Kritiker. Allerdings verweisen Völkerrechtler auf die Verhältnismäßigkeit der israelischen Gegenschläge - und da gehen gerade zuletzt Maß und Menschlichkeit zusehends verloren. Auch das Leben der verbliebenen Geiseln wird gefährdet. Gerade wurde eine von der Hamas gefolterte Geisel freigelassen - unmittelbar danach setzte Israels Armee ihre Angriffe fort.

Gefragt ist kritsche Partnerschaft unter Freunden

Israel und seine Freunde sind gefordert, dafür zu sorgen und zu werben, dass die nach wie vor einzige Demokratie der Region ihre Werte erhält und verteidigt. Daher gehört auch kritische Partnerschaft zur Staatsräson - im Interesse beider Länder. Die neue Bundesregierung trifft da den richtigen Ton.

Keine Kommentare