Umstrittener Besuch: Benjamin Netanjahu machte vergangene Woche Station bei Ungarns Premier Viktor Orbán (rechts).
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Umstrittener Besuch: Benjamin Netanjahu machte vergangene Woche Station bei Ungarns Premier Viktor Orbán (rechts).

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Netanjahu nutzt Trumps Windschatten für eine Politik der Härte, die Israel schadet

Der Zeitgeist hat sich gedreht - nicht zum Guten. Es gilt, so meinen zu viele, wieder das Recht des Stärkeren. Sie scheren sich nicht um Regeln, Normen und Gesetze - sondern handeln zuallererst in eigener Sache, in eigenem Interesse.

Donald Trump hat diese neue Rücksichtslosigkeit vorerst durchgedrückt. Die Schäden, die sie verursacht, scheren ihn nicht. Der größte Börsencrash seit Corona? Durchhalten, sagt er. Das wird viele US-Bürger wütend machen, die ihre Altersversorgung mehr als andere auf Fonds und Aktien stützen und nun erst mal zittern müssen.

Netanjahu setzt aufs Spiel, was Israels Stärke ausmacht: eine lebendige Demokratie zu sein

Andere vermeintlich starke Männer ahmen Trumps Kurs nach und treten nun noch ungenierter auf, sie nutzen zudem den Windschatten von Trumps pausenlosem Aktionismus dafür, ihre Politik zu verschärfen. Der türkische Autokrat Erdogan gehört dazu, der einen Konkurrenten einfach verhaften lässt. Victor Orbán in Ungarn ebenso. Und auch Israels Premier Benjamin Netanjahu.

Was in den letzten Tagen alles aus Nahost zu hören war, das ist beunruhigend. Der wieder zusehends radikale Kurs Netanjahus setzt aufs Spiel, was Israels Stärke ausmacht: Das Land rühmt sich zu Recht, die einzige Demokratie der Region zu sein. Genau diese bisher sehr lebendige Demokratie gefährdet der Premier aber.

Netanjahu versucht, Leute loszuwerden, die ihm gefährlich werden könnten. Kürzlich beschloss seine Regierung, den Inlandsgeheimdienstchef Ronen Bar zu entlassen - einen der wenigen kritischen Spitzenbeamten, der zudem Ermittlungen gegen Netanjahus Umfeld leitete. Noch ist die Entlassung nicht vollzogen. Nun meldete sich Bar zu Wort - und wirft Netanjahu vor, ihn um Hilfe bei der Verschleppung des gegen ihn, den Premier, laufenden Korruptionsprozesses gebeten zu haben. Ein inakzeptables Verhalten Netanjahus.

Unter Druck gerät Israel auch wegen des Einsatzes der Armee gegen Krankenwagen des Roten Halbmonds. Ein Video belastet die Soldaten: Sie eröffneten am 23. März im Gazastreifen offenbar das Feuer auf die Ambulanzen, obwohl diese als solche zu erkennen waren - was Israel zunächst bestritten hatte. 15 Helfer wurden getötet, ihre Leichen vergraben. Medizinisches Personal genießt völkerrechtlich aber besonderen Schutz – Angriffe auf Sanitäter sind ein Kriegsverbrechen.

Eigentlich müsste Israel auch gegen Trumps Riviera-Plan votieren

Es war die Hamas, die Israel am 7. Oktober 2023 mit Terror überzog - und nun wieder neue Attacken startete. Israel überzieht bei seinem Kampf gegen diese Verbrecherorganisation zu oft - und gefährdet dabei seine eigenen Ideale. Israel muss sich wehren, selbstverständlich. Aber es muss sich dabei an Regeln halten und an menschenrechtliche Standards. Trumps Plan, den Gaza-Streifen zu entvölkern, die Palästinenser von dort also zu vertreiben (wohin?) und eine „Riviera des Nahen Ostens“ zu schaffen, verletzt diese Regeln. Aber die Rechtsaußen-Minister in Netanjahus Regierung stützen die Idee und sprechen von „freiwilliger Emigration“. Ein gefährlicher Kurs.

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