Gedenken in Berlin: Zwei Spiegelkästen mit der Aufschrift „80 Jahre“ und „Kriegsende“ stehen vor dem Brandenburger Tor.
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Gedenken in Berlin: Zwei Spiegelkästen mit der Aufschrift „80 Jahre“ und „Kriegsende“ stehen vor dem Brandenburger Tor.

Kommentar

80 Jahre Kriegsende - aber Krieg in Europa: Zum Frieden gehört Freiheit, die bedroht ist

Die berühmteste Rede zum Jahrestag des Kriegsendes hielt Richard von Weizsäcker. Der damalige Bundespräsident sprach vor genau 40 Jahren vom 8. Mai als dem Tag der Befreiung. Das war 1984 mutig - und befreiend: Ein deutsches Staatsoberhaupt sprach aus, was inzwischen viele so fühlten, was aber lange kein Konsens war: dass das Ende des Nationalsozialismus trotz allen Elends eine Befreiung war - auch und gerade für die Deutschen.

Dabei galt das 1985 nur für die Deutschen im Westen: Für die Menschen in der DDR war, wie für alle Staaten, die nach Kriegsende unter sowjetische Besatzung gerieten, der 8. Mai 1945 nur vorübergehend ein Tag der Befreiung - rasch verschwanden die Freiheiten in der neuen Diktatur.

Kein „Ende der Geschichte“ - sie kehrt mit aller Gewalt zurück

Weitere 40 Jahre später ist die bipolare Welt des Kalten Krieges von 1985 längst Vergangenheit. Doch die Verheißung eines „Endes der Geschichte“ (Francis Fukuyama) war falsch. Geschichte kehrt mit aller Gewalt zurück, wir erleben, was lange unvorstellbar war: einen Krieg mitten in Europa.

Und einen Bruch mit den Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg. Die lauteten: Zusammenarbeit, Verträge, Partnerschaften, Allianzen verhindern neue Kriege. Die Stärke des Rechts sorgte lange für eine Eingrenzung von Konflikten. Spätestens seit 2022 und Putins Überfall auf die Ukraine und mit aller Wucht seit Trumps zweiter Amtszeit aber droht eine Rückkehr des Rechts des Stärkeren.

Ein „doppelter Epochenbruch“, so Frank-Walter Steinmeier nun im Bundestag - zum Angriffskrieg Russlands kam der Werte-Bruch Amerikas. Der Reiz des Autoritären verlockt viele - sie setzen auf klare Feindbilder, auf Ausgrenzung, auf Konfrontation statt Dialog. Daher dürften viele heute Weizsäckers Satz von der „Befreiung“ widersprechen. Denn die internationale Allianz der Nationalisten - von Trumps Helfern über die von ihnen beworbene AfD bis zu Putin und seinen Fans in immer mehr europäischen Staaten, zuletzt in Rumänien - wollen Geschichte umschreiben. Auch, um zu vertuschen, dass sie die Methoden der Faschisten kopieren beim Umbau von Demokratien in Autokratien.

Wer Frieden will, muss definieren, was dazugehört

Da hilft es, das Wissen über die Vergangenheit zu verdrängen und mit Lügen zu überkleistern. Nur so kann Putin behaupten, er tue in der Ukraine ähnliches wie die Sowjet-Truppen 1945: Faschisten bekämpfen. Dabei hat er längst aus Russland eine lupenreine Diktatur gemacht. Trump versucht, die amerikanischen Freiheiten massiv einzuschränken. Aber wer Frieden will - wer will ihn nicht? -, der muss definieren, was zum Frieden gehört: Was in Autokratien herrscht, das ist Friedhofsruhe und Unterdrückung von Minderheiten - aber kein Frieden. Der ist ohne Freiheit und Grundrechte nicht zu erhalten. Dazu sagte nun Steinmeier: „Wir müssen fragen: Wie können wir frei bleiben?“

Nur durch Einsatz, durch Engagement für diese Freiheit, die nicht gratis zu haben ist, sondern akut gefährdet - das wird 80 Jahre nach Kriegsende bedrohlich sichtbar.

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