Lockdown in Nürnberg: In der Königstorpassage ist niemand zu sehen.
© Roland Fengler/VNP
Lockdown in Nürnberg: In der Königstorpassage ist niemand zu sehen.

Contra

Corona: Wie kritiklos die Deutschen den Lockdown hinnahmen, erschreckt mich bis heute

Viele der E-Mails habe ich noch heute. Wie es denn sein könne, schreibt ein Leser, dass ein Propagandist der Querdenker-Szene in einer bürgerlichen Regionalzeitung kommentieren dürfe - er meint mich. Ein anderer, ein Mandatsträger in Nürnberg, hält mich für nicht mehr tragbar - und lässt das auch unsere Chefredaktion wissen.

Vor fünf Jahren erlässt der deutsche Staat in seiner demokratischen Geschichte nie dagewesene Freiheitseinschränkungen. Die Argumente dafür erkenne ich an. Was mich damals erschreckt, was mich heute noch erschreckt: die Kritiklosigkeit, mit der die deutsche Öffentlichkeit Maßnahmen hinnimmt, wie wir sie bis dato aus totalitären Staaten kannten. Grundrechte - der Definition nach ja eigentlich unveräußerlich und per Ewigkeitsklausel geschützt - lassen sich offenbar doch einschränken. Nämlich mit Verweis auf eine Bedrohung. Wer Angst hat, nimmt fast alles hin - ich halte das für eine bedrückende Beobachtung. Und schrieb das auch.

Corona hat mir gezeigt: Wer Kritik übte, dem wurde ein Mangel an Empathie vorgehalten

Wer Kritik übte, dem wurden die Coronatoten und ein Mangel an Empathie vorgehalten - oft von denselben Menschen, denen es umgekehrt egal war, was die Isolation bei Kindern und Familien anrichtete, was sie für alte Menschen bedeutete, die in ihren letzten Lebensjahren von ihrem Ehepartner getrennt wurden, wo sie doch nur eines wollten: Die wenige Zeit, die ihnen bleibt, gemeinsam zu verbringen.

2021 wurden gar Millionen Menschen aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen - weil sie nicht geimpft waren, und das, obwohl der Schutz vor Weitergabe des Virus an andere von vornherein wissenschaftlich umstritten war. Es mag für manche wie ein Affront erscheinen, wenn sich Mitbürger nicht gegen Corona impfen ließen. Eine Gesellschaft muss solche individuellen Entscheidungen aber aushalten - jedenfalls, wenn sie für sich in Anspruch nehmen will, eine freie Gesellschaft zu sein.

Die Coronakrise hat mir gezeigt, dass den Deutschen das aber gar nicht so wichtig ist: Freiheit. Oder Freiheit gerne missverstanden wird als Egoismus. Und sie hat mich bestätigt, dass es gefährlich ist, wenn alle in die gleiche Richtung rennen - auch dann, wenn sie dies im Glauben an eine vermeintlich gute Sache tun. Vielleicht gerade dann.

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