Bundesinnenminister Alexander Dobrindt stellte bei einer Pressekonferenz die Beschlüsse vor.
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Bundesinnenminister Alexander Dobrindt stellte bei einer Pressekonferenz die Beschlüsse vor.

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Dobrindts Migrationsgesetze sind nicht nur moralisch falsch, sondern auch wirkungslos

Wir haben die markigen Worte des Friedrich Merz alle noch im Ohr. An „Tag Eins“ werde sich in Sachen Migration so einiges ändern, hieß es im Wahlkampf. Am Mittwoch (es war nicht ganz Tag Eins) hat der Koalitionsausschuss die ersten Gesetze zum Thema auf den Weg gebracht. „Heute ist ein entscheidender Tag“, ließ Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) verlauten. Da ist er nun also, der große Wurf. Oder?

Eine Einbürgerung soll für Migranten erst nach fünf Jahren, nicht wie bisher nach drei Jahren möglich sein. Hier reden wir über Menschen mit festem Arbeitsplatz und guten Deutschkenntnissen. Wer das nach drei Jahren im Land vorweisen kann, ist verdammt schnell. Wollte man Einwanderer wirtschaftlich bewerten, dann wäre das: die Elite. Sie wird zwei Jahre länger warten müssen. Schadet das? Vermutlich nicht besonders. Bringt es irgendwas? Nein.

Wollen wir einen Wettlauf um unmenschliche Bedingungen?

Außerdem soll der Familiennachzug für sogenannte subsidiär Geschützte abgeschafft werden. Hier reden wir über Menschen, die meist aus Bürgerkriegsländern kommen, keinen Asylstatus erhalten, aber aufgrund der Situation in ihrer Heimat auf unbestimmte Zeit in Deutschland sind, sprich: in der Luft hängen. Die zuletzt gültige Regelung erlaubte es pro Jahr 12.000 Menschen, im Zuge des Familiennachzugs einzureisen. 2024 waren etwa 7300 davon Kinder, so das Auswärtige Amt. Das sind also diejenigen, die von dieser Regelung betroffen sind: Menschen, die vor Tod und Zerstörung nach Deutschland flüchteten, deren Kinder aber noch in der umkämpften Heimat festhängen. Menschen in einer äußerst schwierigen psychischen Situation also, denen wir damit ihre Kinder vorenthalten. Hmmm. Noch dazu: 12.000. Bei 230.000 Menschen, die jährlich in Deutschland einen Asylantrag stellen.

Der Minister argumentiert, er würde damit die „Pull-Faktoren reduzieren“, also dafür sorgen, dass Deutschland nicht als attraktives Ziel für eine Flucht betrachtet wird. Wollen wir wirklich diesen Wettlauf um möglichst unmenschliche Bedingungen? Da liegt so mancher europäischer Partner uneinholbar vor uns. „Fliehen wir nach Deutschland?“ - „Nein, die haben den Familiennachzug für subsidiär Geschützte abgeschafft!“ Dass derzeit weniger Geflüchtete nach Deutschland kommen, liegt lauf BAMF-Chef Hans-Eckhard Sommer hauptsächlich daran, dass Serbien Ende 2023 die Route über Ungarn zugemacht hat. Soviel zu den Pull-Faktoren.

Die Regierung wiederholt mit den Maßnahmen einen taktischen Fehler, der in den vergangenen Jahren immer wieder gemacht wurde. Die Leute, die einen humanen Umgang mit Geflüchteten fordern, sind von der Kaltblütigkeit abgestoßen. Die Leute, die Deutschland von einer „Welle“ Fremder überlaufen sehen und damit die Schwäche von Bildungssystem, Gesundheitssystem und so weiter begründen, können die Gesetze mit Recht als Tropfen auf den heißen Stein entlarven und weiter - oder erstmals - die AfD wählen.

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