Neue Streiks ignorieren Bahn-Angebot

Maßlos und rücksichtlos: GDL-Chef Weselsky geht zu weit

Alexander Jungkunz

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22.1.2024, 16:55 Uhr
Deutschlands umstrittenster Gewerkschaftsboss: GDL-Chef Claus Weselsky.

© Christoph Soeder, dpa Deutschlands umstrittenster Gewerkschaftsboss: GDL-Chef Claus Weselsky.

„Der hat sie nicht mehr alle“: So spricht Claus Weselsky nun öffentlich über sein Gegenüber bei der Deutschen Bahn, DB-Personalvorstand Martin Seiler. Es ist die bekannte, beleidigende Tonart des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Lokführer (GDL). So geht man nicht miteinander um, so darf man Verhandlungspartner nicht herabsetzen. Weil es Folgen hat, die Fronten verhärtet - und das gerade in einer Zeit, in der Polarisierung, Anfeindung und Ausgrenzung boomen.

„Der hat sie nicht mehr alle“: Claus Weselsky weiß natürlich genau, dass die allermeisten Deutschen genau das über ihn denken. Dass sich da ein Gewerkschaftsboss in seinem letzten Amtsjahr ein Denkmal setzen will. Und daher eine Tarifrunde mit einer Härte fährt, die es so bisher noch nicht gegeben hat in der Bundesrepublik, die - bisher - bekannt war für meist geschmeidig gefundene Abschlüsse, eben für echte Sozialpartnerschaft.

Nun legt der vierte Streik der GDL binnen weniger Wochen das Land teils lahm - so lang wie noch nie. Sechs Tage, darunter ein ganzes Wochenende, fahren fast keine Züge. Das trifft nicht nur Berufspendler, sondern auch Schüler, Reisende etc.; der Arbeitskampf verursacht erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden.

Das Streikrecht ist ein hohes Gut. Man sollte es nicht beschädigen.

Nun ist Streik an sich selbstverständlich zulässig, das Streikrecht ist ein hohes Gut. Der Kampf für höhere Einkommen und bessere Arbeitsbedingungen ist elementar; die Feindschaft, die der GDL da oft entgegenschlägt, ist teils maßlos. Aber: Das liegt eben auch an der Maßlosigkeit der GDL und ihres Vorsitzenden.


Vergangene Woche ist die Bahn endlich über ihren Schatten gesprungen und hat der GDL ein verbessertes Angebot unterbreitet. Es enthält immerhin auch den Einstieg in den Knackpunkt der Verhandlungen: die geforderte 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Die DB schlug nun 37 Stunden vor, ab 2026. Darüber müsste man nun: ja, eben verhandeln. Sich austauschen, streiten, Kompromisse schließen. Also: Tarifpartnerschaft üben.

Noch verhältnismäßig?

Genau darauf lässt sich Weselsky nun nicht ein. Und da wird es brisant. Ist ein derart massiver Streik da wirklich noch verhältnismäßig? Diesmal verzichtet die Bahn bisher auf den Gang vors Arbeitsgericht, wo die GDL bisher Recht bekam. Aber das war vor dem Einlenken der Bahn - und vor der heftigen Arbeitskampf-Ansage der GDL.

Die ringt mit der größeren EVG um die Hoheit bei der Bahn, sie holt dabei auf, ist aber nach wie vor viel kleiner. Nun riskiert sie mit Weselskys Tarif-Hammer ein Überziehen - und könnte sich selbst schaden. In der Politik - die bei der Bahn ja ein entscheidendes Wort mitspricht - wächst der Unmut über die Rücksichtslosigkeit der GDL. Wenn Weselsky zu hoch pokert, provoziert er womöglich Eingriffe der Politik. Das wäre schlecht für die Tarifautonomie - die dann ein Gewerkschafter beschädigt hätte.

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