
Kommentar
Regierungserklärung: Friedrich Merz sagt, was er denkt - anders als Olaf Scholz
Endlich geht es los. Gut ein halbes Jahr seit dem Ende der Ampel, und im Grunde auch schon einige Monate zuvor, war in der deutschen Politik nicht mehr viel mehr passiert als bloße Verwaltung und Geschäftsführung. So lange Pause zu machen vom Weltgeschehen, das kann sich ein Land wie die Bundesrepublik eigentlich nicht leisten.
In seiner Amtszeit als Bundeskanzler wird Friedrich Merz vermutlich viele Regierungserklärungen abgeben. Aber die erste war natürlich erst mal die, von der man sich Aufklärung über seinen Politikstil erwarten durfte.
Ein geordneter Übergang zur neuen Koalition
Es war vor allem ein versöhnlicher Einstand, den der Christdemokrat bieten wollte. Vom früheren, scharfzüngigen Oppositionsführer war wenig zu spüren. Stets sprach er alle Abgeordneten an, grenzte niemanden aus. Auch nach draußen, zur Bevölkerung hin, war die Botschaft: Wir müssen alle zusammenhelfen.
In unseren Zeiten muss man sich leider schon über solche Selbstverständlichkeiten freuen. Wenn in den USA der Präsident die Mitglieder seiner Vorgängerregierung und seine Gegner wahlweise als Trottel oder als Verbrecher bezeichnet, dann tut es gut, dass ein Bundeskanzler die Arbeit seines Vorgängers ausdrücklich würdigt.
Inhaltlich war nichts wesentlich Neues unter den Ankündigungen von Merz: Unterstützung der Ukraine, so lange irgend möglich gemeinsam mit den USA, Betonung des Leistungsgedankens, Stärkung der deutschen Wirtschaft, Beschränkung der irregulären Migration - all die Stichworte hatte man schon in den vergangenen Wochen gehört.
Ein besonderer Blick richtete sich - gerade nach dem gescheiterten ersten Wahlgang - auf die beiden Fraktionen, die die Regierung tragen sollen - Union und SPD. Und da wurde schon deutlich, dass die Partner noch fremdeln. Bei den Ausführungen des Kanzlers zu Mindestlohn und Bürgergeld regte sich in den Reihen der Sozialdemokraten kaum eine Hand zum Applaus.
Diese Klatsch-Verweigerung war ehrlich und ist auch überhaupt kein Problem, sofern die Koalitionäre nicht in den kommenden Wochen so weitermachen wie bisher und stärker die Unterschiede betonen als die Gemeinsamkeiten. Etwa bei der offenen Frage der Einbeziehung von Beamten und Abgeordneten in die gesetzliche Rentenversicherung.
Klareres Auftreten als Olaf Scholz
Auf der kommunikativen Ebene ist festzustellen: Friedrich Merz spricht klarer als Olaf Scholz aus, was er denkt. Und er verfügt zweifellos über eine bessere Rhetorik als sein Vorgänger, die einen als Zuhörer nicht schon nach zehn Minuten einschläfert. Zweifellos eine Sekundärtugend. Allerdings eine, die dem wichtigsten Politiker des Landes sehr gut weiterhelfen kann bei seiner Arbeit.
Nun müssen, dürfen und sollen sie regieren, die Mitglieder des Merz-Kabinetts. Bis zum Sommer soll man als Bürger schon positive Ergebnisse spüren, haben sie versprochen. Wir werden sie beim Wort nehmen, ohne Wunder zu erwarten. Solide, in kleinen Schritten voranschreitende, erfolgreiche Regierungsarbeit wäre schon ausreichend.
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