Australiens Maßnahmen helfen kaum

Soziale Medien verbieten? Wir kriegen den Geist nicht mehr in die Flasche, nötig ist bessere Bildung

Alexander Jungkunz

Chefpublizist

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29.11.2024, 17:29 Uhr
Australien geht bisher am weitesten: Jugendliche unter 16 sollen dort keinen Zugang zu sozialen Netzwerken haben.

© IMAGO/Nikolas Kokovlis/IMAGO/NurPhoto Australien geht bisher am weitesten: Jugendliche unter 16 sollen dort keinen Zugang zu sozialen Netzwerken haben.

Endlich! Das sagen viele, die vom Beschluss der Regierung Australiens gehört haben: Der Kontinent untersagt Jugendlichen unter 16 die Nutzung von - sogenannten - sozialen Netzwerken. Kein X, kein Facebook, kein Instagram, kein TikTok für die jungen Leute: Da wird Neuland betreten. In Frankreich, Großbritannien, Norwegen, Dänemark liegen ähnliche Gesetzesvorhaben auf dem Tisch.

Fest steht: Social Media bergen Gefahren. Wir erleben alle, wie sie für Radikalisierung und Polarisierung sorgen. Der Bestseller-Autor Yuval Noah Harari sagt: Das 21. Jahrhundert begann als Ära der Hoffnung auf Frieden - 20 Jahre später dominieren Kriege, Konflikte, Fake News, Spaltung. Und er macht dafür die (angeblich) sozialen Netzwerke mitverantwortlich.

Social Media fördern Polarisierung, das steht fest

Sie machen zusehends auch Politik: In Rumänien hat ein vorher kaum beachteter Putin-Verehrer Chancen, Präsident zu werden - weil er vor allem auf TikTok sehr präsent ist. Hybride Kampagnen werden auch den deutschen Wahlkampf prägen, der Verfassungsschutz warnt vor russischen Manipulationen.

Und Elon Musk ist die Person, die mediale, wirtschaftliche und nun auch politische Macht in sich vereinen kann. Seit er aus Twitter X machte, radikalisiert sich das einst sehr informative Netzwerk. Gerade ordnete Musk an, dass Beiträge mit Verweisen auf Texte anderer Medien wie Sender oder Zeitungen gedrosselt werden. Das befördert einfache Botschaften, das behindert hintergründige Infos - die Polarisierung wächst weiter.

Jugendliche verbringen sehr, meist zu viel Zeit in diesen Netzwerken, einige sind süchtig danach, andere nutzen sie gewinnbringend. Die Frage ist: Können Verbote wirklich funktionieren? Und: Sind sie tatsächlich sinnvoll?

Der Geist ist aus der Flasche: Das Internet ist da, und es wird nicht mehr verschwinden. Ist es vorstellbar, dass ein 15-Jähriger mit einem 17-Jährigen zusammensitzt - und nur der Ältere im Netz surft? Verbote erhöhen zudem eher den Reiz. Wie sollen die Zugänge kontrolliert werden? Viele offene Fragen.

"Es gibt keine gemeinsame Diskussion mehr"

Der US-Kenner Stephan Bierling sagt über soziale Medien: "Sie sind der Zerstörer der Demokratie. Sie senden uns mit ihren Algorithmen nur noch Informationen, die man ohnehin glaubt. Es gibt keine gemeinsame Diskussion mehr, die eine Demokratie braucht."

Ja, der Trend geht längst in diese Richtung. Aber sinnvoller und realisierbarer als Verbote erscheint ein Mix aus mehr Kontrolle und mehr Bildung: Europa muss sich gegen die völlige Aufhebung von Regeln im Netz stemmen, die Trump anstrebt. Die Plattformen müssen für die Inhalte verantwortlich sein, die sie transportieren - wie Sender, Verlage und klassische Medien das längst sind.

Und: Es braucht endlich einen umfassenden Ansatz für gründliche Medienbildung von Kindheit an. Wie erkenne ich zuverlässige Informationen? Wie Fake News und Propaganda? Da haben nicht nur Schulen viel nachzuholen. Dringliche Aufgaben für Demokratien, die Zukunft haben wollen.

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