
Pro & Contra
USA-Boykott im Supermarkt? Verlogener geht‘s nicht
Es gibt in diesem polarisierten Deutschland die eine Sache, bei der machen (fast) alle mit: Wenn es gegen die Amerikaner geht, sind Links und Rechts dabei. Nun könnte man die jüngste Episode dessen - das Teilen von Listen, welche US-Produkte man im Supermarkt nun meiden solle - also wie immer wahlweise einem moralischen Überlegenheitsgefühl gegenüber den Amerikanern oder uneingestandenem Neid auf diese Amerikaner zuschreiben, was ja hinter vielen solcher Aktionen steckt. Wäre es diesmal nicht besonders beunruhigend. „Kauft nicht beim Amerikaner“ - so ähnlich hatten wir das schon mal. Und hatten daraus gelernt. Jedenfalls schien es so.
Dabei ist das, was auf den Boykottlisten steht, schon aus zweierlei Gründen Unsinn: Zum einen haben sich die Menschen hinter manchen Marken in der Vergangenheit deutlich gegen Donald Trump und Rechtspopulismus positioniert - der Chef der Jeans-Ikone Levi’s zum Beispiel. Er legte sich vor Jahren schon mit der Waffenlobby und Trump an. Und wird nun - mit seiner Marke - in Sippenhaft genommen.
Zum anderen sind viele der Marken, die auf den Boykottlisten auftauchen, überhaupt nicht so amerikanisch, wie es scheint. Coca-Cola zum Beispiel klingt super amerikanisch. Wird aber im fränkischen Knetzgau abgefüllt und von Nürnberg aus ausgeliefert. Für so viel Differenzierung ist freilich kein Platz auf Facebook, wo die Boykottlisten fleißig geteilt werden.
„Kauft nicht beim Türken“ propagiert auch niemand - und das aus guten Gründen
Dazu kommt: Die Kampagne gibt sich einen wirtschaftspolitischen Anstrich - Trumps Zölle -, sie wäre aber kaum so erfolgreich, hätte ein Barack Obama eben solche Zölle erhoben. Was freilich daran liegt, dass wer sich am Boykott beteiligt (und sich damit teils auch öffentlichkeitswirksam auf Social Media inszeniert), auch gleich ein Zeichen setzt für die Demokratie und gegen den Weg in den Autoritarismus.
Konsequenterweise bräuchte es dieses Zeichen dann aber auch gegen Nationen, deren Regierende längst weiter sind als Trump. Die die Medien an die Kette und politische Gegner in Ketten gelegt haben.
Auf die Idee, „Kauft nicht beim Türken“ zu propagieren, kommt aber niemand. Aus guten Gründen. Gleichzeitig aber ohne jede Scham „Kauft nicht beim Amerikaner“ zu schreien, zeigt, was diese Kampagne vor allem ist: verlogen.
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