
Eine ganz eigene Insel
Taiwan überrascht: Haben wir das Glück zwischen Tempeln, Laternen und am See gefunden?
Schildkröten, überall Schildkröten. Gebilde aus Reis, Gebäck, süß oder salzig. Manche sind mit Süßigkeiten oder Obst garniert, andere eher schlicht gehalten. Die einen wiegen ein halbes Pfund, andere bringen zwei Kilo oder noch mehr auf die Waage.
Am letzten Tag des Neujahresfestes ist es nicht nur im großen Tempel von Daxi im Nordosten Taiwans Tradition, mit Schildkröten als Symbol für Glück die Götter wohlgesonnen zu stimmen. Auch jenseits der Provinz Taoyuan ist es überall auf der Insel der Tag der Wünsche – und somit fast ein Tag wie jeder andere.
Denn die Taiwaner haben ein besonderes Verhältnis zu ihren Göttern. Die gibt es für alle Lebenslagen: Ob nun für Gesundheit, Karriere, Ehe oder Prüfungen. Und die werden immer um Hilfe gebeten und vor allem um Rat gefragt. So auch in dem großen Tempel mit den leuchtend roten Laternen unweit der „Old Street“ von Daxi mit ihren hübschen kleinen Häusern aus der Kolonialzeit.
Sie sind ein Relikt aus der Zeit, als Daxi noch ein wichtiger Handelsplatz vor allem für landwirtschaftliche Produkte war. Heute lassen sich vor allem Touristen aus Asien durch die schmale Straße mit ihren Souvenirshops und den kleinen Läden treiben. Ein extremer Kontrast zur nur gut 50 Kilometer entfernten Hautstadt Taipeh mit ihren Wolkenkratzern und den Unmengen an Motorollern, die dort durch die Straßen heulen.
Zheng-Qin Jian hat nie etwas anderes als seine Heimatinsel kennengelernt. Nur einen Steinwurf von der „Old Street“ entfernt steht der Tischler in seiner Werkstatt. Die einstige Garage ist ein Durcheinander aus Holz, Werkzeug und Spänen auf dem Boden. Für den 62-Jährigen aber hat alles seinen Platz, wie blind zieht er eine Schachtel aus einer Ecke hervor und zeigt stolz die kleinen Kreisel für Kinder darin, die er gedrechselt hat. Seine Hauptarbeit aber sind Möbel – etwa der große Tisch, den er gerade geschreinert hat, und der so viel kostet, wie er im Monat als Angestellter verdient. Auch nach 41 Jahren an der Werkbank macht er die Arbeit gerne, sagt er. Touristen verirren sich dabei nie in seine kleine, staubige Werkstatt. Die kaufen die Kreisel dann in der „Old Street“.

Mehr als sieben Millionen Gäste verzeichnete die Tourismusbehörde Taiwans für das Jahr 2024. Im Jahr zuvor waren es noch 5,7 Millionen Besucher gewesen. Die Branche boomt. Die Touristen kommen vor allem aus Japan, gefolgt von Hongkong, Macao und Korea. Chinesische Touristen bleiben aufgrund der politischen Situation seit Jahren größtenteils fern, während die Zahl der amerikanischen Gäste mit fast 600.000 Besuchern stark angestiegen ist. Europäer spielen hingegen bisher eine geringe Rolle. Die zieht es mehr an die Strände von Thailands Inseln oder Bali – auf Inseln, die, anders als Taiwan, auf den Tourismus angewiesen sind.

Taiwans Wirtschaft ist vor allem von Industrieproduktion, Export und dem Dienstleistungssektor geprägt. Touristisch ist das Land dennoch gut aufgestellt. Im lebhaften Taipeh etwa gibt es eine ganze Reihe ausgezeichneter Restaurants und Vier- und Fünf-Sterne-Hotels, wie auch etwa am Ufer des „Sonne Mond Sees“.
Der größte Binnensee der Insel liegt etwa zweieinhalb Fahrstunden von Taipeh entfernt und ist ein wahres Naturidyll. Das erkundet man am besten entweder auf einer Bootstour von der Seeseite aus oder auf dem neuen und gut ausgebauten Radweg - zum Teil durch urwaldgleiche Gehölze mit riesigen Bambuspflanzen. Auch liegt dort mit dem Wenwu-Tempel einer der schönsten Tempel Taiwans. Entsprechend beliebt ist dieser Ausflugsort. Bedeutend ruhiger hat man es bei einer Führung durch die Teeplantagen der nahen Gemeinde Yuchi, bei der man viel über die alte und noch immer lebendige Tradition des Teeanbaus erfahren kann.

Hier die pulsierende Großstadt mit ihrem vorzüglichem Street-Food, den Nachtmärkten und dem einst höchsten Wolkenkratzer der Welt, Taipeh 101, schicken Einkaufsmalls und beindruckenden Tempeln, dort das verträumte Hinterland. In dem gibt es neben viel Natur auch wahre touristische Hotspots: So ist etwa das kleine Jiufen mit seinen Teehäusern eine Art asiatisches Rothenburg ob der Tauber, durch das sich selbst bei strömenden Regen die Massen schieben. Der hier einst gedrehte Film „Die Stadt der Traurigkeit“, aber auch der japanische Blockbuster „Chirios Reise ins Zauberland“ bescheren dem einstigen Goldgräberdorf jährlich viele Tausende Besucher.
Gegensätzlicher könnte die kleine Insel also nicht sein und wartet dabei auch noch mit einem Superlativ auf: Taiwan ist zwar nur etwa so groß wie die Niederlande, zählt aber mit mehr als 23 Millionen Bewohnern zu den dichtestbesiedelten Regionen der Welt. Viel Platz haben die Taiwanesen also nicht, zumal 70 Prozent der Insel aus Bergen bestehen, von denen rund 270 höher als 3000 Meter sind.
Wunsch nach Liebe und Erfolg
Auch auf dem Weg zum Distrikt Pingxi geht es auf der Straße bergauf und bergab, bis man zu einem weiteren Touristenmagneten unter den asiatischen Besuchern gelangt. Ungezählte Lampions werden hier tagtäglich gen Himmel geschickt. Ursprünglich war dies Tradition anlässlich des Neujahrsfestes. Doch inzwischen ist das Geschäft mit dem Wunsch nach Liebe, Glück und Erfolg so lukrativ, dass hier inzwischen an 365 Tagen Laternen-Festival ist. Das sorgt gerade an den Wochenenden für wahre Touristenströme – und spült Geld in die Kassen der vielen kleinen Shops des einstigen Bergarbeiterdorfes, sorgt aber auch für Müll. Zwar gibt es inzwischen eine Art Pfand-System. Aber Reste der Metall- und Papierkonstruktionen landen dann doch irgendwo oben in den Bergen.
Das offizielle Laternen-Festival zum Neujahrsfest findet jedoch immer in einer anderen taiwanischen Provinz statt - mit Tausenden Leuchten, zum Teil riesigen und kostspieligen Gebilden und bunten Bodeninstallationen. So mancher Besucher mag auch bei dem Riesenevent auf den Segen der Götter hoffen - eben, wie an jedem Tag in Taiwan.

Weitere Informationen
Anreise: China Airlines bietet einen täglichen Non-Stop-Flug von Frankfurt nach Taipeh an.
Beste Reisezeit: Die angenehmste Reisezeit ist entweder das Frühjahr (von März bis Mai) oder der Herbst (von September bis November).
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