Podcast mit Herbert Eckstein

Als Landrat 30 Jahre lang klare Worte nicht gescheut

Matthias Oberth

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10.5.2023, 14:00 Uhr

Wer rund 30 Jahre als Landrat amtiert hat, dem gehen die Geschichten nicht aus. Auch bei Herbert Eckstein ist das der Fall. Doch der 67-Jährige blickt nicht nur mit Anekdoten auf seine lange politische Karriere zurück, sondern pflegt heute noch die klare Ansage. So sagte er im Podcast "Horch amol" zum Hickhack um den Standort für ein ICE-Ausbesserungswerk in der Region Nürnberg, er habe "selten erlebt, dass eine Entscheidung so schlecht vorbereitet wurde."

Unfertiges Konzept

Für SPD-Mann Eckstein ist es unverständlich, wie Ministerpräsident Markus Söder im Dezember 2019 mit der Entscheidung der Bahn, das Ausbesserungswerk in Nürnberg zu bauen, an die Öffentlichkeit gegangen ist. "Erst der Jubel der Politik über den Standort Nürnberg", sagt Eckstein, um anschließend alle möglichen Standorte in und um Nürnberg herum ins Gespräch zu bringen. "Unglücklich und sehr schlecht", beschreibt Eckstein die Vorgehensweise. "Wer die Bahn dazu getrieben hat, mit einem solch unfertigen Konzept herauszugehen, ist mir unerklärlich", so der Ex-Landrat.

Nachdem die Nürnberger Standorte – teilweise unter politischem Druck – wegfielen, war es nach seinen Worten wenig verwunderlich, dass die Euphorie auf dem Land nicht groß war, jetzt als Lückenbüßer herhalten zu müssen. Er plädiert bei solchen Großprojekten dafür, eine akribische Vorbereitung zu betreiben und die Betroffenen frühzeitig in die Prozesse einzubinden, statt in der Öffentlichkeit vorzupreschen. Bedenken aus der Bevölkerung ernst nehmen und Vertrauen schaffen, lautet seine Devise, wenn eine Ansiedlung in dieser Größenordnung gelingen soll.

Er selbst habe in seiner Amtszeit generell eine andere Strategie gefahren. "Wir sind heute ein Landkreis mit einer der niedrigsten Arbeitslosenzahlen und wir haben nur vier Betriebe mit mehr als 400 Mitarbeitern", berichtet Eckstein mit gewissem Stolz. Der Verkauf von riesigen Flächen an weltweit operierende Konzerne statt den Mittelstand zu fördern, ist für ihn "die falsche Politik". Es sei eben keineswegs so, dass "groß automatisch Probleme löst". Es gelte eher das Gegenteil, wie derzeit auch die Galeria-Karstadt-Kaufhof-Krise beweist, so Eckstein.

Blase der Uninformierten

Ein weiteres politisches Phänomen sieht der Kommunalpolitiker mit Sorge. "Fishing for Mehrheiten", nennt es Eckstein und hat dabei vor allem Markus Söder im Visier. Söders Präsenz in den Sozialen Netzwerken und seinem Faible für das Formulieren von schlagzeilenträchtigen Parolen, kann Eckstein wenig abgewinnen. Den Willen zur Skandalisierung, den der Ex-Landrat bei der "großen Politik" beobachtet, bereitet ihm Sorge.

Es gehe nur um die Aufrechterhaltung eines Erregungszustands, nicht um die Vermittlung komplexer Sachverhalte. "Wir müssen aufpassen, dass wir keine Blase der Uninformierten schaffen", sagt der Sozialdemokrat Eckstein und schiebt nach: "Söder weckt Interesse, aber er hat keine Lösungen", so seine Analyse. Aus seiner Sicht "gibt es in ganz Deutschland keinen anderen verantwortungsvollen Landespolitiker, der in dieser Weise agiert."

Verlässlichkeit ist gefragt

Für Herbert Eckstein ist klar, dass ein solches Verhalten in der Kommunalpolitik nicht funktionieren würde. "Hier kommst du mit einfachen Botschaften über Facebook nicht weiter, sondern musst dicke Bretter über einen langen Zeitraum bohren", klopft er sozusagen der Spezies der Landräte und Bürgermeister ein bisschen selbst auf die Schulter. Verlässlichkeit stehe hier im Vordergrund. Natürlich reagiere man hier auch auf veränderte Situationen, aber ein "heute so, morgen so und übermorgen wieder anders", sei auf kommunaler Ebene kein Erfolgsmodell.

Bürgernah ist Eckstein immer gewesen. Diese Eigenschaft billigten ihm politische Freunde und Feinde ohne Ausnahme zu. Daran werde auch sein zukünftiger Nachfolger gemessen, der am Sonntag in einer Stichwahl zwischen Ben Schwarz (SPD/Grüne) und Jochen Münch (CSU) bestimmt wird. Das sehr gute Ergebnis von Ben Schwarz im ersten Wahlgang hat ihn persönlich überrascht, aber auch hier zeige sich, dass die Wählerinnen und Wähler "gute Arbeit zu schätzen wissen" und nicht das Parteibuch entscheidet sei, so Eckstein.

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