Fall 10 von "Freude für alle"

"Merkwürdige Gesichtszüge": Seltene Krankheit wirft Nürnbergerin und ihre Familie aus der Bahn

Max Söllner

Redaktion Neumarkt

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22.11.2023, 10:59 Uhr
Monatelang war Ema P. bei ihrer Tochter im Krankenhaus (Symbolfoto).

© imago images//Pond5 Images, NN Monatelang war Ema P. bei ihrer Tochter im Krankenhaus (Symbolfoto).

Es war 2019, als die damals ein Jahr alte Aurica wegen einer Lungenentzündung ins Krankenhaus kam - und dazu "merkwürdige Gesichtszüge" hatte, wie ihre Mutter Ema P. aus Nürnberg erzählt (alle Namen geändert). Über einen Bluttest entdeckten die Ärztinnen und Ärzte einen seltenen Gendefekt: Sie hat das Ullrich-Turner-Syndrom. Wochenlang lag das Mädchen auf Intensivstation.

Ursache für die bei Frauen auftretende Krankheit ist eine fehlerhafte Verteilung der Geschlechtschromosomen, also der Träger von Erbanlagen. Sie ist angeboren und wird nicht vererbt. Aurica wurde mit Pflegegrad drei eingestuft, kann ihren Alltag nicht allein bewältigen.

"Es war sehr schwer", sagt die Mutter über die damalige Zeit, in der ihr obendrein vom Vermieter gekündigt und sie vom Partner verlassen wurde. "Der ist abgehauen." Plötzlich stand sie inmitten einer Ausnahmesituation völlig alleine da - als Alleinerziehende der kranken Aurica und ihres zweiten Kindes, des drei Jahre älteren Fabiu.

Sohn wurde verhaltensauffällig

“Mein Sohn hat immer den Kürzeren gezogen", sagt sie, "so kam es zu seiner Verhaltensauffälligkeit". Als Erstklässler musste er wiederholt vorzeitig abgeholt werden. “Er hat gemerkt: Wenn er in der Schule Mist baut, dann kommt die Mutter." Inzwischen geht er nicht mehr auf die Regel-, sondern eine Förderschule. Seine Schwester Aurica besucht eine schulvorbereitende Einrichtung der Lebenshilfe für Kinder mit Behinderung.

"Ich bin stark, ich habe wirklich vieles geschafft", sagt P. Sie war zuvor mit einem anderen Mann als dem Vater der Kinder verheiratet, die Scheidung dauerte quälend lang. Über ein Jahrzehnt arbeitete sie als Altenpflegerin. Doch irgendwann machte der Arbeitgeber es nicht mehr mit, dass sie sich oft sehr kurzfristig um Aurica und Fabiu kümmern musste.

Und sie selbst? “Ich konnte nicht verarbeiten, dass meine Kinder krank waren, ich musste funktionieren." Das gelang ihr rund vier Jahre - im August 2023 aber ging bei der 35-jährigen Mutter selbst nichts mehr.

Ein Nervenzusammenbruch, mitten in der Nacht, die Schwester eilte zur Hilfe. Ab in ein Nürnberger Krankenhaus. "Ich habe dem Jugendamt gesagt, ich kann nicht mehr. Dann habe ich mich in eine psychiatrische Fachklinik einweisen lassen." Inzwischen ist sie auf Reha, die Langzeittherapie soll noch ein halbes Jahr andauern. Es ist ihre einzige Chance, den Entzug der Kinder durch das Jugendamt zu verhindern, wie sie sagt.

Der Vater ist auf Zeit zurück

Aurica und Fabiu leben derzeit wieder mit ihrem Vater zusammen, der zurückgekehrt und temporär in die Wohnung von P. eingezogen ist. Kommt sie von der Reha zurück, muss er wieder raus. Das Jugendamt hält den Kontakt. "Ich telefoniere nicht mit ihm, er würde mich fertigmachen", sagt P. Eine Nachbarin passt in der Früh zwei Stunden auf die Kinder auf, da er frühzeitig zur Arbeit muss.

Im Gegenzug für die Betreuung zahlt der Vater keine Miete und auch nichts für die Nebenkosten. Was dazu führt, dass P., die aktuell vom Bürgergeld lebt, finanziell nicht über die Runden kommt und Schulden hat. Unter anderem für den Strom, aber auch für die Kinderbetten, die sie auf Raten gekauft hat.

Eine Spende könnte für etwas Entlastung sorgen - und für Aurica wie Fabiu wären Kleidung, Schultaschen sowie ein neuer Kleiderschrank drin. "Alles für die Kinder, nicht für mich, ich bin eh im Krankenhaus", sagt P.

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