Festakt zur 100-Jahr-Feier

Begräbnisverein Pegnitz in der Hyperinflation gegründet: Als ein Ei Milliarden kostete

26.5.2023, 05:05 Uhr
In seiner Ansprache im Sitzungssaal des Alten Rathauses ging der stellvertretende Vorsitzende Reinhard Chwalka auf die Anfänge des größten Pegnitzer Vereins ein.  

© Rosi Thiem, NN In seiner Ansprache im Sitzungssaal des Alten Rathauses ging der stellvertretende Vorsitzende Reinhard Chwalka auf die Anfänge des größten Pegnitzer Vereins ein.  

„Pegnitz ist eine Stadt für das ganze Leben“, sagte stellvertretender Vorsitzender Reinhard Chwalka in seiner Festansprache im voll besetzten Rathaussaal. „Genau diese Maxime haben wir im Grußwort unserer Jubiläumsbroschüre geschrieben. Viele werden hier geboren, besuchen hier die Schulen, absolvieren die Ausbildung, heiraten und werden mit ihren Freunden und Familien älter und verbringen in dieser Stadt ihr ganzes Leben.

Und irgendwann schließt sich der Kreis wieder. Für jeden von uns steht der Tod am Ende eines hoffentlich erfüllten Lebens“, sagte Chwalka, und: „Wenn wir auf unseren Begräbnisverein blicken, dann hat er ebenfalls eine Lebensgeschichte, die fest verankert ist in der Geschichte der Stadt Pegnitz.“

320 Milliarden Mark für ein Ei

Geburtsstunde des Vereins war der 21. April 1923. „1923 war das Jahr der Hyperinflation“, erinnerte Chwalka, der von 2011 bis 2023 Vorsitzender des Vereins war: „Am 1. Juni 1923 hat in Berlin ein Ei 800 Mark gekostet und im gleichen Jahr am 2. Dezember 320 Milliarden Mark. Gerade Arbeiter, einfache Angestellte und Beamte sahen sich vor enormen wirtschaftlichen Herausforderungen gestellt. Der Begräbnisverein ist quasi ein Kind dieser großen Notsituation.“

Von links: Pfarrer Matthias Öffner, Vorsitzender Karl Lothes, Bürgermeister Wolfgang Nierhoff, Pfarrgemeinderatsvorsitzende Regina Schrembs, stellvertretender Vorsitzender Reinhard Chwalka, Geschäftsführer Roland Bauer und Revisor Michael Hochgesang, der die Chronik verfasste.

Von links: Pfarrer Matthias Öffner, Vorsitzender Karl Lothes, Bürgermeister Wolfgang Nierhoff, Pfarrgemeinderatsvorsitzende Regina Schrembs, stellvertretender Vorsitzender Reinhard Chwalka, Geschäftsführer Roland Bauer und Revisor Michael Hochgesang, der die Chronik verfasste. © Rosi Thiem, NN

Die Beerdigungskosten eines Toten verschlangen damals derartig hohe Summen, die die Hinterbliebenen nicht aufbringen konnten. Um eine Garantie zu schaffen, dass die Verstorbenen eine ehrenvolle und würdige Beerdigung erhielten, wurde die Gründung des Begräbnisvereins angeregt. „Mit dieser Gründung ist der Verein aber nicht nur ein Kind der Not, sondern auch ein Kind der Solidarität. Wo einzelne Personen verzweifelt sind, konnten die Menschen als Gemeinschaft etwas bewegen“, so Chwalka. 1970 erreichte die Mitgliederzahl mit 5446 Mitgliedern ihren Höchststand - das waren rund 44 Prozent der Pegnitzer.

Größter Verein in Pegnitz

„Heute ist unser Begräbnisverein quasi erwachsen“, sagte Chwalka: „Mit 2200 Mitgliedern ist er der größte Verein in Pegnitz. Manche Gegebenheiten haben sich natürlich verändert. Aber den Hinterbliebenen wird heute zur Unterstützung bei den Beerdigungskosten eine Summe von 1200 Euro ausgezahlt. Und wir treten lautstark dafür ein, dass Friedhöfe an veränderte Beerdigungsgewohnheiten angepasst werden - wie vor einigen Jahren bei der Debatte um die Urnenmauern am neuen Friedhof.“ Viele Menschen blickten auch heute sorgenvoll auf die Kosten für eine Beerdigung. „Nach einer Berechnung der Stiftung Warentest von 2016 kostet eine Bestattung heute rund 8000 Euro. Daher ist der solidarische Ansatz unseres Vereins genauso wichtig, wie noch vor 100 Jahren.“

Reinhard Chwalka gab einen kleinen Einblick in die Anfänge des Vereins, dessen erster Vorsitzender Konrad Engelbrecht von 1923 bis 1945 war. 18 Bürger kamen in den Anfängen zu der Gründungsversammlung. Wobei zum Jahresende 1923 der Verein bereits 1350 Mitglieder hatte.

Reinhard Chwalka gab einen kleinen Einblick in die Anfänge des Vereins, dessen erster Vorsitzender Konrad Engelbrecht von 1923 bis 1945 war. 18 Bürger kamen in den Anfängen zu der Gründungsversammlung. Wobei zum Jahresende 1923 der Verein bereits 1350 Mitglieder hatte. © Rosi Thiem, NN

Bürgermeister Wolfgang Nierhoff bezeichnete den Verein als größten im Landkreis und als wichtigen Rettungsanker für die Hinterbliebenen. „Der Tod ist für uns alle unausweichlich. Zum Schmerz und der Trauer kommt oft auf die Hinterbliebenen eine große finanzielle Herausforderung hinzu. In diesem Fall ist der Verein für seine Mitglieder stets ein verlässlicher Partner gewesen.“

Pfarrgemeinderatsvorsitzende Regina Schrembs ging in ihrem Grußwort auf die unbürokratische Hilfe des Begräbnisvereins für die Hinterbliebenen in schmerzlichen Stunden ein, Pfarrer Matthias Öffner auf die sieben Werke der Barmherzigkeit und die wichtige Aufgabe im Christentum, Tote würdevoll zu bestatten. VdK-Vorsitzender Hans-Karl Schönner sagte: „Wir ergänzen uns - die Not wird wieder größer.“
Der ehrenamtliche Geschäftsführer Roland Bauer berichtete von vermehrten Neueintritten: „Heuer konnten schon acht neue Mitglieder begrüßt werden, das ist verglichen mit den Vorjahren sehr viel.“ In der nächsten Vorstandssitzung werde über die Möglichkeit einer Mehrfachmitgliedschaft diskutiert. Gegenüber anderen Versicherungen sei eine Mitgliedschaft oft weitaus günstiger, sagte Bauer.

Hoffnungsvoll in die Zukunft

Der vor fünf Wochen neu gewählte Vorsitzende Karl Lothes, der von 1996 bis 2023 schon Stellvertreter war, warf einen optimistischen Blick in die Zukunft: „Der Begräbnisverein ist gut aufgestellt. Wir haben uns vorgenommen, die nicht kleiner werdenden Herausforderungen zu meistern und uns für das Fortbestehen des Vereins einzusetzen.“ In diesem Zusammenhang nannte er neben der Prüfung von Mehrfachmitgliedschaften mehr Öffentlichkeitsarbeit. Man wolle sich unter anderem mit der VdK an einen Tisch setzen und Gespräche mit Senioreneinrichtungen führen.
Die Zusammenarbeit mit den ortsansässigen Bestattungsinstituten und der Stadt Pegnitz sei unkompliziert und unbürokratisch. Der Verein werde mithelfen, neue Formen der Bestattung zu suchen und zu finden - Pegnitz sei eben eine Stadt für das ganze Leben.